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sie kein Schuhzeug, sondern Pantoffeln oder Lappen. Sie ver richtete Bolengänge für das Dorf. In der Woche fuhr sie ein paarmal nach Niesky, um Waren einzukaufen. Auf dem Rücken trug sie einen Papierkorb ohne Boden, den hatte sie von dem Mühlenbesitzer M. erhalten. Am Boden hatte sie von einer Seite des Korbes zur anderen Stricke gespannt und dazwischen Späne eingekeilt. Eie konnte von der Frau M. einen neuen Tragkorb bekommen— aber nein-— sie behielt ihren alten Papierkorb. Im Sommer war sie einmal krank. Da band sie sich ihr dickes Federbett um den Leib, um sich ja nicht zu erkälten. Im Winter teilte sie ihre Stube mit Hühnern und Ziegen. PaulIenke. 7. riege-srieM Die bekannteste Persönlichkeit in unserem Dorfe ist ein etwa 45 Jahre alter Mann. Er wird „Liege-Friedl" genannt und wohnt entweder im Niederdorf oder einem Nachbardorf. Seit dem ich das Seminar besuche, habe ich den armen Kerl leider nicht mehr gesehen, aber leben wird er schon noch. Wenn wir früher auf der Straße herumtobten, kam es vor. daß plötzlich einer von uns voller Freude rief: „Liege-Friedl kommt!" Ja, richtig, dort rannte er schon mit ausgebreiteten Armen, in der Hand den Spazierstock haltend, hinter einigen Kindern her. Das war eine Freude für uns. Nun ging das Necken los. Sahen wir etwa einen Lehrer naben, so war die Meute plötzlich verschwunden und der liebe Friedl stand ganz verlassen da. War der Lehrer weit genug weg, so strömten wir aus allen Ecken hervor und Friedl war plötzlich wieder von einer johlenden Kinderschar umgeben. Jetzt fragte einer: „Hirschte, Friedl, wu giehst'n hie?" „Uff de Morukkostraße, zr Kahlcrt-Luisn, Kuchn assn." Eine Kahlert- Luise und eine Morukkostraße gibt es aber bei uns gar nicht. — Kautabak lieble er ganz besonders: wenn man ihn sah, kaute er solches Zeug. Sobald er nach etwas gefragt wurde, wartete er einen günstigen Augenblick ab, griff in seinen Mund, zog das Zeug heraus und versuchte jemanden zu Haschen; denn er hatte die Absicht, den Priem einem von uns in den Mund zu stecken. Doch das gelang ihm nicht, da wir auf diesen Augenblick schon gefaßt waren, und aus einem vorlauten Munde ertönte es schließ lich: „Du elendes, hämsches Ludr-Friedl." r. ver MgenMrrer Ein merkwürdiger Mensch ist ein Junge, der K -Martin. Eine vorzügliche Speise für ihn scheinen die Fliegen zu sein. Erst in den großen Ferien gab ich ihm eine Fliege. Er bedankte sich bei mir, und nun fing er an zu speisen. Er sperrte aber den Mund dabei nicht auf, daß die Fliege ihm nicht etwa fortflog. Beten muß er auch oft. Er fallet die Hände und spricht: „Wir haben kein Fleisch, wir haben kein Brot, wir haben keine Unterstützung, wir haben keine Iungn, und ich bin dumm." An demselben Tage, als ich ihm die Fliege gab, brachte ihm ein Junge einen Zigarettenstummel und sagte: „He, Martin, fraß ock dan Ziga- rettenstumpel!" Jetzt fing er an zu heulen und äußerte: „Nee, dan mag'ch ne: wenn ich sterbe, bist Du dra schuld." Fritz Wittig. Wendische Sagen aus der preußischen Oberlausitz Mitgetrilt von Paul Jenke (Mücka O.-L. und Bautzen). i. Vie Zchatrgfäver Aus der Heide bei Stein-Ölsa ragen zwei mit Laub- und Nadel bäumen bedeckte kleine Berge hervor. Es sind die Großradischer Berge. An ihrem Fuße liegen die Dörfer Collm, Stein-Ülsa, Nieder-Ölsa und Förstgen. Der eine von den beiden Bergen heißt die Dubrau. Aus ihm, so erzählt man, gab es vor vielen Jahren einen Schatz, der aus Silber und Gold bestand. Dieser wurde von Geistern Tag und Nacht bewacht. Niemand konnte ihn heben, denn keiner hatte den Mut dazu. Bei solchem Werke soll man nämlich Unheimliches erleben. Endlich fanden sich in unserem Nachbardorse Förstgen drei Männer. Sie besprachen sich, wann und mit welchem Handwerkszeug sie den Schatz heben wollten. In der folgenden Nacht machten sie sich auf den Weg. Es war still. Der Himmel war mit schwarzen Wolken bedeckt. Nur hier und da guckte ein Heller Stern auf die schlasende Welt. Die drei Männer gingen mitHacken und Spaten nach derDubräu. Niemand begegnete ihnen. Die Welt lag wie ausgestorben da. Nicht einmal ein Hund bellte in dem Dorfe Endlich langten die drei an der Stelle an, wo der Schatz liegen, sollte. Lange sagte keiner etwas. Dann fingen sie an zu hacken und zu graben. Noch immer herrschte eine feierliche Stille. Der Schweiß lief ihnen in Strömen von der Slirn. — Da horch! Mit Brausen kam etwas aus dem nahen Walde daher. Es war ein Reiter ohne Kopf auf einem feurigen Rappen. Er ritt auf die eifrigen Schatzgräber zu. Sie erschraken so sehr, daß sie alles im Stiche ließen und bebend nach Hause liefen. Eine Zeitlang dachten sie nicht mehr an den Schatz. Die Begierde nach Gold und Silber wurde jedoch mächtiger als die Angst vor den Geistern. Nach vielen Wochen versuchten sie noch einmal, sich der ungeheuren Menge Geldes zu bemächtigen. Es war ihnen von irgendjemand gesagt worden, daß sie sich beim Graben nicht umschauen dürften. Sie machten sich noch einmal des Nachts auf. An der bewußten Stelle zogen sie einen Kreis, den keiner von ihnen überschreiten durfte. Sie gruben und gruben. Kein Schatz wollte sich ihren Augen darbieten. Aber Zähigkeit hilft: endlich stießen sie auf einen Gegenstand, her einen klingenden Ton von sich gab. Es war das Kästchen, in dem der Schatz steckte. Überrascht sahen sie einander an. Sollte ihre Mühe wirklich so hoch belohnt werden? Kaum glaubten sie es. Aber siehe, auf dem Kästchen lag auf ein mal eine riesige Schlange. Sie hatte einen großen Schlüssel in ihrem Maule; mit dem sollten die Männer das Kästchen öffnen. Bor Schreck aber waren sie wie gelähmt. Sie konnten es nicht öffnen. In ihrer Verzweiflung blickten sie sich nach ihrem Dorfe um. O weh! es war von züngelnden Flammen umhüllt. Das war natürlich nur Blendwerk Jetzt rannten die Männer wie rasend, um das Feuer zu löschen. Schweißtriefend kamen sie zu Hause an. Der eine von den Dreien legte sich todkrank ins Bett und starb nach einigen Tagen. Ein anderer aber zog nach Ame- rika, um Ruhe vor den Geistern zu suchen Der Schatz konnte nicht gehoben werden. Er war von dem Tage an verschwunden. r. Vas ungliickrelige «erchStt Auf dem Dominium meines Dorfes gab es in alten Zeiten einen Pächter. Er ritt eines Abends spät nach Hause. Im Walde begegnete ihm ein graues Männlein. Es war steinalt, trug einen Stab in der Hand und hatte einen großen Bart. Es redete den Pächter an: „Ich will Dir viel Geld schenken, wenn Du mir etwas gibst." Der Pächter fragte: „Was soll ich Dir geben?" Es antwortete: „Du sollst mir das geben, was Dir von Deinem Heim zuerst entgegenkommen wird." Der Pächter wil- l gte nach kurzem Überlegen ein. Denn bis jetzt war ihm immer sein Hund zuerst entgegengesprungen. Da verpfändete er dem grauen Männlein sein Wort. Als er aber in seinen Hof ritt, da kam ihm sein herzlieb Weib entgegen und begrüßte ihn. Erbebte am ganzen Körper. Denn nun mußte er dem grauen Männlein sein Allerliebstes geben. Am nächsten Tage starb sie. Sein Reichtum aber nahm von dem Tage an zu. z. Var diipsenae «eia in den cöpfen Meine Großmutter kam eines Abends in unserem Dorse an einem Graben vorbei. Was sah sie da? Ein paar Schritte von ihr entfernt standen drei tönerne Töpfe. Uber ihnen hüpfte Silber geld auf und ab. Meine Großmutter holte schnell ihren Nachbar herbei. Er nahm seinen Hund mit. Nun zeigte sie ihm die Töpfe. Aber er sah weder die Töpfe, noch das hüpfende Geld. Beide verließen bald den Platz, denn es wurde ihnen unheimlich zu Mute. AchtHeimatkartsn (Tujchzeichnungen) von Dichard Mättig, darstellend alte Kirchen dec engeren Heimat, sowie Schloß Nsuhörnitz mit kurzen geschichtlichen Erklärungen, für Mk. 4ö.d0.