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Nr. S Vbsrlaufltzer Heimatzeltung geklagt seien. Der König entfernte sich, um die Antwort zu beraten. Da geschah das Entehrendste, daß man die Städter stundenlang und zwar knieend im Saale warten ließ. Schließlich lautete der Bescheid, der König hätte gewünscht, daß sie die Bitte ausgesprochen hätten, es möge der Weg des Rechts betreten werden; da sie sich nun aber auf Gnade und Ungnade ergeben hätten, so nehme er das an und dik tiere folgende, wohl nicht allzuharte Strafen: „Alle Privilegien, alle Zunftfreiheiten, alles Geschütz und Munition, alle den Städten gehörige Güter sollten dem König gegeben werden, eine Brauabgabe werde fest gesetzt werden, die Kirchenkleinodien würden zurück gefordert, wegen deren eigenmächtiger Verwendung zu Gunsten der Stadt eine hohe Strafe verhängt und die Rädelsführer besonders bestraft werden." Wie Dolchstiche trafen diese Strafpunkte die armen Ge fangenen. Zu Unterhandlungen war keine Zeit mehr, der König zog sich zurück; die Hellebardiere traten wieder vor und führten den Bürgermeister in die Harnischkammer zurück, die andern aber in ein unflätiges Gewölbe, darinnen noch böser Unflat und Gestank zu finden war und wo man die Instrumente vor Augen hatte, mit denen früher Gerichtete gepeinigt worden waren. In Zittau stockte währenddessen Handel und Wandel. Da aber der König befahl, daß zwei von den Abgesandten jeder Stadt nach Hause entlassen werden sollten, um die auferlegten Strassummen baldmöglichst zu beschaffen, so begrüßten die Zittauer binnen kurzem wieder ihr Stadt oberhaupt Nesen und auch Dornspach in ihrer Mitte. Wie trafen diese die Stadt? Der Rat bestand jetzt aus königlichen Kommissaren; königlicheKriegsknschte patrouil lierten in den Gassen auf und nieder, die Bürger schlichen scheu hin und her, jeder Lieferant mußte an die Kommissare abliefern, Zufuhr von außen fehlte. Nesen ersah daraus, daß dem ganzen teuflischen Plan nur die Sucht nach Geld zu Grunde gelegen hatte; einmal wollte der König aus seiner Schuld herauskommen, sodann aber wünschte sich der Adel auf Kosten der reich gewordenen Städte zu bereichern. So wurde z. B. dem Amtmann Ulrich von Nosttz für ein Lumpengeld das ganze große Oderwitz überlassen, auch Großschweidnitz und Georgewitz, später auch Bertsdorf und Kleinschweidnitz, fünf große städtische Güter; und die andern Adligen verschlangen andere Liegenschaften. Wehmütig empfand man vor allem die Aufhebung der Zünfte. Wie sollte man dos Geld für den König beschaffen, wenn die Geldquellen alle verstopft waren und die Bürger selbst fast nichts zu essen hatten? Katholische Geistliche beeilten sich, Brot zu verteilen an die Armen, um sie der allein selig machenden Kirche wieder zuzuführen. Die große Mehrheit aber blieb fest beim evangelischen Glauben und nährte sich von Gras und Wurzeln oder gemahlener Baumrinde, aus der sie Brot buken. Auch evangelischerseits sann man nach Möglichkeit auf Hilfe: Heidenreich, der Pfarrer, Maskus, der Rektor, und andere verzichteten auf die Hälfte ihres Gehalts. Anna aber, die Frau Bürgermeisterin, brachte ihrem Gemahl ihren Schmuck und ihre kostbaren Kleider, ein Vorbild, dem andere Frauen nachahmten. Ja, sie stellte sich an die Spitze einer geordneten Armenpflege in der Stadt. Dies alles jedoch hätte die Not nur gelindert, aber keine dauernde Abhilfe geschafft. Nesen wußte den einzig mög lichen Ausweg: er entschloß sich, unmittelbar zum König zu gehen; um diesen über die Unschuld der Städte auf zuklären. Es war ein Gang in des Todes Rachen, den er vor hatte, aber als sein Weib ihm nicht entgegen war, SH sondern ein solches Eintreten für die Mitmenschen als ein kleines Abbild von der Arbeit des Erlösers bezeichnete, schöpfte er Mut, und mit einem: Herr, dein Wille geschehe! sprengte er eines Morgens aus dem Stadttor hinaus auf die böhmische Hauptstadt zu. Sofort nach seiner Ankunft in Prag erreichte Nesen durch den alten Markwardt, daß Prinz Maximilian bei seinem Vater eine Audienz für ihn erwirkte. Der König war anfangs kurz angebunden und schnitt dem Bittenden das Wort ab; die sechs Städte sollten machen, daß sie aus ihren Schulden heraus kämen und nicht weiter lamentieren. Als ihn aber Maximilian daran erinnerte, wie er im Hause Nesens in Zittau so freundlich ausgenommen worden sei und der Zittauer Rat auch die letzten Mönche vom Oybin in Schutz genommen habe, ja, der König damals seiner Ge mahlin versprochen hätte, das den Zittauern vergelten zu wollen, wenn sie in Not sein würden, da hörte der König Nesen willig an. Und dieser entkräftete nun alle falschen Anklagen wider die Städte. Kurz skizzierte er die Lage: Daß die Stadt ihre 500 Mann Fußvolk zusammengezogen hätten, sei auf Rat des Adels geschehen; die Kirchen kleinodien hätten sie, nachdem sie sich der neuen Lehre zu gewandt, dem Bautzener Domkapitel angeboten, dieses aber habe ihre Annahme verweigert. Den Weg des Rechts zu beschreiten, hätten sie gewünscht, es sei ihnen aber gemehrt worden, und der Amtmann von Nostiz habe den König völlig falsch über ihre Sache unterrichtet. Aus den Schulden herauszukommen, sei jetzt den Städtern fast unmöglich, ebenso aber, dem König die geforderten Summen zu beschaffen, denn man habe ja der Stadt alle Privilegien für Handel und Handwerk und alle Güter genommen; die Bürger seien am Verhungern. Wenn Majestät die braven tüchtigen Bürger der Lausitzer Städte verlöre, dann würde er seinem Sohne nichts hinterlassen als ein Land voller Leichen. Und was endlich die Religion beträfe, so sei Gott in Liebe der Vater seiner Kinder, und was würde Christus sagen, wenn er diese Mißgunst unter den Menschen sähe? Ja, aber die Liebe züchtigt auch, warf der König ein. Sie „erzieht", verbesserte Nesen. Aber Ihr habt ja den Auf ruhr gepredigt, meinte Majestät. Nesen aber konnte wieder berichten: Wir wollen nur los von Rom, aber nicht vom König, grade das Volk, das die Bibel kennt, ist am treuesten gegen seinen Fürsten, jeder Fürst, der ein solches Volk knechtet, schneidet sich ins eigene Fleisch. Darauf schloß der König: „Ihr seid nicht der Einzige, der für Euch bittet. Der Bischof von Breslau, der Landvogt von der Duba, mein Sohn Maximilian und andere taten es auch. So gebe ich Euch einige Güter und Eure Privilegien wieder und den Gefangenen die Freiheit. Wären alle Unter tanen wie Ihr, so stände es gut um mein Land." Eine rührende Szene spielte sich ab, als Nesen mit den befreiten Zittauern stumm, aber freudig bewegt, zum ersten Mal sich wieder in die Augen sahen. Wie dankten sie ihm! Prinz Maximilian aber überbrachte den Städtern selbst das Königliche Schreiben, das den Befehl der Freilassung enthielt. Er überbrachte weiter eine wohlgespickte Börse für die Reise und einen Gruß an den Prior Gottschalk, den letzten Mönch aus dem Oybin. Und als sie zum Dank vor ihm niederknieen wollten, da wehrte er: „Knieet nur vor Gott!" In Zittau aber läuteten die Glocken, als die Befreiten ins Stadttor einritten, die Stadtpfeifer bliesen einen Choral; das Wtllkommbrauseu, Rufen und Mützenschwenken hatte kein Ende. Die Volksmenge drängte in den Ratssaal.