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48 Vberlaufltzer Hslmatzeltung Nr. 8 und der dadurch entstehende erhöhte Wohlstand der Über lebenden durch Erbschaften und 5., wovon wir noch reden werden: das Aufhören der Kommende, d. h. der staatlichen Mitwirkung'.bei Besetzung geistlicher Stellen. Wir kehren zu K. Nesen zurück und fragen nun nach seiner Arbeit zu gunsten der Einführung der Re formation. Das Jahr 1535 brachte bedeutsame Ereignisse im großen Reich: Herzog Georg von Sachsen, der ärgste Feind Luthers, starb und man hegte große Erwartungen von seinem Bruder Heinrich, der ein frommer Lutheraner war und dessen Sohn Moritz von Sachsen sich gleichfalls offen für den Protestan tismus erklärte. Daneben nahm Herzog Joachim II. von Brandenburg in Cöln (Berlin) das protestantische Abend mahl, trat also zum Protestantismus über, und endlich ge währten noch einige katholische Fürsten Glaubensfreiheit Die durch den Papst erfolgte Bestätigung des Jesuiten ordens hatte für die Lausitz nicht viel auf sich. Dagegen wurden die erwähnten Ereignisse für Zittau von großer Bedeutung. Sie bewogen nämlich den Rat, immer ent schiedener Nesens Arbeit zugunsten der Einführung der Reformation zu unterstützen. Nesens guter Blick ließ ihn erkennen, daß sein Hauptaugenmerk zunächst auf Ver besserung des Schulwesens gerichtet sein müsse. Hier war die Leitung schwach, die Disziplin ungenügend, die Leistungen nicht einmal denen mancher Dorfschulen entsprechend. Die Städter trugen die Schuld daran nicht, sie wollten besseres erreichen, aber die päpstlichen Einflüsse hielten sie zurück. Schon im Jahre 1535 nahm der Rat auf Nesens Antrag einen von Melanchthon empfohlenen Schulmann M.Maskus, den Rektor in Löioenberg, als neuen Rektor und Reorgani sator ihres Schulwerks an, dem bald ein zweiter Schulmann, ebenfalls durch Melanchthons Vermittelung folgte: Nicolaus von Dornspach (gebürtig aus Mährisch-Trübau, geboren 1516), ein Schüler Luthers und Melanchthons. Er wurde 1536 Konrektor in Zittau und ist einer der gelehrtesten, geachtetsten und um die Stadt verdientesten Männer. Er erwirkte, da „nach der Reformation die Lehrbegierde ge wachsen war, die Anstellung gelehrterer und mehrerer Lehrer," vor allem aber die landesherrliche Genehmigung zur Er hebung der Stadtschule zu einem Gymnasium, das dann im Jahre 1586 eröffnet wurde. Dornspach wurde auch 1542 Ratsherr, schon im 33. Lebensjahr regierender Bürgermeister und zehnmal auch geistlicher Rat und Rentmeister, bis er 1580 aus der Zeit ging. Dornspach war ein eifriger Lutheraner. Noch war als Komtur der erwähnte Naresca im Amt, der der neuen Lehre durchaus nicht günstig war und nur deshalb mit strengeren Maßregeln zurückhielt, weil er wußte, daß Nesen beim König in Prag gut angeschrieben war. Nesen hatte schon wiederbolt Narescas Bestrebungen hindern und seine Wege durchkreuzen können und z. B. erreicht, daß die Messen und anderen katholischen Bräuche abnahmen. Und als Naresca, dadurch allmählich aufs'äußerste erregt, beim König den Befehl durchgesetzt hatte, daß die Priester das Abendmahl nur unter einerlei Gestalt reichen dürsten, führte Nesen einen kräftigen Gegenschlag: er richtete pro testantische Abendmahlsseiern^in Familien ein und be wirkte, daß die Messen auch am Sonntag in.Wegfall kamen. Das mar ein zweites Verdienst Nesens. Und nun ein drittes: Er verschaffte derStadt Kollaturrechte. Das kam so: 1538 starb der Kommendator Johann Naresca. Er sollte der letzte Fohanniterkomtursein. Denn nun wurde die Kommende den geistlichen Herren katholischer Konfession genommen und weltlichen Herren übertragen, zunächst dem Herrn Zdislaw Berka von der Duba (oder Dauba). Später Christoph von Wartenberq. Schon Berka von der Duba war einWann, mit dem sich reden ließ. Die übrigen Adligen sahen neidisch und mißgünstig auf den wachsen den Wohlstand der Städte, besonders des reichen Zittau. Berka von der Duba nicht also, zumal er gern Umgang pflog mit den gebildeten Städtern, besonders mit Nesen. Und da er in religiösen Dingen gleichgültig war — und schon aus diesem Grunde nichts dagegen hatte, daß das Kloster Oybin ausstarb, denn er wünschte selbst diese Burg, die einst seinen Vätern zu eigen war, zu beziehen —, legte er auch den Zittauern bei ihren Reformationsbestrebungen nichts In den Weg. Herr Christoph von Wartenberg, der zweite weltliche Komtur, war meist in Geschäften auswärts und hielt sich von der Stadt Zittau fern, schon weil er des Deutschen nicht mächtig war. Er brauchte Geld und verpfändete aus diesem Grunde 1540 auf 8 Jahre für 200 Schock Groschen die Kommende, Vorwerk, Felder, Wiesen, Teiche und Kollatur, Patronat über Kirche und Schule an den Rat, und behielt nur Zinsen, Zehnten und Zoll für sich. Auf den ersten Blick schien dieser Handel nicht günstig, aber als Nesen darauf aufmerksam machte, daß damit der Stadt die Kollaturrechte zufielen, d. h. die Berufung und freie Wahl von Predigern und Lehrern, da griff man un gesäumt zu, denn das war für die Einführung der Refor mation von größter Bedeutung. Den Pfarrer Heidenreich zwar jetzt unmittelbar darauf zurückzuberufen, dazu schien die Zeit noch nicht günstig. Aber Nesen konnte nun in den neuerworbenen Dörfern protestantische Geistliche und Lehrer einsetzen; und infolge davon erstreckte sich der reformato rische Einfluß Zittaus schon auf ein weites Gebiet. — Überdies verstand Nesen die neuen Güter auch rationell zu bewirtschaften und ertragsfähig zu machen und doch dabei das Los der Frohnbauern zu mildern. Dadurch schuf er sich Freunde in weiten Schichten des Volkes; dadurch wurde er auch im Rate immer beliebter, was durch seine Wahl zum Bürgermeister schon im Jahre 1541 (mit Über gehung anderer Beamten) zum offenen Ausdruck kam. Nun hatte er erst recht freie Hand für das Wohl der ihm anoertrauten Stadt, nach außen und innen zu sorgen. Diese Erlangung der Kollaturrechte waren aber das wichtigste Moment für die Einführung der Reformation. Diese wurde dadurch wesentlich erleichtert; denn nun hatte der Rat freie Hand. Er berief zunächst einen gewissen Caspar Heublin zum Pfarrer. Als dieser sich aber durch Wiedereinführung der Prioatmcssen bald mißliebig gemacht hatte, wurde er zum zweiten Pfarrer degradiert, und nun der eigentliche Reformator der Stadt, Pfarrer Heidenreich, der ausgewiesene, treue und glaubensstarke, zurück berufen und als Pastor Primarius und Oberpsarrer allen anderen vorgesetzt. Groß war die Freude in der Stadt, als Heidenreich Mittwoch vor Cantate 1545 wieder Einzug hielt und Freitag vor Pfingsten sein Amt antrat und die Kanzel der Haupt-(Zohannis-)Kirche bestieg. Das war das vierte Verdienst des Bürgermeisters um die Reformation der Stadt. Nesen wurde mit Ehren überhäuft; vor allem jubelten ihm die treuesten Protestanten, die Handwerker, zu. — Vor der Gefahr des Hochmuts hielt ihn nur die Erinnerung an die demütigen Wittenberger Freunde ab, deren Geschenk