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Ein besonderer Brauch gibt in Herrnhut dem Ostertag seine Note. Noch vor Sonnenaufgang ziehen die Gemeine und die aus der Umgebung herbeigekommenen Freunde und Anhänger in langem Zuge die Berthelsdorfer Allee hinaus und nach dem nördlich gelegenen Hutberge. Boran schreiten die Geistlichkeit und der Posaunenchor. Unter den Klängen der Choräle geht es dann hinauf auf den Hutberg, wo die Teilnehmer sich um einen Prediger versammeln. Wenn dann im Osten der Sonnenball wie eine feurige Scheibe über den grauen, nebligen Horizont empor steigt, dann wird unter der riesigen, blauen Wölbung des Himmels domes eine feierliche Andacht am Auferstehungstage des Heilands abgehaltcn. Es liegt etwas Heiliges in dieser Morgenstunde des Ostertages und gestärkt mir neuem Lebensgeiste verlassen wir diese Lebensquelle. Noch einer Besonderheit ist bei Gelegenheit des Ostertages zu gedenken: er ist der Tag der Toten oder richtiger gesagt der friedlichen Schläfer, die der Auferstehung zum ewigen Leben harren. Deshalb schmückt auch der Herrnhuter die letzte Ruhestätte nicht am Totensonntage, sondern zu Ostern, am Auf erstehungstage des Herrn, ein ehrwürdiger Brauch, der tiefen Sinn hat und von der schlichten Glaubenseinfalt der Herrnhuter Gemeine Zeugnis ablegt. Das heilige Abendmahl wird in Herrnhut in wesentlich anderer Form gefeiert, als in der Landeskirche. Der große Tisch im Gotteshause, den wir noch von unserem ersten Besuch her kennen, ist mit einer weißen Decke belegt. Der amtierende Geist liche bringt mit seinen 8 bis 10 Helfern die Hostie herein und stellt sie auf den Tisch. Zu beiden Seiten nehmen, nachdem er sich niedergelassen hat, die Geistlichen Platz. In weißen Talaren mit breiten Gürteln sind sie heute erschienen und je zwei und zwei gehen sie durch die Bankreihen, um das Brot zu verteilen, das von ihnen gebrochen, jedesmal gleich an zwei gereicht wird. Erst nachdem alle damit versehen sind, werden die Einsetzungsworte gesprochen „Nehmet hin und esset", worauf jeder das Brot in den Mund nimmt und nicderkniet. Auch der Kelch wird durch die Reihen getragen. Am Ende des Mahles, wie es auch am Anfänge beim Gesänge des Liedes: Die wir uns allhier zusammenfinden, Schlagen unsre Hände ein, Uns auf deine Marter zu verbinden, Dir auf ewig treu zu sein! geschah, reicht jeder seinem linken und rechten Nachbar die Hand. Die Silvesternacht ist besonders dadurch ausgezeichnet, daß an diesem Abend beim Gottesdienst ein Bericht gegeben wird über alles Wichtige, was sich im vergangenen Jahre innerhalb der Gemeine zugetragen hat. Punkt >2 Uhr ertönen Orgel und Posaunenchor mit dem Choräle „Nun danket alle Gott", worauf die Gemeine mit ihrem Gesänge einfällt, ganz gleich, ob es mitten in der Rede des Geistlichen geschieht, welcher sich aber meist so einrichtet, daß er Punkt 12 sein Amen spricht. Erwähnt sei noch zum Schluß ein Kleinod Herrnhuts, wie es manche Stadt nicht besitzt. In dem Bölkertumsmuseum sind Wertgegenstände und Schätze aus aller Welt zusammengetragen. Wenn wir sie still andächtig und aufmerksam betrachten, dann fangen sie an zu erzählen und unser geistiges Ohr hört von den Mühen derHeidenbelehrung berichten. Die Gabel eines Menschen fressers, der sich zum Christentum bekehren ließ, zeugt von der er folgreichen Kulturarbeit, welche die Mission auch neben ihrer religiösen Tätigkeit leistet. Zoologische und botanische Seltenheiten in mannigfacher Reichhaltigkeit erfreuen unser Auge, während die Haushaltgeräte, Schmuck und Kleidungen tropischer und arktischer Völkerschaften uns Einblick in deren Leben gewähren. So ließe sich noch vieles über diese Gemeine und ihre Ein wohner sagen. Aus allem merkt der Fremde, der sich ihr mit sreundwilligem Verständnis naht, daß der Geist der Männer, unter deren Einfluß einst Gras von Zinzendorf seine gute christliche Erziehung genoß, bis auf den heutigen Tag seine Wirkung be halten hat. Wir könnten die Herrnhuter wahrlich beneiden um ihre Art. Herrnhut ist ein Edelstein in der Krone der Lausitz, der seine reinen Strahlen in alle Welt sandte und noch sendet. Und wenn am Iubiläumstage die angesetzte Losung erklungen ist: „Einen anderen Grund kann niemand legen außer dem, der ge legt ist, welcher ist Jesus Cristus!" (l. Kor. 3, I I), dann wollen wir gern und freudig Anteil nehmen und all derer gedenken, die dieses gewaltge Werk mit Gottes Hilfe errichteten. Herbert Henkner-Bautzen. Herbstabsnd im Aelde »on F. Th. Scholz« tHsr Tag hüllt sich in graus Nebel ein; ? X ein fernes GlöcKlein ruft zu Aich und Aast, und in dem blauen Nbenddämmerjchein des Spätrots letzte weiche Glut verblaßt. Nm Hsrbftlaub hängen blasse Aegenpsrlsn, ein Asbhahn ächzt im fahlen Aübsnfsld; die Nebel geistern um dis finstern Erlen und Stills senkt sich auf die müde Welt. Nom Brachfeld zieht nun heim die letzte Herds, ihr dumpfer Glockenton geht leise mit. Dor vollem Wagen stampfen schwer die Pferde und hinter ihm der Leute müder Schritt. Noch schwelt ein Luecksnfeuer wo verlassen. Dom Dorf herüber blinkt ein matter Schein. Ein Hund bellt heiser in den fernen Gassen — dann stirbt der Tag, und Nacht hüllt alles ein. Dämmerstunde t^V>un wird es Abend. Der Tag ist schon ein Stückchen fort- gewandert und hat mitgenommen, was sein war: die leuch tende Helle, den steten Fleiß der Schaffensstunden, die lauten Stimmen des Lebens. — Nun ist es wie ein leises Hinüber- schreiten in ein stilles Land. Am Himmel sind rosige Abend wolken und Feierabendglockenklingen grüßt dich. Du sallest die Hände und bist andächtig. Lausche nur und träume qnd hebe deine Schwingen, Seele! — Es ist ein Stücklein Heimweg, das du an jedem Tag zurücklegen mußt, um einmal ganz nach Hause zu kommen, in deines Vaters Reich. Übe dich im Schwingenbreiten, Seele, die du hier als Gast deine Erdentage hast. Einmal wird es Abend werden, offen steht das Vaterhaus und du breitest deine Schwingen dann zum letzten Fluge aus. Margarete Reichel-Karsten, Görlitz. Ein Maimorgen an den Kodersdorfer und Ullersdorfer Teichen Von Alfred Hartmann-Görlitz ^LWreunde und Kenner unserer gefiederten Sänger und Nicht- /MU sänger fanden sich in einer kleinen Anzahl am 25. Mai WM vor Sonnenaufgang zu einer Fahrt der botanisch-zoolo- "" gischen Sektion unserer Naturwissenschaftlichen Gesell schaft zusammen. Busch- und wasserreiche Gegenden zur Maien zeit sind ja stets das dankbarste Ziel der Vogelfreunde; dieses Mal überboten sich die als Ziel gewählten Kodersdorfer und Ullersdorfer Teiche mit einer Fülle von Arten und günstigen Beobachtungsmöglichkeiten. Bon hohem Wipfel schaute in der Nähe des Kodersdorfer Bahnhofs ein Neunlötermännchen herab; in seiner Nachbarschaft bemühte sich ein grauer Fliegenschnäpper, mit seinen Lauten die Beobachter zu täuschen, deren bewaffnete Augen den schelmischen Musikanten doch endlich entdeckten. Bessere Anerkennung fanden die vorzüglichen gesanglichen Leistungen einer Gartengrasmücke und eines Gartenspötters in den Obstgärten der Häuser, die auch