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der grüne Tannenwald. Weihevoll und wehmütig stimmte uns dieses Fleckchen Erde mit seiner erhabenen Ruhe und zauberte uns Bilder vor unsre Seele, Bilder von Treue und Aufopferung, ja Treue bis zum Tode, die sich in unseren Herzen wiederspiegelten und die unversiegbare Quelle der Dankbarkeit erschlossen. Wir gingen weiter. Immer die breite Straße vom Kottinar herunter, die in der Ebene bis zu den ersten Häusern von Ebers bach führt. Ehe wir aber so weit kamen, bogen wir links ab und näherten uns Walddorf wieder. Da standen wir wieder vor einer Gedenktafel. Darauf war zu lesen: Carl August Löffler 1884. Ein abgehauener Baumstamm, einer abgebrochenen Säule aleichend, war samt der Tafel eingezäunt. Nach eingezogener Erkundigung erfuhren wir, daß dort unter jenem Baum einen Förster der Schlag rührte und er, mitten auf Berufswegen be griffen, gestorben ist. Auch hier bietet sich dem Wanderer wieder das Bild deutscher Treue. Möchte es sich mahnend in vieler Herzen wiederspiegeln und mit goldnen Lettern eingegraben werden. Der Gedenkstein wurde dem dort Verstorbenen aus Dankbarkeit von der Gemeinde errichtet. Einer der nächsten Tage aalt der Ersteigung des Kottmars selbst und des Kottmarturmes. Oben angelangt, kann man die ganze Bergkette überschauen vom Iser- bis hin zum Riesengebirge, vom Lausitzer Gebirge bis in die Sächsische Schweiz und von da zum Lzerneboh und Bieleboh. Alle Namen der Berge und Ort schaften sind, die Richtung bezeichnend, in eine Metällplatte ein graviert. So kann man sich leicht zurechtfinden. War die Fernsicht überwältigend und erschien uns diese Aus sicht bei herannahenden Gewitterwolken schaurig schön, so ent zückte im Tale manches Bild das Malerauge und erwartete un geduldig den Augenblick, wo es dieses oder jenes festhallen könnte. Ium kandschastsmalen nach der Natur im Freien gehört ja so manches, was man nicht immer haben kann. Ium Beispiel: die nötige Wärme, eine schöne Beleuchtung, ein ruhiges, nicht zu be- lebtes Fleckchen Erde, und vor allem die nötige Zeit. Als ich dies alles vereinigt sah, ging es flink — die Küchenschürze an den Nagel gehängt — den Malkasten unterm Arm, mit dem'Feld- stuhl hinaus. Der Hutung-Teich mit dem Lausitzer Holzbogenfensterhäuschen und der Kirchturm im Hintergrund verwirklichten sich zu meiner größten Freude auf der Leinwand. Es war am Iohannestag. Bald umstand mich die ganze Dorfjugend, und obwohl ich tat, als hörte ich es nicht, mußte ich manches Gespräch mit anhören, i Manche Ausrufe, wie: „O, die vielen Farben," „jetzt kommt der Kirchturm dran," „wenn ich ooch so malen könnte," „o, die malt die Wolken mit den Fingern" ufw. Ein Junge frug mich, ob ich wohl garnichts weiter mache als malen, ein andrer rief dem Herbeieilenden zu: „Kommst du heute zum Iohannisfeuer?" Einige Erwachsene drückten ihre Anerkennung dadurch aus: „Das will gelernt sein." Da mußte ich lächeln. Ich sage: es ist eine Gottesgabe und mancher würde es nie erlernen. Aber viel Spaß machten mir die Gespräche. Ja, heiter ist die Kunst! Biel Bilder wollte ich »och malen, es wird vielleicht nächstes Jahr. Am Abend desIohannestages versammelten sich die sämtlichen Dorfbewohner, groß und klein, mit Besen bewaffnet auf der Höhe am Waldesrand. Bei eingetretener Dunkelheit wurde ein Holz stoß angezündet, an dessen Flammen man die Besen zum Brennen brachte und sie dann im Kreise schwang, solange, bis nichts mehr am Stil war. Das war ein Jauchzen und Johlen, alle wollten mittun. Auf allen Bergen sah man die feurigen Kränze sich im Kreise drehen, cs war ein feuriges Sichhinüber- und -Herüber grüßen von nah und fern. Ob sich manche einen Schnupfen zu gezogen haben, denn es wurde am Abend sehr kalt, haben wir nicht erfahren. Wir beugten aber vor und bereiteten uns ein Täßchen chinesischen Tee, als wir nach Hause kamen, und sorgten so für ein erwärmendes Iohannesfeuer unsres inneren Menschen. So- brachte jeder Tag etwas neues, und als es eines Tages Gewitter gab und Regengüsse nur so herniederströmten, als die Hühner sich unter die Fenster verkrochen und mit eingezogenen Schwänzen eng aneiuandergeschmiegt die Köpfe hängen ließen, da war ein Besuch bei Großmama auf dem Boden sehr reizvoll für uns. Schon öfter hatten wir in der Laube unten ein Geräusch gehört, das wie das Surren eines Maschinenrades klang. Groß mutter nannte das: „treiben." Was sic in ihrer Kindheit getan, holte sie jetzt wieder hervor, da gab es kein Ausruhen. Menschen» Kraft ist billiger als elektrische! Während sich das Rad fleißig drehte, erzählte sie uns von der Entstehung Walddorfs und von ihrer Jugendzeit. 1683 sei Walddorf gegründet und zunächst „Häuser am Walde" genannt worden. Böhmische Emigranten haben dort sich an gesiedelt, aus dem geschlagenen Holz seien Holzhäuser und nach und nach das Dorf entstanden. Bon Alters her sei die Leine- weberei getrieben worden. Zuerst habe es nach Kottmarsdorf in die Kirche gehört, 1708 aber habe es ein eignes Kirchenwcsen bekommen. Aus ihrem Elternhaus wußte sie sehr viel zu erzählen, man merkte, wie ihre Kindheitserinnerunqen sie neu belebten, wie sie sich darin sonnte. Sie erzählte weiter. In einer Stube standen oft 2—3 Webstühle und noch Räder zum Treiben. Wie es Brauch gewesen sei, daß sonntäglich einige Familiengliedsr in die Kirche gegangen seien, daß nach Tische Sonntags der Hausvater aus der Hausvostille vorgelesen habe. Das Predigtbuck habe den Titel: „Dr. Müllers Herzensspieqel" getragen. Wie sie stets vor und nach dem Essen gebetet hätten, daß überhaupt die meisten Bewohner Walddorfs früher fleißige und fromme Weber gewesen seien. Das Predigtbuch durften wir noch besichtigen. Es lag ganz in der Nähe. Großmutter öffnete einen schönen buntbemalten Schrank aus alter Zeit und zeigte es uns. Dabei gewahrten wir die schönsten Schätze, die der Ober- boden barg, es war das reinste Museum. Buntbemalte Truhen mit alten Jahreszahlen, geheimnisvolle Kisten und Kasten neben einer Werkstatt von allerlei Instrumenten. Doch — ich will nicht zuviel verraten, sondern kehre zu den Erzählungen der ehrwür- digen Großmama zurück. Sie hatte ein ausgezeichnetes Gedacht- nis für Gedichte und Gebete, die sie in ihrer Jugendzeit gelernt hatte. Ein schönes Tischgebet, was sie mit ihren Eltern gebetet hatte, trug sie uns vor und ich gebe es hier wieder: „Wir wollen auch kein Mal vergessen, Was uns dein Segen tröget ein, Ein jeder Bissen, den wir essen, Soll deines Namens Denkmal sein. Und Herz und Mund soll lebenslang Dir immer sagen Lob und Dank." - Wir hätten noch lange zuhören können, was Großmutter er zählte. wenn nicht ihr kleiner Enkel, unser Liebling, zur Treppe heraufgeklettert wäre und uns in den Garten abgerufen hätte. Am Sonntag drauf sollten wir noch die Spuren althergebrachter Frömmigkeit sehen Als wir das Gotteshaus betraten, fanden wir es überraschend voll und das war nicht nur ein Äusnahmefall, sondern jeden Sonntag war es wieder so. Nebenbei bemerkten wir da, wie viele hübsche Gesichter es doch dort gibt, nicht nur vom weiblichen Geschlecht, nein auch vom männlichen. Da sicht man, wie ssich das Gemüt auch im Äußeren der Menschen aus prägt. — sEin Gottesdienst in der stimmungsvollen Walddorser Kirche minder schönen Orgel wirkt ja herzerhebend und ich Hütte mit den Emmausjüngern (im bunten Glasfenster befindet sich rechts oben das Bild) bitten mögen: „Bleibe bei uns, Herr, denn es will Nacht werden auf Erden und Finsternis herrscht in den Herzen der Menschen!" Der letzte Sonntag in Walddorf wurde für mich in der Tat zu einem Gottesdienst und Christtags stimmung umwehte mich, als mein dankerfülltes Herz ausklingen durfte im Liede, vereint mit Violine und Orgel, den Höchsten preisend: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln!" Diese Erinnerung strahlt mir wie Morgenrot entgegen und schon habe ich die Versicherung, daß die Fortsetzung des jungen Tages folgen soll. Also, auf Wiedersehen, du liebes Walddörf - ' ' - z.s Acht Hsimaißartsn (Tuschzeichnungen) von ÄichardMättig. darstellend alte Kirchen der engeren Heimat, sowie Schloj) Nsuhöcnltz mit kurzen geschichtlichen Erklärungen, für Mk. I.tzö.