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Die Sache der Evangelischen stand nicht gut. Schon 1543 hatte Herzog Moritz von Sachsen den Kaiser gegen Frank reich unterstützt. Warum? Er hoffte aus den Kurhut. Den trug aber noch Johann der Beständige. Diesen galt es also zu entfernen. Und wirklich: Im November 1546 schlug Karl V. die Evangelischen, die sich im schmalkaldtschen Bunv zusammengeschlossen hatten, draug in Kursachsen ein und nahm Johann den Beständigen gefangen. Daraufhin ver schärften sich (1547) die Gegensätze. Zunächst im kleinen Kreis: Fn der Lausitz ward der Adel übermütig, die Städter prahlten wieder mit ihrer Wohlhabenheit und Intelligenz. Es kam zu einem unausgesetzten Geplänkel. 2a bald mußten die Lausitzer auch daran teilnchmen, daß die Sache der Evangelischen im großen Reich ausgetragen werden sollte. Der König befahl, daß der Adel 200 Reiter (nach anderen „150 wohlgerüstete Pferde"), die Sechsstädte aber 500 Mann Fußvolk nebst Geschützen stellen und ihm zur Hilfe senden sollten. Nun fühlten sich die Städter ohnehin durch Schatzung und Braugelder, die sie für den König erheben mutzten, bedrückt, wollten außerdem nicht gegen die Glaubensgenossen zu Felde ziehen (davon hatte Melanchthon abgeraten), wußte man doch auch gar nicht, auf welche Seite sich der Sieg neigen würde. Sie wollten daher mit dem König ver- hanoeln: Ferdinand aber stand von seinen Forderungen nicht ab: An einem bestimmten Tage hatten sich sämtliche städtische Hilfstruppen in Bautzen zu versammeln, um dem König zwei Monate lang zu Dienst zu sein. Es blieb nichts anders übrig, als zu gehorchen. Als der Krieg jedoch nach dieser Frist von zwei Monaten noch nicht entschieden war, bat der König, die Truppen noch weitere zwei Monate im Felde zu halten. Diese Bitte aber wurde den Lausitzern zu spät übermittelt; sie hatten aus Rat des Adels ihre bewaffneten Männer bereits zurückgezogen und sich zerstreut. (Nach anderen Quellen.handelte der Adel nach dem Wunsch des Königs, die Städter aber hatten ihrr Truppen voreilig entlassen). Darüber nun wurde Ferdi nand entrüstet, er beruhigte sich auch nicht, als die Städte, sofort nach dem Bekanntwerden des kaiserlichen Willens Proviant und Geld sür neue Söldner schickten; und die Adligen schürten noch seinen Zorn wider die Städte, um jetzt endlich einmal ihr Mütchen an diesen zu Kühlen. Und das war der Grund, daß nicht lange darauf (im Sommer 1547) der so bedeutungsvolle und folgenschwere Befehl des Königs kam: Daß am 1. September aus jeder der sechs Städte die Bürgermeister, Richter, Räte und sechs aus dem Bürger- und Handwerker stand in Prag zu erscheinen, alle Privilegien vorzu legen, und insbesondere sich zu verantworten hätten wegen der mit Beschlag belegten katholischen Kirchenkleinodlen. Das hieß mit anderen Worten: Der König zog die Städter wegen ihrer Hinneigung zur neuen Lehre zur Rechenschaft. Ihr Ungehorsam war ihm ein willkommener Borwand. Das ist die Einleitung zu dem berühmt gewordenen Pön- fall, an den jeder Lausitzer nur mit Entsetzen denkt. Er stellt ja zwar im Lichte der großen Geschichtsperspektive auch ein Stück ausgleichender göttlicher Gerechtigkeit dar, aber der Anlaß war reichlich aus der Luft gegriffen und an Ungerechtigkeiten im einzelnen Falle fehlte es bei der Be handlung nicht. Die Ratssitzung, in der man in Zittau zu diesem Befehle Stellung nahm und sich zum Gehorsam ent schließen mußte, schloß Nesen mit den bedeutungsvollen Worten: „Da auch der Kirchenkleinodlen gedacht wird, d. h. der Meßgewänder, der Heiligenbilder usw., die wir wohlverwahrt in Kisten eingepackt haben, weil sie wedex die Oybiner Mönche noch das Bautzener Domkapitel ver wenden wollten, steht zu erwarten, daß man auch unseren Glauben antasten wird, und vielleicht einen milden Richterspruch verheißt, wenn wir zur katholischen Kirche zurückkehren; mag jener von uns glauben, was er will, ich bezeuge ohne Furcht: Ich und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen, und zwar nur nach der Lehre des reinen Evangeliums; fest werde ich dabei verharren, sollte cs mir auch das Leben kosten." Da entstand eine große Bewegung, man erhob sich, und Alle versicherten mit erhobenem Arm: „Fest wollen wir am Glauben halten bis aufs Blut!" Da schwand jeder Unterschied von Rang und Stand; man reichte sich als Glaubensbrüder die Rechte. Nesen aber sprach: „So laßt uns denn in einem Geist sür den Glauben Kämpfen und vor den Widersachern nicht erschrecken, das walte Gott." Und als er in seine Häuslichkeit zurückgekehrt war und seiner Gattin die traurige Mitteilung machte, daß sie nach Prag zitiert seien, da erhob sich die starke Frau: „O könnte ich mitgehen und den etwa Verzagten das Kreuz zeigen und fragen: Das tat ich für dich, was tust du für mich?" Am Abschiedstag sprach sic zum Gatten: „Du reisest nach Gottes Schickung, nimmst mit dir den Schild des Glaubens und den Helm des Heils, und ich will für dich beten." Ende August 1547 trafen die Vertreter der sechs Städte in Prag ein. Man einigte sich im Gasthaus auf ein gemein sames Vorgehen. Nesen setzte dem Bautzener Bürgermeister Franz Goeritz, der den Sprecher machen mußte, aber ein Hasenfuß war, die Hauptpunkte auf, die er dem König unterbreiten sollte, vor allem, daß sie auf ihrem Rechte be stehen wollten, also auf eine genaue richterliche Untersuchung ihrer Sache hofften. Anstatt sie sofort zu empfangen, sperrte inan die Borgeladenen erst in die Harnischkammer des Rat hauses, in der Ratten und Mäuse zwischen den alten Rüstungen ihr Spiel trieben; dann führte man sie unter Vortritt von Hellebardieren in den Thronsaal. Die Prinzen Maximilian und Ferdinand waren den Städtern gewogen; der Kaplan Ambrosius aber und der Bautzener Amtmann Nostiz waren ihnen auf alle Weise entgegen. Der Kaplan spiegelte ihnen vor, es gäbe keinen anderen Ausweg als sich auf Gnade und Ungnade zu ergeben, und Nostiz belog sie, weil er wußte, daß sie daraus nicht eingehen würden: sie würden straflos ausgehen, wenn sie von der Ketzerei lassen wollten. Ja, er meinte, der Urteilsspruch des Richter kollegiums gegen sie sei bereits vollzogen. Darauf aber konnteNesen erwidern: „Das glauben wir nun und nimmer- mehr, denn ich bin früher selbst Mitglied dieses Prager Kollegiums gewesen; seit jener Zeit wird das Recht nach oer Bambergensis gesprochen, die eine genaue Prüfung aller Umstände vorsieht." Die Borgeladcnen waren aber doch der Mehrzahl nach eingeschüaftert und eine Abstimmung ergab daher, daß sie die Bitte dem König vortragen wollten: er möge ihnen verzeihen, sie wollten sich auf Gnade oder Un gnade ergeben. Die Görlitzer, der größte Teil der Löbauer und mit Ausnahme eines Einzigen sämtliche Zittauer hatten gegen diese feige Auslieferung gestimmt, sie bestanden vielmehr auf eine gerichtliche Untersuchung der gegen sie er hobenen Anklagen. Da aber ging auch schon die Seitentür des Saales aus und der König mit den beiden Prinzen, zwei Bischöfen (von Olmütz und Breslau) und drei Räten erschienen. Der Bautzener Bürgermeister Dr. Goeritz brachte in ängstlichem Tone und knieender Stellung die Bitte um Vergebung vor. Der Landoogk Berka von der Duba trat für die Städter warm ein, der König aber erwiderte ihm nur, «r kenne doch wohl nicht alle Umstände, derentwegen sie an-