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Vorfrühlingsfahrt in die Lausitz Bon Herbert Henkner, Bautzen HW^jie ersten goldenen Sonnenstrahlen erleuchten den Kühlen WW Märzmorgen. Hier und da erschallt schon vereinzelt in den noch kahlen Bäumen das lustige Zwitschern der Bogel. 'Die Natur regt sich. Der Lenz hat seinen Herold ausgesandt. Ist es da zu verwundern, daß wir das Stahlroß gesattelt haben? Mit dem Rade solls durch die Lausitz gehn, hinein in des Vor- frühlings Zauber und freudiges Erwachen. Höher schon kommt die Sonn- üb-7 den Horizont. Über den Feldern trällern längst die Lerchen, als riesen sie schon den Wachruf für die noch schlum mernde Saat.— Und weiter trägt uns das Rad mit den glitzern den Speichen. Postwitz! — Vorüber gehts an der Kirche, aus weicher feierlicher Gesang und weicher Orgelton in gedämpf tem Klange an unser Ohr herüberdringen. Und eine Weile dar nach trällert uns wieder eine Lerche ihren Morgengruß. Wärmer wirken die Sonnenstrahlen. Hoch wölbt sich der Himmel über uns Sn lichtem Blau. Kein Wölkchen zeigt sich unseren Blicken. Weiter geht es durch Rodewitz, Kirschau, Schirgiswalde nach Sohland. Zwei köstliche Morgenstunden sind dabei vergangen. Nach kurzer Rast wird die Fahrt fortgesetzt. Gar bald erreichen wir Wehrsdorf. Beim Verlassen des Dorfes kommen wir an ein Waldstück vor dem sich rechts der etwas ansteigenden Straße «ine prächtige Schonung ausbreitet. Der violeitbraune Ansatz an den Birken hebt sich merklich von dem noch winterlich duntzlen Grün der jungen Nadelbäume ab. — Vorfrühling! — Und die Sonne lacht hinein — und unser Herz lacht mit. Ach, Lausitzer Heimat, wir können durch deine Gefilde, Fluren und Wälder Preisen, wann wir wollen, ob im Frühling oder Herbst, im Som mer oder Winter, immer vermagst du uns so vieles zu schenken. Und wer dich so recht lieben will, der darfauch kein Wetter scheuen, der muß dich auch bei Sturm und Regen kennen, wenn du ver jüngt nach einem Wetter stets wieder eine frohe Miene zeigst. Links der Straße bei dieser Schonung erblicken wir an einem großen Felsenblocke ein sonderbares Zeichen. In einem weißen, schwarzumrahmten Rechtecke sind mit schwarzer Farbe ein Hobel und darüber eine Säge, ein Zirkel, Winkel und eine Zimmer mannsaxt eingezeichnet. Darunter stehl in schwarzen Buchstaben das Wort „Fünfstück". Etwa einen halben Meter darunter ist eine Ellipse mit schwarzem Rand und weißem Felde, in dem sich die Zahlen 1832—1908 befinden. — Was mögen diese Zeichen bedeuten? — Die Leute erzählen, daß an dieser Stelle einst — unno 1832—rinZimmermann überfallen und ermordet worden sei. Dem Täter soll nur das Werkzeug in die Hände gefallen sein. Fünfstück soll der Ermordete geheißen haben, worauf wahrschein lich auch die Anzahl der an den Felsen gezeichneten Werkzeuge hindeuten soll. 1908 ist dann vermutlich das Zeichen an dem Felsen erneuert worden. Die Lage, die sich an diesen Mord knüpft, läßt auch verlauten, daß jedesmal in der Nacht des Todestages an dieser Stelle feurige Hunde und das Geistgespenst des Er mordeten ihr Unwesen trieben. — Wir erreichen bald die waldbedeckte Höhe und kommen nach Steinigtwolmsdorf und darauf nach Ringenhain. Hier suchen wir das freundliche Gut von Bekannten auf, die uns in echt Laufitzer Gastfreundschaft ein kräftigendes Mittagsmahl anbieten. Gs würde uns in einem Hotelzimmer wahrlich »icht besser schmecken als in der lieben, trauten, Lausitzer Bauernstube. Aber die Zeit vergeht fast zu schnell, und wir müssen mit dankbarem Gruße Abschied nehmen, um weiter z» kommen. Uber Neukirch, Wilthen nach Kirschau. Eine kurze Rast bietet sich uns hier in einer trau lichen Plauder- und Kaffeestunde bei wiederum lieben Freunden. Es dunkelt bereits, als uns Dautzen in seinen Mauern anfnimmt. Sind wir auch körperlich etwas müde von der Ganztagsfahrt, so fühlen wir uns doch seelisch erfrischt und erneuert. Die Lausitz hat uns wieder einmal das gegeben, was sie uns schon hundert mal gab: «in frohes, frisches Gemüt und neue Lebenslust. Und «in sonniger Vorfrühlingstag, wie er bester nicht sein konnte. hat mitqeholfen. Bald wird der Frühling selber da sein mit seiner Baumblut. Dann geht es erst recht hinaus. Und der Frühling ist gekommen. Weiß war alles gedeckt über Nacht, wie er Einzug hielt. Weiß! — Ja, es war des Winters letzter Abschiedsgruß. Wenn aber der Lenz wird durch die Lande ziehen, dann huldigt ihm alles fröhlich und erwachend entgegen. Vom guten Osterhasen Skizze von Marg. Reichel-Karsten Ich habe heute in früher Morgenstunde den Oster hasen gelroffen. Es war draußen vor der Stadt. Er saß ani Feldrain und wollte vor mir das Hasenpanier ergreifen, besann sich aber seiner unantastbaren Oster- Hasenwürde und blieb ruhig sitzen. Da erlaubte ich mir, ein paar Schritte näher auf ihn zuzugehen und begrüßte ihn mit der Höflichkeit, die einem Osterhasen zukommt. Der geehrte Osterhase, dem meine Höflichkeit gefiel und der es mir gleich anzumerken schien, daß ich noch nie an seinen Fähigkeiten gezweifelt, erw-derte meinen hochachtungsvollen Gruß mit herablassendem Kopf neigen. Da faßte ich mir ein Herz und wagte seine Hoheit anzusprechen. Höchstdieselbe geruhte einBiertel- ftündchen mit mir zu plaudern. Wir sprachen vom Osterfest, vom Feiertagswettsr, von frischen Eiern im allgemeinen, und von süßen, bunten Ostereiern im besonderen. Ich bemerkte dann noch, um die Plauderstimmung zu erhöhen, daß die Kohlausfichten in diesem Jahr vortrefflich wären. Von Jägern und Hasenbraten zu reden verbot mir mein angeborenes Taktgefühl. — Indessen hatte meine Neugier den Gipfelpunkt der Beherrschung erreicht, denn der Osterhase trug auf seinem Rücken ein Körbchen, gefüllt mit schönen Ostereiern. Ein Veilchen- strauß lag darauf und ein Brief von männlicher Hand, adressiert an Fräulein Agathe W. Ich mußte nun unter allen Umständen erfahren, was es mit dieser Sendung für eine Bewandtnis habe, und während ich innerlich vor Neugier platzte, fragte ich scheinbar gleichgiltig, wohin der Herr Osterhase diese schöne Ostergabe trüge. — Nun, gleich wollte ja der Osterhase nicht aus der Schule plaudern, aber schließlich, wer vermag einer liebenswürdigen Fragerin zu widerstehen? Da kommt sogar manchmal ein starker Männerwille ins Schwanken, und ein Hasenherz erliegt rasch solchem kühnen Angriff. (Man mag mir den Angriff, da Neu gier zu den schönsten Frauentugenden gehört, verzeihen.) Der Osterhase vertraute mir, natürlich unter dem Siegel der Ver schwiegenheit — und ich werde nie mutwillig solche Siegel ver letzen — an, daß er diese Sendung im Auftrage eines Herrn Doktor P. in den Garten der Frau Amtsrat W. unter de» großen Birnbaum zu tragen habe. Dort solle sie dann von einer jungen Dame als Osterüverraschung gefunden werden. Er selbst sei sehr neugierig, was für einen weiteren Verlaus die Angelegen heit nehmen werde, denn daß in diesen Ostereiern die schönsten Zukunftshoffnungen steckten, davon sei er fest überzeugt. Auch ich mar überzeugt davon. Und wenn zwei die gleichen über- Zeugungen und Interessen haben, werden sie Freunde. Ich hatte also nicht nur meine Wißbegierde befriedigt, sondern auch noch einen neuen Freund hinzugewonnen, und der Osterhase hatte eine neue Freundin. In diesem schönen Bewußtsein schieden wir Ein Wiedersehen nach dem Feste war verabredet. Ich wollte mich einstweilen um die bewußten Ostereier besonders kümmern, denn der Osterhase hatte in diesen Tagen so außerordentlich viel zu tun, daß ihnz für außerdienstliche Sachen keine Zeit blieb. „Also, auf Wiedersehn, werter, teurer Freund!" — „Auf Wieder sehn, verehrte liebe Freundin!" Leichtfüßig sprang der Osterhase davon, gedankenschwer kehrte ich zur Stadt zurück. Natürlich nahm ich meinen Weg am Garten der Frau Amtsrat W. vorbei, und da mein Freund, ge läufiger als ich, schon hier gewesen war, erblickte ich das Oster-