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„Limonaden-Pause" im Cafd Schnabel, ein kleines Irregehen beim Suchen der Bautzner Straße und schon lag uns Löbau wieder im Rüchen. Die volle Scheibe des Mondes spendete ihr mildes Licht und bald grüßten zur Linken Höchste!« und Czorneboh. Zwar rückte Äochkirch etwas langsam heran, doch gegen II Uhr war's erreicht und zwei Stunden später passierten zwei müde, aber wohl gemute Wanderer (Freund „Henknerchen" und ich) das äußere Reichentor. Freudige Genugtuung über das Erreichte erfüllte unsere Brust. Wir Hattens geschafft: 132 Kilometer rund um die Oberlaufitz mit eigener Kraft, auf den eigenen zwei Beinen. Mein Schrittzähler zeigte die Zahl IZ4708, das bedeutete auf Freund Henkners kürzere Beine umgerechnet für diesen 167908 Schritte. Fröhlich scholl uns der Willkommensgruß unserer am Ziel (Cafö Stiller) versammelten Freunde und Wandergenossen entgegen. Mich drückten keine wundgelaufcnen Füße und die Muskulatur der Beine war noch voll Kraft und Frische. Was aber das Beste und Wichtigste war: frisch waren auch Herz, Lunge und Kopf. Der Marsch war ein Bluterneuerungsprozeß, ein Stahlbad für die Nerven gewesen, er war eine Ausdauerprüfung, die wir, was auch die an gestellten Untersuchungen erwiesen haben, aufs beste bestanden hatten. Für den geübten, an Körper und Geist gesunden Wanderer ist darum ein solcher Marsch kein übertriebener Sport, wie so viele behauptet haben. Freilich, er muß eben das richtige Gehen, das wirkliche Wandern gelernt haben. Das beliebte „gemütliche Schlendern" mit öfters eingelegten (Bier-)Trink- und (Fleisch-)Eßpausen ist kein gesundes und genußreiches Wandern in dem zu Anfang geschilderten Sinne. Es macht nur träge und erschlafft den Körper. — Ich hoffe, daß das hier Gesagte so manchen Zweifler bekehrt haben wird und glaube meine Betrachtungen nicht besser beschließen zu können als mit den Dichterworten Reinhold Brauns, der da vom rechten Wandern so treffend sagt: Wandern! Du Wort voll Himmel und seliger Weite! Boll singenden und klingenden Glückes! Frühglockenklang, verhallendes Abendgeläut, rauschende Wipfel, Quellen in Wäldertiefe, Sternen nacht»Einsamkeit voll himmlischer Stimmen! O du Wort, wer fühlt deinen Zauber ganz aus! Du birgst grenzenlose Schönheit und immer neue Wunder! Wort, du bist Höhe und Freiheit, du bist Leben! Eine Wanderung nach den Krohhütten Bon Gerhard St ende, Kirschau M^er letzte herrliche Maisonntag war angebrochen. Die strahlende Sonne lockte auch uns hinaus ins frische Grün. Doch wir verschmähten es; einem der bekannten Berge unfern Besuch abzustatten. Ihre Schönheiten waren uns durch viele Wanderungen an stillen Sommerabenden aufgeschlossen worden. Stille Wege wollten wir gehen. Wohin? Nur ein kurzes Besinnen gab es da. „Komm, wir gehen nach den Krohhütten!" Erstaunt sah mich mein junger Freund an. „Krohhütten? Ja, wo liegen denn die? Ich finde sie nicht auf dem Meßtischblatt von Schirgiswalde verzeichnet. Ist's denn dort auch schön?" Einige kurze beruhigende Aufklärungen, und wir marschierten los. Unser Weg führte uns ein Stück im Spreetal entlang. Als rechts ein kleines Tal uns so freundlich zum Kommen einlud, konnten und wollten wir nicht widerstehen. Schweißers Busch nahm uns auf in seinem kühlenden Schatten. Nicht lange dauerte diese Erfrischung, denn bald hörten die Bäume auf. Eine bunte Frühlingswiese lag vor uns. Bald hieß es: Steigen nach Niedercrostau. „Dort im Süden zwischen jenen Obstbäumen, dort, wo die vielen Bienenstöcke stehen, siehst Du einen kleinen Hügel. Nur wenig hebt er sich von dem übrigen Grün ab. Dort hat einst das feste Haus Crostau gestanden. Geringe Reste von ihm sind nur übrig geblieben. Mele, die den Wiesenweg dahinschreiten, ahnen nicht, daß hier ^inst Ritter mit ihren Knechten gehaust haben." Doch immer weiter vorwärts strebten wir zu kommen. Ver einzelt liegen im frischen Laub die Häuschen von Niedercrostau eingebettet. Wir kamen an eine Weggabel. Rechts geht ein alter Weg nach Cunewalde. Ob Du schon von dem langen Rain etwas weißt? Vor 30—40 Jahren war der Weg mehr begangen als heute. Müde und abgespannt von dem Weben und Treiben brachten die fleißigen Crostauer aus diesem Wege die fertige Ware nach Cunewalde. Fröhlicher kehrten sie zurück, wenn der Ber- dienst höher war, als sie gedacht, wenn der strenge Herr alle Ware f r gut befunden und nichts von dem ungemein kargen Ver dienst abgezogen hatte. Damals hättest Du noch keinen Zug pfeifen hören. Keine schwarze Rauchwolke hätte Dir den Blick nach Norden versperrt. Jene alte Frau, die mühsam und langsam den langen Rain heraufkommt, könnte da wahrscheinlich mehr von dieser alten Straße erzählen. Sie könnte Dir sagen, daß auch die Cunewalder Weder den Weg zogen, um in Schirgiswaldeoder in einem andern Städtchen Nordböhmens auf dem Wollmarkt neue Rohstoffe zu holen oder davon wie einst auch ihr Mann mit dem Schubkarren die Leinwand »ach Leipzig zur Messe gefahren hat. Unsere Hoffnung, mehr über diesen Weg zu erfahren, erf llle sich nicht, denn die Frau schlug einen der Feldwege nach Crostau ein. Vielleicht haben wir ein andermal mehr Gl ck. Frohgemut und gestärkt durch die kurze Rast, wanderten wir nach Norden auf der Bederwitzer Straße. Wir mußten gut aufpaffen, daß wir nicht jenen unscheinbaren Wiesenweg, der von rechts hereinkam, übersahen, denn dieser sollte uns an unser Ziel, jenen beiden klei nen, mit Busch bewachsenen H' geln bringen. Da die Höhen des Czornebohs uns einen weiten Ausblick ver wehren, so schauen wir uns in unserer nächsten Umgebung um. Wie fanden wir da das Sprichwort bestätigt: „Warum in die Ferne schweifen, steh', das Schöne liegt so nah!" Das Gelb des Hahnenfußes rbertönt alle andern Farben. Verstohlen nur gucken rote Pechnelken aus dem saftigen Grün des Grases hervor. Ver gebens versucht ein kleiner, goldschimmernder Käfer seine F ßchen von dem schwarzen Pechring loszubringen. Auch die Gräser haben ihr Blütenkleid angelegt. Der Löwenzahn dagegen setzt schon seine weißen Lampen auf. Zaghaft nur wagen sich ver einzelt blaue Kuckucksblumen und rotes Knabenkraut hervor... »Dem Sonntagskind tönt ein leises Läuten und Klingen von den blauen Glocken, die der kehlende Ostwind bewegt, entgegen.... Erschrocken flattert ein bunter Schwalbenschwanz vor uns auf und wiegt sich im Sonnenschein. Blaue, gelbe und weiße Schmetter linge statten dem bunten Blumenkranz ihren Besuch ab. Leise zirpt eine Feldgrille. Jubelnd erheben sich die Lerchen aus dem wogenden Ahrenfeld. Kein Menschenlaut stört die Stille der Natur. Sonntagsfrieden überall. Langsam schlängelt sich der schmale Wiesenpfad durch all die Frühlingspracht hindurch. Da auf einmal stockt dein Fuß Ein süßer Düst kommt von jenem kleinen H^gel herüber. Weiße Blüten strömen ihn aus. Unser Ziel winkt, denn dort ist der Hügel, der im Bolksmunde den Namen „Krohhütten" trägt. Umsonst suchst Du einen Weg, der uns von hier hinaufbringl. Kurz entschlossen, steigen wir zwischen zwei Kartoffelzeilen hinan. Immer stärker wird der süße Duft. Nur schwer können wir durch das dichte Weißdorngestrüpp hindurch. Der zweite Busch, der nur wenige Schritte von hier entfernt liegt, lockt uns hin zu sich. Auch hier ist ein Eindringen schwer möglich. Die Dornen ver- wehren den ungehinderten Eingang. Niemand soll hereinkom men. Doch wir erzwingen den Zugang und lassen uns selbst nicht von den vielen summenden Bienen abhalten, die wir in ihrer Arbeit gestört haben. Glücklich sind wir, ohne daß die Dornen einen Tribut von unfern Jacken erhalten haben, ins Innere eingedrungen. Ent täuscht sehen wir uns an. Nichts von der Schönheit der Gottes natur, die wir eben durchwanderten, ist zu sehen. Düster ist es hier. Ein kreisförmiges Loch ist vor unfern Füßen in der Erde. Jene Seite ist schon halb mit altem, zerbrochenem Unrat angefüllt. Nur der schlanke Stamm einer Kiefer, die mitten aus dem Loch heraus nach dem Lichte strebt, erfreut unser Auge. Schnell drän- gen wir uns durch das Gestrüpp hindurch. Enttäuschung malt sich auf den Zügen meines Begleiters. Sie sagen mir, daß wir wegen solch eines Schutthaufens hätten nicht hierher kommen brauchen. Gemach, lieber Freund, ich werde Dir gleich erzählen, warum ich Dich herföhrte. Doch ehe ich mit Erzählen beginne, umgehen wir noch einmal den Busch und er freuen uns an der herrlichen Aussicht. Eingebettet zwischen der Czorneboh- und Bielebohkette liegt das Cunewalder Tal. Zer-