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Am besten war's, er ging dort hinein. Lin anderes Rückte in mutzte er vekommen, sonst kam er nicht au» seinem nehmen Zuilande heraus. Er schlitt dem Wirtshaus zu. Drinnen pottrrte es über Tisch und Stühle, drängte sich io wüstem Knäuel zur Hintertür hin"us, rannte in tollem Lause durch Gärten uno Hose, setzte über Gräben und Hecken, stieß die Köpfe hart zusammen. Nur sort, sort, fort! Huserül vlteb vor der Tür stehen. Was ansangen? Wo war er? Wie kam er hierher? Nichts gab ihm Antwort. Alles rannte nur wie besessen davon. Er stand völlig railos auf dem Schenkplatze. Die Dors« strotze herunter schrill graotiättsch ein starkknochiger Attischer. Hund. Der schnüffelte den Leaset an und knurrte mißtrauisch. Huserdl Kehrer ihm achtlos den Rücken zu. Da baumette das Schwänzende des Leusels an die Hunde- nase und reizte den Hund gewaltig zum Zorn. Er kläffte wütend und suchte die Schwanzspltze zu erpacke». Der Teuset hob sein Anhängsel, nahm es unter den Arm und wollte gehen. Aber er haue die Rechnung ohne den Hund gemacht. Der sprang wüleuo »m Kreise um ihn herum uno kläffte mit heiserer Stimme. Davet schnappte er beständig nach dem Schwänzende. Huserdl mutzte sich eoenso im Kreise drehen und auspasien, daß der Kitter nicht» von seinem hängenden Teuselszepier er wischte, bas er ängstlich mit beiden Hände» an die Brust oiückl». Einmal versuchte er, aus dem Bannkreise des Kläffer» zu ent weichen, aber der sprang ihm wütend auf den Rucken, sodaß Huserbt vor Augst stehen blreb und sich wieder um seine Achse drehte. Es dauerte ziemlich lange. Aus den nächsten Häusern guckten angstverzerrte Gesichter zu. Nach und nach wich die Angst, als str vle Ratlosigkeit Des Hüllenherrn sahen. Was der Hund konnte, da» mutzten ste doch elgenttlch auch können. So kam es, datz von allen Setten Gestalten heranrückten, die sich zwar noch scheu an den Zäunen hindrückren, aber doch langsam nayerkamro. In den Händen zitterten Dreschflegel, Mistgaoetn und anoere unliebsame Gegenstände. Al» Satan dir Heeresmacht heranschleichen sah, entfiel ihm vor Schreck der Schweis. 3m Nu hau« ihn der Hund ersatzl und zog unter Knurren den armen Leusel rückwärts die Kreuz und Quer. Da» war das Zeichen zum feindlichen Angriff. Eben senkten sich die ersten Gabelzinken gegen den Schwarzen, pardauz, da lag er am Boden. Der Hund rannte mit dem erbeuteten Schwanz von dannen. Huseidl war im nächsten Augenblick wieder aus den Beinen. Aber sein ganzer Rücken war ausgeriffen. Um sich vor dem drvheuoen Gewitter zu schützen, kroch er schnell mit beiden Armen vollends aus der Haut. Da war er endlich wieder der Huserdl. Und die Bauern hörten mit Staunen seine verworrene Ge schichte. 3u de» Gastwirts Hanlö Lanskys Anzug wanderte er am späten Nachmittag wieoer den Türmen von Bautzen zu. Die alte Sauern Eine lausitzer Silhouette von Otto Flössel, Bautzen Die alte Sauern war eine süße Frau, so widersprechend das auch klingen mag. Nicht im Schwarm der süßlichen Don Iuan-Per- spektive, was eigentlich das Beiwort „alte" schon erkennen läßt. (Wenn freilich man dem anderseits entgegenhalten kann: „Alter schützt vor Torheit nicht!") Nein, nein: ganz in realem Sinne, ganz in der Realistik ihres — Namens. Die Steinigtwolmsdorfer und die aus Neukirch werden ste noch kennen. Ich weiß nicht, ob sie noch lebt. Wenn ja, dann wird sie mir gewiß verzeihen, daß ich hier vor aller Öffentlichkeit einige Interna von ihr aus plaudere, ich will gewiß fein säuberlich mit ihr umgehen. Und wenn sie inzwischen zur Ruhe ging, dann sollen die andern, die sie ge kannt und geliebt haben, das Gedächtnis der guten Alten wieder lebendig werden lassen. Denn gut war sie, und darum waren ihr auch die andern gut. Freilich nicht nur ihres biederen, geraden Wesens wegen, sondern auch um ihres süßen Gewerbes willen. Liebe ist nun einmal egoistisch. Sie stammte aus „dr Wese" (Weifa). Oft hat sie mir ihr Leid geklagt, daß es dort oben so schrecklich windig wäre, eine Tatsache, für die am deutlichsten ihre kernig-roten Backen sprachen, die wie zwei Borsdorfer Apfel in dem wetterfesten Antlitz saßen. Darum kehrte sie auch niemals bei uns ein, ohne daß wir sie gefragt hätten, ob es „a dr Wefe" noch immer windig sei. Sie kam jeden Freitag, den der Herrgott werden ließ. Ich war damals täglich Gast in einem lieben, trauten Wehrsdorser Hause. Warum? Ja, bitte, keine indiskreten Fragen! Was liegt auch dran! Das Häus chen mit dem Weinlaub vor den kleinen Fenstern neben der alten Linde steht ja doch nicht mehr. Es war vor hundert Jahren eine Bleiche gewesen. Das erzählten nicht nur die mächtigen Holz bottiche hinter dem Schuppen, dafür sprach auch die Küche im Hause, die eine Größe hatte, wie man sie in lausitzer Bauern häusern sonst nicht gleich wieder findet. Ihr Fußboden war ganz mit Eteinfliesen belegt und sie mochte vordem wohl als Gesinde stube gedient haben, in der die Bleicherknechte ihre Mahlzeiten einnahmen. Dom Fenster aus konnte man unter der Linde hin weg ein gut Stück Dorfstraße entlang sehen. Wir hielten regel mäßig am Freitag Ausschau am Fenster. Denn kurz nach dem Vesper, fast mit regulatorähnlicher Pünktlichkeit, pflegte die alte Sauern sich einzustellen. Wenn es mitunter auch alle Hände voll zu tun gab im Hause: eins hielt immer Wacht am Fenster. Und bald erscholl der Ruf: „Die Sauern kommt! Die Sauern kommt! Die Sauern ist schon da!", in den der ganze Chorus in freudiger Erwartung sogleich einfiel. Dann postierte sich alles, was im Hause war, am Fenster. Da kam sie die Dorsstraße herunter gewackelt: das bunte Kopftuch überm glatten Scheitel, denTrag- kprb auf dem Buckel, leicht nach vorn geneigt. Wenige Minuten später stand der Korb mitten in der geräumigen Küche. Keins der im Hause befindlichen Lebewesen ließ den gewichtigen Augenblick vorübergehen, alle standen um den ttorb herum, fünf große Leute — die alte Sauern noch nicht mit eingeschlossen — ein Schulbub", ein unechter Dackel, der seine Vorderpfoten auf den oberen Rand des Korbes stemmte und mit Wonne die leckern Düste schnüffelte, die dem Inhalt entstiegen, sogar die Katze rieb schmeichelnd und schnurrend an dem harten Geflecht ihr weiches Fellchen hin und her. Die alte Sauern hatte gar mancherlei des Angenehmen in ihrem Korbe vergraben. Zu oberst, unter dem roten r^einentuch, lagen Milchsemmeln und Butlerhörnchen. Von ihnen wurde kaum Notiz genommen. Dann folgten Zuckerstangen, Marzipanrollen, Schokoladenplätzchen, bayrische Malze und was dergleichen leckere Sachen mehr noch waren —Sachen, die ihr übrigens den Namen „süße Sauern" eintrugen. Das war schon eher etwas, zumal ver liebte Leute um das Rund des Korbes standen, die Süßigkeiten auch in festen Formen zu genießen wußten. (Der Schulbub", der wohl am meisten Anrecht auf solch Kost zu haben hoffte, wurde dabei — leider meistens übersehen.) Zu unterst dann, da kamen hausbacknere Sachen: Grützewürste zu 8 und Leberwürste zu 10 Pfennige das Stück. Das war das Brevier der Hausmutter. Sie langte sich ein Dutzend dieser dicken Bäuche aus dem Korb heraus, denn man durfte sie damals im allgemeinen und bei der alten Sauers im besonder» noch aussuchen. Es wurden nur Leber würste gewählt. Wer hätte damals auch Grützewürste gegessen! O wenn ich an diese Leberwürste zurückdenke! Wie sie, in Butler brutzel-braun gebraten, mit dampfenden Schüsseln mehliger Kar toffeln abends auf den Tisch kamen! Wie dick das Fett am Messer hin rann, wenn man den selten Schweinsdarm schnitt! Und wie die Stücken Speck dem Innern nur so entquollen! Das waren Zeiten! Auch der nicht echte Dackel hat sie erfahren, denn für ihn fiel, bald hier, bald da die Schale untern Tisch. Wer hätte damals auch Wurstschalen mitgegessen, und wenn sie gleich in guter Butter gebraten waren! Die alte Sauern kommt nicht mehr, so wahr die alten Zeiten nicht mehr kommen. Was wollte sie auch bringen! Milchbrötchen und Butterhörnchen? Oder Zuckerstangen und Marzipanrollen? Oder gar Grützewürste zu 8 und Leberwürste zu lO Pfennige das Stück? —