Volltext Seite (XML)
die Müller-Guste — dran war. Diesmal ging sie also selber- Sie draschte sich ordentlich ab, daß alles in Orkmuna war, ehe sie fortkam, und ein paar Stunden zeitiger war sie deshalb auch schon aufgestanden. Sie gingen ober gern in die Kirche, die Guts- frauen, denn sie sagten: „Der Pastor tut een so scheene eidätern!" Sie warf sich also in ihren schönsten Sonntagsstaat, die Müller- Gust», denn die Sonne schien so schön und so warm, und so war sie sicher norm Regen. Ein neuwaschnes Taschentuch legte sie auf das Gesangbuch und oben draus ein Riechsträutzchen. Das sollte vor dem Einschlafen schützen, bewirkte aber jedenfalls das Gegen teil. Zudem war es noch so warm, und obgleich es in der Kirche kühler war, als draußen, so war doch die Luft schwül und das macht bekanntlich auch schläfrig. Noch dem Hauptlied, vor der Predigt, ließ der Schuster-Karl immer erst noch einmal die Schnupftabaksdose auf der Empore herumgehen. Wahrscheinlich wollten sich die Männer den Geist noch ein bißchen schärfen, damit sie die Predigt bester verstünden. Als dieses vorüber war und der Pastor die ersten Sätze gesprochen hatte, so fingen bei der Müller-Guste schon die Augen an, zuzu- fallen. Zuerst roch sie immer noch ein paarmal an ihrem Riech- sträußel, aber bald nützte es nichts mehr. Sie fing an, mit dem Kopfe zu nicken, taumelte auch ab und zu auf ihrem Platze hin und her. Sie war sanft eingeschlafen! So ging es eine Weile fort Da — mit einem Male schrie sie ganz laut: „Willst de machen, daß de rauskimmst!" Dabei riß sie ihren Hut vom Kopfe und schleuderte ihn die ganze Kirche entlang. Sie hatte nämlich geträumt, sie sei auf dem Felde und ein Hase sei in ihr Kraut gekommen und habe sich dort ein Gütliches getan. Das brachte sie so in Aufregung, daß ihre Hände, an Tätigkeit und Gehorsam gewöhnt, sofort den Flurschützen ersetzen wollten. Nachdem sie durch den Gewaltakt aufgewacht war und sah, was sie ang»richtet hatte, war sie freilich sehr beschämt. Aber da der Pastor sich weiter nicht stören ließ durch den Zwischenfall, so ging es wenigstens noch gut ab. — Ader so bald ist die Müller- Guste nicht wieder in die Kirche gegangen. diesem Dünkel stand die Sängerin — seltener ein Sänger, well dl« weibliche Stimme ihrer höheren Lags wegen weiterhin vernehmbar war als die dunklere Männerstimme — und sang, von einem Leier kasten unterstützt oder behelligt, je nach der Veranlagung des einen oder anderen, und deutete mit einem Bohrstock gleichzeitig aus da» Bild, dessen Inhalt sie erklärt«. Der Vortrag bestand ohne Ausnahme aus zwei Teilen: 1. dem Dild und ' 2. der Geschichte. Stets wurden sie in der Deihensolgs vorgstragen. Da» Lied deutete das dargsstellts Geschehnis nur flüchtig an, es hielt sich im allgemeinen eher lyrisch als erzählend, während die nachfolgende Prosa der Geschichte ausführlich und klar die Gegebenheit mit allen Schauern und allem Grausen, mit allen zur Verfügung stehenden rührenden Mitteln ausmalte. An dieser Zweiteilung hielt man so streng fest, daß dis Sängerin M den neuesten Zeitereignissen, zu denen das Lied vielleicht noch nicht fertig war, irgend ein einigermassen passendes sentimentales Volkslied sang. Düster wie der Inhalt war die eintönige Melodie. Während die Sängerin auf dem Dünkel sang und deklamierte uod mit dem Stab auf dis Darstellungen wies, waren unter den srgrisfsnsn Zuhörern und Schausndsn dis Gehilfen tätig und ver kauften „Fliegende Blätter". Das waren acht- oder vierseitige Drucke, von denen feder eins Moritat — Geschichte und Lied — suthielt und zwar diesmal in umgekehrter "Reihenfolge, sodaß es zuwsilen aeschah, daß das Lied fehlte, wenn das Papier nicht ge reicht hotte, oder wenn bei zu fungsn Ereignissen das Lied noch nicht fertig war. Daraus folgt, dost die Geschichte das Ursprüngliche, di« Hauptsache war. Nach Beendigung ihres Vortrages verkaufte auch die Sängerin vom Dünkel herab Fliegende Blätter. Nus dem Umstand, das) Dild, Gesang und Vortrag der Ge schichte jedem, der es sehen und hören wollte, unentgeltlich dar geboten wurde, dis Fliegenden Dlüttsr aber nur gegen Entgelt ge handelt wurden, schließt Naumann in seinen Studien über den Dänkalgesang, daß diese ganze Einrichtung nur Mittel zum Zweck, nur Neklame für den Vertrieb jener schaurigen, ausrsgenden Druck schriften gewesen sei, zumal feststsht, daß die Bänkelsänger ihre Bilder fast ausnahmslos nie selbst gemalt, die Lieder und Geschichten nie selbst versaßt haben, sondern stets fertig bezogen und nur vor getragen bezw. vertrieben haben. Wenn wir so dis äußeren Geschehnisse des Dänkelgesangss und des Kinos betrachten, so finden wir, wie schon gesagt, viel ähnliches: dis Absicht, die breite Masse des Volkes zu unterhalten. Sie suchten dabei sine wohlerkannte Schwäche des weniger gebildeten Volkes nach Kräften auszubeuten, nämlich dis Sucht nach Sensationen, die umso mehr Erfolg versprach, je gruseliger und ergreifender die Be gebenheiten dargestellt waren. In der ersten Zeit des Kinos war der Bänkelgssang diesem überlegen; denn er verfolgte gleichzeitig noch eins gute Absicht, die, wenn sie sich auch drastischer Mittel bediente — oder vielleicht gerade deswegen — bei einfachen Gemütern, für dis sie ja in erster Linie bestimmt war, ihrs Wirkung nickt verfehlte, dis Absicht nämlich, das Volk zu bsjssrn durch dis den Liedern angssügte Moral: „And die Moral von der Geschicht . . ." Häufig wurden Formeln im Vortrag angswendet wie: „Hört zu, ihr Leute!" — „Nun lernt, ihr Eltern und ihr Kinder!" — „Seht Herl" — „Nun hört mit Furcht und Grauen!" Diese Absicht fehlte dem Kino. Es hat einen anderen Weg ein geschlagen, und wohl einen Weg, der in der gegenwärtigen auf geklärteren Zeit mehr Erfolg verspricht als jener. Mit berechtigtem Stolze können wir auf dis Entwickelung des Kinos schauen, wie es die Errungenschaften der Technik sich zunutze gemacht hat, welche prächtigen Wirkungen es zustande gebracht hat in seinen herrlichen Landschaftsaufnahmen aus aller Herren Länder, wenn wir uns von ihm durch dis großartigen modernen industriellen Werks führen lajssn. oder was die Lehrfilme uns fönst oder den Studenten im Hörsaal zu zeigen imstande sind. Der Kirchentraum Bon Thrkla Wenzel, Zittau n welchem Orte sich folgende Geschichte zugetragen hat, ist nicht genau sestgestellt worden, aber etliche Leute behaupten, es wäre in Friedersdorf gewesen. In der guten, alten Zeit, als jeden Sonntag mindestens eine Person aus jedem Gute auf dem Lande in die Kirche gehen mußt», war es, daß di» Gutssrau selbst — Müller-Lobn seine, Ein Wallrodaer Pfarrherr macht sich verdienstlich um die Pflege des Obstbaues Bon Fr. Beruh. Störzner legt man heute großen Wert auf die Anpflanzung MMs von Obstbäumen. Unsere Staatsregierung läßt es an An- regungen und Unterstützungen nach dieser Richtung hin ni-! t fehlen, und das wird von allen Einsichtsvollen mit Freuden begrüßt. Trotzdem will sich aber mancher nicht überzeugen lassen, fährt in seinem Schlendrian fort und meint: In anderen Gegen- den mag ja der Obstbau rentieren, bei uns ists aber nichts damit. Der Boden ist nicht geeignet, das Klima ist zu rauh! Und noch andere Einwendungen macht er geltend. — So ähnlich dachten schon vor 200 Jahren viele Bewohner des oberen Rödertales in der Westlausitz. Aber es gab auch rühmliche Ausnahmen. Hierfür nur ein Beispiel: Im Jahre 1718 kam nach Wallroda bei Radeberg als Pfarrer KI. Johann Daniel Lonqolius (Lange), der vorher Pastor- Substitut gewesen war. dl. Longolius. ein gemeinnütziger Mann, bemerkte mit Bedauern, daß im Rödertale der Obstbau so gut wie gar keine Heimstätte hatte. Er machte daher die Leute aus diesen Mangel aufmerksam und versuchte es, zunächst die Wall rodaer und Arnsdorfer für den Obstbau zu gewinnen. Doch er fand recht wenig Verständnis bei den Leuten. Die schüttelten wohl den Kopf und meinten: es lohne sich hier der Obstbau nicht. Die Bäume würden doch nicht gedeihen. Da ging dl. Longolius mit gutem Beispiele voran. Er pflanzte im Pfarrgarten Obst bäume an, die vortrefflich gediehen und schon nach wenigen Jahren Ernten lieferten. Da machten die Leute große Augen und folgten dem Beispiele ihres Pfarrers. Der Wallrodaer Pfarr garten wurde das Wanderziel vieler aus weitesterUmgebung.— kl. Longolius schreibt im Wallrodaer Kirchenbuche: „Als ich kuuw 1718 allhier einzog, sand ich nicht mehr als fünf tragbare