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Nv. 2ö Gberlausthsr Heimatze!tung 283 Lausitzer Originale i. Var merllivSsaige kdepaar In meinem Heimatdorfe wohnt ein merkwürdiges Ehepaar Es bildet sich ein, daß es verhungern müsse. Deshalb sammelt es sehr viel Vorrat an Getreide, Früchten usw. Die ganze Scheune und der Boden lagen voll von Getreide und anderen Nahrungs mitteln. Im Stalle hatten die beiden ein Schwein, das war vier Jahre alt; denn die Frau meinte: „A Schwein mißmeremo hon, do behal merch glei's ale." Der Mann hatte noch eine besondere Angewohnheit, er sagte alles doppelt. Als er einmal mit seiner Frau auf einem Schubkarren Mist fuhr und die Frau nicht viel zog, sagte er zu einem des Weges daherkommenden Nachbar: „Se zeugt, doß dr Strieg bommelt, dr Strieg bommelt." Die Zustände wurden endlich so, daß sich der Gemeindevorstand ge- nötigt sah, hier einzugreifen; denn im Hause und anderen Räu men lag soviel Getreide, daß es verfaulte. r. Vie Lwiedelmarle In einem andern Dorfe wohnte eine Frau, die wollte sehr vor nehm sein. Ja sie bildete sich sogar ein, adliger Abkunft zu sein. Als sie einst beim Gemeindevorstand ein Schriftstück unterschreiben mutzte, unterschrieb sie folgendermaßen: „Was hier drauf stitt, is wahr. Maria oonM " Der Gemeindevorstand war außer sich, als er dies sah. Er mußte alles noch einmal abschreiben und dann mußte er alle seine Überredungskunst aufbieten, daß sie wenigstens mit ihrem richtigen Namen unterschrieb. Da sie sich sehr vornehm dünkte, wollte sie auch recht gut hochdeutsch sprechen. Als einmal an ihrem Hause etwas ausgebessert werden mußte, sagte sie zu dem dort arbeitenden Zimmermann: „Karl, mach mersch nur recht scheine, so scheine, wie's nur breiten kannst." — Nebenbei trieb sie etwas Handel: sie ging hausieren. Als sie einst ein Herr fragte, was ein Pfund Zwiebeln koste, erwiderte sie: „Junger Herr, wenn Ee welche koofen, könn' Se's erfahren!" Die Leute nannten sie gewöhnlich „Zwibbelmorie", da sie meist mit Zwiebeln handelte. r. „'s gilt wie vur ««IS" Am Ende der Ferien habe ich noch einen eigenartigen Mann kennen gelernt. Da wir Holz im Wolde hatten, ging mein Vater zu einem Fuhrmann, namens Tr. M.... mit der Bitte, unser Holz zu holen. Dieser erklärte sich bereit dazu und wir fuhren am nächsten Tage ab. Als wir in den Wald kamen und schlechter Weg anfing, sagte der Fuhrmann: „'s Hot olles gude Waige, 's gilt wie vur Guld, 's gilt wie vur Guld!" (Es hat alles gute Wege, es geht wie auf Gold.) Dabei spuckte er fortgesetzt aus. Das wiederholte sich, so oft die Pferde wieder auf bessere Wege kamen. Als wir mit dem Holze zuhause angekommen waren, fragte ich meinen Vater, was das zu bedeuten hätte. Er sagte mir, das wäre nur eine eigentümliche Angewohnheit unseres Fuhrmannes, und erzählte inir folgende Geschichte von diesem Manne: „Kurz vor Weihnachten fuhr ich einmal mit ihm in den Wald. Er wollte Christbäume holen und sie nach L.... auf den Markt schaffen. Da es ein ziemlich weiter Weg war, bat er mich, mitzufahrcn. Ich sagte zu, und am nächsten Tage fuhren wir mit dem Schlitten fort. Er konnte leider nur langsam fahren, denn ein Pferd hatte sich den Fuß vertreten, sodaß es etwas lahmte. Als wir im Walde angelangt waren, luden wir die Bäume schnell auf, denn es war empfindlich kalt. Wir waren deshalb froh, als alles zum Aufbruch fertig war. Die Pferde zogen an, und fort ging's. Wir gingen schweigend neben einander her. So fuhren wir ein ganzes Stück, ohne ein Wort zu wechseln. Als wir fast auf der Landstraße waren, hielt der Fuhrmann an, deutete vor wärts und sagte: „Iz kimmt de Dreckecks!" Eine sogenannte Dreckecke ist eine Stelle, wo im Winter wenig Schnee liegt und es im Sommer fast immer naß ist. Der Fuhrmann streichelte seine Pferde und fuhr langsam und vorsichtig weiter. Fast waren wir über die gefährliche Stelle gekommen. Der Schlitten schwankte beträchtlich. Ich machte den Fuhrmann daraus aufmerksam; er schaut« hin und erwiderte: „Schwunghaft muß's gihn!" Kaum war das Wort seinem Munde entschlüpft, so ging es wirklich „schwunghaft", denn der Schlitten kippte und die ganze Besitze rung lag im Straßengraben. Ich erwartete nun eine Flut von Schimpfworten —, statt dessen sagte er ganz ruhig: „s gitt wie vur Guld, 's gitt wie vur Guld!" Er spannte seine Pferde ab, zog mit ihrer Hilfe den Schlitten aus dem Graben, lud die her untergefallenen Bäumchen wieder auf, wobei ich ihm natürlich mit half, und fuhr weiter. So hat dieser Mann eine Ruhe, ans der ihn kaum jemand bringen kann. Es kann regnen, stürmen, schneien oder sonst etwas vorkommen: es hat eben alles gute Wege. Nicht bloß, wenn er mit seinen Pferden fährt, sondern auch, wenn er einen Berg besteigt oder sonst etwas macht, hat alles gute Wege und geht wie auf Geld, und das Eigenartige ist, daß er dabei ungefähr 5—10 mal ganz schnell hintereinander ausspuckt." Walter Dornig. « Vir alte Müttern Sie ist in meinem Nachbardorf zuhause. Ihr Name ist nicht Müller; sie wird aber von allen Leuten „die alte Müllern" ge- nannt. Obwohl sie sehr alt ist, ist sie doch noch rüstig. Da ihr Dorf sehr klein ist und keinen Kaufmann hat, verrichtet sie Boten dienste für die Bewohner. Vor vielen Jahren hatte sie die fixe Idee, sie sei die Gattin des Prinzen Oskar von Preußen. Sie fuhr auch nach Berlin ins Königliche Schloß und begehrte, zu ihrem Gatten gelassen zu werden. Natürlich wurde sie nun fest, genommen und die Gemeinde Klein-R mußte sie auf eigene Kosten zurückholen. Seitdem sieht sie in jedem Uniformierten den Kaiser. Als ich noch in die Schule ging, machten meine Schul- Kameraden und ich uns oft den Spaß, sie zu fragen: „Kommt der Kaiser bald?" Mit ernster Miene antwortete sie darauf ent weder: „Ja, erst am Sonntag habe ich ihn in derKirche gesehen'" oder: „Ich hab' ihn eigentlich lange nicht mehr gesehen" usw. — Als vor zwei Jahren in der Nähe ihres Dorfes nach Braunkohlen gebohrt wurde, erzählte die alte Müllern einem Kaufmann, daß Indianer in dem Dorfe gewesen wären. (Sie bezeichnete damit die Ingenieure, die beim Bohren beteiligt waren.) Diese hätten sogar bei ihr essen wollen. Als sie da dem einen nicht schnell genug Brot gab, hätte er ihr eine Kugel In den Fuß geschossen. In Wirklichkeit hatte sie ihn wahrscheinlich bei irgend einem Anlaß sich verstaucht. Heinz Harschig. Unser Nachvar vermurchN Unser Nachbar ist auch ein Original. Er wohnt allein in einem Hause. Die Fensterscheiben sind fast alle eingeworfen. Uber der Haustür befindet sich das in Stein gehauene Bild Luthers. Dar- über ist die Nummer 84 angebracht. Unser Nachbar behauptet aber, daß es die Nummer -.3 sei. Er sagt, daß die Lehrer in de» Schulen Falsches lehren; denn man müsse alles von links nach rechts lesen. Das Haus gehört eigentlich seiner Schwester; aber er läßt sie nicht herein. Oft sagt er, daß die Oberfläche ihm, was darunter ist, seiner Schwester gehöre. Im Winter teilt er seine Stube mit den Hühnern. Sämtlichen Bäumen seines Gartens sägte er einmal die Kronen ab. Dabei sprach er allerlei Albern heiten. — Voriges Jahr kam ihm eine Ziege um. Er ließ sie drei Tage im Stalle liegen, denn er meinte, sie könne noch lebendig werden. Als er drei Tage gewartet hatte, war sie noch immer tot. Da hob er eine Grube aus und polsterte sie mit Haferstroh aus. Jetzt ging er in seine Wohnung, zog sich einen Gehrock an, setzte einen Zylinder auf und nahm ein Gesangbuch. So ging er in den Stall, um die tote Ziege zu bestatten. Behutsam legte er sie in die Grube. An dem Loche stehend, sang er Begräbnislieder und las einige Strophen aus dem Gesangbuch. Endlich warf er die Grube zu und zog ab. — Im Winter kam er zu seinen Nach barn und wartete so lange, bis er etwas zu essen erhielt. Zuhause hatte er zwar noch eine ganze Menge Kartoffeln, aber er nahm nicht viel davon. In diesem Frühjahr schenkte er alle übrigen Kartoffeln einer Frau. Im Sommer stahl er einem Landwirt eine Henne und schenkte sie ebenfalls der Frau. Selber hat er wahrscheinlich nicht viel davon bekommen. ö. Vie alte votenkrau Vor einigen Wochen starb in unserem Dorfe eine merkwürdige Frau. Sie kleidete sich stets in Lumpen. An den Füßen hatte