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Vorkommen des Nagers nach Lauterbach und Otterwisch nördlich von Lausick, sowie Naunhof und Grethen bei Grimma. Brieflich teilte mir Herr Oberlehrer Buch, der Leiter des Leipziger natur kundlichen Heimatmuseums, noch mit, daß das Museum Beleg stücke von Otterwisch, zu denen neuerdings auch noch solche von Grethen gekommen sind, besitzt und daß der Nager außerdem noch in Paunsdorf bei Leipzig festgestellt und 1911 und I9t2 auch in Leipzig selbst beobachtet worden ist. Weiter soll der Nager vor 40 Jahren bei Frohburg häufig gewesen sein: neuere Fest stellungen des Tieres hier fehlen aber. Ich halte trotzdem das Vorkommen für noch nicht erloschen, besonders, da der Sieben schläfer dann auch wieder in dem ja nicht mehr fernen Altenburg nachgewiesen ist. Dann ist nach einer mir gemachten Mitteilung durch Herrn Ratssekretär Weise in Hohenstein-Ernstthal der Siebenschläfer auch an diesem Ocke festgestellt worden. Hesse endlich erwähnt noch ein im Leipziger Zoologischen Museum befindliches Stück aus Penig (dt. 1848), während das Dresdener Zoologische Museum neben Belegen aus Colditz und Grimma auch ein solches von Niederwartha a. d. Elbe (unterhalb Dresdens) besitzt. Der Siebenschläfer bevölkert in Sachsen also zwei größere, räumlich von einander getrennte Gebiete, nämlich die nördliche Hälfte Westsachsens etwa von einer Linie Meerane—Hohenstein- Ernstthal—Burgstädt—Waldheim an bis in die Leipziger Gegend und zum anderen dieElblandschaften von Niederwartha—Lößnitz- gründ an aufwärts bis zur Landesgrenze. Sein Vorkommen ist ausschließlich auf die Laub- und Mischwaldzone beschränkt, er steigt in Westsachsen nicht über 400 Meter empor und findet sich nur im Flußgebiet der oberen Elbe auf dem Großen Winter berge (550 Meter) und dem Balienberge (580 Meter) in noch etwas höheren, immer aber durch Laubwald ausgezeichneten Lagen. Die obere Grenze seines Vorkommens fällt in Sachsen in ganz ausfallender Weise mit der Iahresisotherme von 8 Gr. zusammen. Der Laubwald ist sein ureigenstes Wohngebiet, aus dem er aber überall schon den bäum- und vor allem den obstbaumbestandenen Ortschaften zugewandert ist, an denen er sich oft viel zahlreicher findet, als an seinen ursprünglichen Wohnstätten. Hempel hatte die zuerst von Fickel ausgestellte Behauptung, daß der Sieben- schläfer ähnlich der Wanderratte erst in verhältnismäßig jüngster Zeit in Sachsen eingewandert seh von diesen übernommen und ebenso hatte ich, ohne damals die ältere Literatur über den Schläfer zu kennen, sie zu der meine» gemacht. Sie läßt sich aber nicht aufrecht erhalten, der Siebenschläfer besitzt in Sachsen ziemlich alte und nicht erst in neuerer Zeit erworbene Bürgerrechte. Nur infolge seiner verborgenen nächtlichen Lebensweise hatte er es verstanden, sich mehr als manches andere Tier der Aufmerk- merksamkeit und der Beobachtung durch den Zoologen zu ent ziehen. Der Siebenschläfer, der zu seinen Schlupfwinkeln draußen im Freien Baumhöhlen und Felsklüfte wählt, in der Nähe der menschlichen Wohnstätten aber mit besonderer Vorliebe die auf gehängten Star- und anderen Nistkästen besiedelt, nicht minder häufig aber auch in die Gebäude selbst eindringt und sich hier an nur schwer zugänglichen, verborgenen Stätten sein Lager errichtet, wird bei uns sehr leicht durch seine Plünderungen der Obstbäume schädlich. Er geht des Nachts — selten für sich allein, sondern fast immer in kleineren Gesellschaften — in den Obstgärten und Obstanlagen an- alle erreichbaren Früchte und vertilgt bei der ihm eigenen großen Gefräßigkeit nicht nur beträchtliche Mengen an Ort und Stelle oder nagt sie auch nur ein wenig an und läßt sie dann zu Boden fallen, sondern er verschleppt auch recht erheb liche Mengen in seine Schlupfwinkel. Auch in den Gebäuden fahndet er nach allerhand Leckereien, läßt sich das schlecht ver wahrte Brot munden und kostet die eingemachten Früchte; er be sucht ferner die Scheunen mit ihren reichen Nohrungsvorräten und scheint an manchen Orten gern auch die Mühlen mit ihren Getreide- und Mehlvorräten, mit seinem Besuche zu bedenken. Fern von den Wohnstätten der Menschen lebt er von allerlei Wildfrüchten, läßt sich dabei im Frühjahr auch Knospen- und Rindenfraß zuschulden kommen und verschmäht auch nicht die hinter der pflanzlichen allerdings zurückbleidende tierische Kost. Daß er dabei auch die Vogelnester nicht unbeachtet läßt und bald deren Eier, bald aber auch die schon geschlüpften Vögel sich zu Gemüts zieht, ist von mir wiederholt beobachtet worden. In der Gefangenschaft geht er selbst bei reichlich zugemessener Nahrung sogar seinesgleichen an. Trotz seines großen Hanges zur Geselligkeit — er tummelt sich nicht nur im Freien fast stets mit einer Anzahl Tieren seiner Act, sondern teilt auch die Schlupfwinkel in der Regel mit einigen seinesgleichen — ist unser Tier umgekehrt aber auch wieder recht zank- und streitsüchtig und gegenseitige Kämpfe unter den Schlä fern sind daher auch etwas alltägliches. Alte vernarbte Wunden an den von mir gefangenen Bilchen deuten dabei wohl auch auf einen oft blutigen Verlauf derartiger Kämpfe hin. Die Fortpflanzung des Nagers lohnt weitere Beobachtungen. Blasius sagt in seiner klassischen Naturgeschichte der Säugetiere Deutschlands (Braunschweig 1857), daß die Paarung des Sieben schläfers im Frühjahre, kurz nach dem Aufwachen aus dem Winter schlafs, erfolge und daß zuweilen schon anfangs Juni die 3 bis 7 Jungen geworfen würden. In diesem, nur einen Wurf im Jahre annehmenden Sinne äußern sich dann auch alle späteren Schrift steller. Für mich gilt es heute als sicher, daß diese Angaben falsche sind und daß unser Tier zweimal im Jahre Junge wirft, daß einem ersten Wurf im Frühjahr ein zweiter im August nachfolgt. Denn nicht nur meine vieljährigen eigenen Erfahrungen und Beobachtungen deuten zwingend darauf hin — ich fand junge Tiere schon vor Mitte Juli und später solche auch wieder nach dem 15. August —, sondern es sprechen dafür auch einige neuere Beobachtungen Dritter, sodaß wir die bisherige Meinung von nur einem Wurf im Jahre wohl zugunsten der von zwei Würfen werden berichtigen müssen. In der zweiten September- oder ersten Oktoberhälfte, je nach dem herrschenden Wetter, verschwinden die Nager an ihren Tum melplätzen und ziehen sich in ihre Winterquartiere zurück, die sie kaum vor Ende April oder Anfang Mai wi-der verlosten. In manchen Jahren sogar habe ich die Tiere nicht vor Ende Mai wieder im Freien angetroffen. Die spätesten von mir gemachten Funde von Siebenschläfern im Freien sind der 14. und l5. Okt., der früheste der 20. März. Doch handelt es sich in diesem letz teren Falle um ein in einer Scheune, also an einem warmen und vor allem auch nahrungsreichen Orte erbeutetes Tier. Den Gartenschläfer nennen 1810 Ludwig für Dürrhennersdorf bei Löbau, 1840 Meyer für die Dresdner Gegend. Reibisch hat dann 1869 das letzte Vorkommen in sein Verzeichnis der Säuge tiere Sachsens ausgenommen und führt daneben noch Zittau und Bärenstein als Fundorte unserer Art auf. F. Helm erwähnt ihn dann schließlich in jüngerer Zeit aus dem oberen Bogtlande („In den Wäldern des oberen Bogtlandes, die fast ausschließlich aus Nadelholz bestehen, scheint die Art nicht selten vorzukommen") und Fickel, gestützt auf Angaben Dresdener Tagesblätter, nennt ihn als häufig auf dem Pfoffenstein in der Sächsischen Schweiz. Über das Vorkommen „um Dresden" (Meyer) liegen aber weder Belegstücke noch neuere Angaben vor und meine eigenen Nach forschungen nach dem Schläfer sind hier bisher erfolglose gewesen. In der bäum-und gsbüschreichen Umgebung Dresdens, besonders im eigentlichen Elbtole, sind für das Tier aber alle Bedingungen des Vorkommens gegeben und ich halte seine neuerliche Auffin dung hier daher auch für nicht unwahrscheinlich. Der von Nei disch angegebene Fundort Bärenstein ist in Ermangelung jeder näheren Bezeichnung leider wenig zu gebrauchen. Denn wenn man auch im Hinblick darauf, daß die Reibisch'schen Angaben sich in der Hauptsache auf Dresden und dessen nähe-e und weitere Umgebung erstrecken, das bei Cranzahl im Erzgebirge gelegene Dorf Bärenstein aus dem Kreis der Betrachtung lasten kann, sp bleiben doch immer »och Zweifel bestehen, ob Reibisch die im Müglitztale gelegene Stadt Bärenstein oder, was ich für wahr scheinlicher hielt, den Fels Bärenstein in der Sächsischen Schweiz, an dem meine neueren Nachforschungen nach dem Tiere aber erfolglose gewesen sind, gemeint hat. Im Dresdner Zoologischen Museum befinden sich Belegstücke von Schandau, Schmilka und dem Großen Winterberge in der Sächsischen Schweiz, sowie von Untersachsenberg im Vogtlande.