Volltext Seite (XML)
'Ar. 21 Gberlaufltzer Hstmatzeltung 243 Kein Brot mehr, beim einzigen Bäcker vergeblich gefragt, kehrte ich mich an ein Bauernhaus, dessen Besitzerin, in mir einen „Wandervogel" vermutend, mir auch ohne Umstände ein Pfund Brot abließ. Ich zog weiter. Wieder etwas bergab berührte ich bald Klein- Jauernick, von rechts drüben drang der Lärm und das Getöse der Bahnen und Werke des nahen Königszelt herüber, verlor sich aber langsam, und nach einer Viertelstunde war ich wieder in der Einsamkeit. Nach einiger Zeit grüßte mir als ernster Schattenriß ein Gottesacker mit hohem Kruzifixus von einem Hügel entgegen, und hinter ihm empfingen mich die Häufendes Dörfchens Zedlitz. Es war Futterstunde, hie und da blitzten Lichtlein aus Stall und Stubenfenster, fast allen Kaminen entstieg dünner Rauch, und die Kinder begannen sich langsam zu verziehen. Ein echtes Abend- dild, — soll ich hier nächtigen, müde genug bist du eigentlich, schwirrte es mir durch den Sinn —, aber nein, du wolltest ja noch bis Stanowitz; also schlappte ich weiter. Das Freiburger Wasser gab mir für einige Zeit das Geleite, eine baumreiche und deshalb recht anmutige Gegend durchschritt ich, und als der Abend schon merklich hereingebrochen war, er blickte ich endlich die ersten Gebäude von Stanowitz. Die Quartier frage drückte mich wieder, im ersten besten Hause frug ich zwei praschende Frauen, ich wurde gütigst fortgeschickt, zwei Gasthäuser fand ich, ein besseres und ein einfaches; im letzteren, weils keine Fremdenzimmer hatte, kehrte ich ein, ins andere sollte ich gehen, ich mochte nicht, traf aber auf der Straße einen Burschen, der mich auf die Wandervogelherberge in derZiegelei draußen aufmerksam machte. — Wo ist die? — Nur den Weg hier hinaus eine halbe Stunde.— Stockfinster wars und eine Kirchuhr schlug eben '/«IO, als die letzten Häuser hinter mir waren. Noch eine Viertelstunde, als endlich ein matter Lichtschein auf tauchte, ein Hund bellte und ich durch ein offenes Fenster mein Anliegen vorbrachte. Die Silhouette einer Berufsschwester, einer Landsmännin, er schien und ließ mich ohne weiteres in ein dunkles Gemach. Eine romantische Nacht folgte; denn schlief ich zunächst zu ebener Erde, wurde mirs bald zu kühl und ertappte eine Bank, fand später einen noch bequemeren Stuhl und landete schließlich auf einem Großvaterthrone. Am anderen Morgen aber sah ich mich in einem komplett ein gerichteten Wanderovgelheime, das mit seinem künstlerisch bäu rischen Mobiliar und seiner kleinen Bibliothek einen gar freund lichen Eindruck machte. — Strtegau war für heute Vormittag mein Ziel, und mit einer etwas besonderes erwartenden Unruhe bestieg ich den letzten vor ihm liegenden Hügel. Da endlich — badeten sich seine Häuser zu Füßen der geradezu beängstigend großen Pfarrkirche im Morgenscheine, und „seine" Berge nahmen es vor rückwärtigen unberufenen Blicken in Schutz. Das Stadtinnere selbst hat mehr neuzeitlichen Charakter, saubere Gassen, große Häuser, und bei einem Rundgange fand ich nur noch einen, die halbe Stadt umziehenden, leider auch recht modernisierten Wallgang, der mich zum einsamen, schlichten Schnabelturme, einem ehemaligen Torwächter, brachte; auf dem Ringe etliche altersgraue Laubenhäuser und den komplizierten Ratsturm. Doch muß ich der schon einmal genannten katholischen Pfarr kirche, die mit ihren niederländisch, renaissancenen Giebeln und ihrem Turmstumpfe in fast alle Gassen guckte und die ich unter Meßgeläut besuchte, eingehender gedenken. Sie ist ein gewaltiger Bau, aus Backsteinen in spätgotischen Formen errichtet, und kann sich mit ihrem dreischiffigen, basilikalen Innern in Bezug auf Umfang getrost einer Kathedralkirche an die Seite stellen. Doch ist sie recht erneuerungsbedürftig, und als ich durch die weiten Schiffe und Kapellen wandelte, fand ich, den neugotischen, im Aufbau nicht ganz unglücklichen Hochaltar ausgenommen, eine recht spärliche Ausstattung vor. Leider ist die hiesige katho lische Gemeinde zu klein, diesem Millionenprojekte näher treten . zu können, und der Staat ebensowenig in der Lage, seinem größten provinzialen kirchlichen Bauwerke eine seines Ranges entsprechende Pflege zu teil werden zu lasten. Mit der Stadt wie gesagt bald fertig, sagte ich ihr kurzer Hand Valet und bestieg „ihren" nicht übermäßig hohen Kreuzberg. Halbwegs zu ihm gönnte ich mir auf einer stillen Waldbank ein kleines Schlummerstündchen, verzehrte wieder einmal das letzte Stücklein Brot und erklomm, um früher zu kommen, gerades wegs und auf allen Bieren den steilen Gipfel. Was diesen krönt, sagt schon der Name, und warum sagt wieder eine an des Kreuzes Sockel eingegrabene Inschrift: „Lieblich öffnet sich dir, o Pilger, die Gegend zum Anschauen, doch den höchsten Genuß bietet der geistige Blick. Die dort drüben im Tale sich feindlich besiegten und starben, schlafen vereinigt in Ruh. — Schlummert im Pflichtgefühl sanft. I. Juni 1745. Jesus Christus gestern und heute und derselbige in Ewigkeit." Ein recht sinniges Heldenmal! nicht? und noch dazu in einem so herrlichen Panorama. Die Aussicht hatte für mich einen be sonderen Reiz dadurch, als mir noch einmal Gelegenheit geboten wurde, meinen bisherigen Weg bis zur Zobtenspike übersehen zu können. Ein eigenartiges Gefühl beschlich mich dabei und unwillkürlich versetzte ich mich in die Stunde, in der man auch so zurückblickt und summieren möchte. Nun war diese Gegend für mich verschlossen, als ich die vielen Stufen — am friedlichen Wirishause vorbei — hinunter stieg und nach einigen Minuten aus dem freundlichen Laubwalde trat, aber eine neue Welt tat sich langsam vor mir auf. Zwar mußte ich vorerst das Dörslein Fehebeutel, das mir durch einige trockene und beschmierte Weißbrotschnitten in Erinnerung bleibt, passieren, — von rechts grüßte von hohen Felswänden herunter die Ort» schäft Oberstreit, nachher aus der Niederung herauf Gutschdorf mit seiner berühmten Zuckerraffinerie, sowie an einigen Bergen vorbei, aber bald tat sie sich auf; das Iauersche Weichbild mit Iauer selbst im Hintergründe lachte mir entgegen. Zunächst hinab nach Groß-Rosen, da am schlotzähnlichen katho lischen Pfarrhause vorbei fand ich den kleinen katholischen Gottes acker, der mich recht Müden ein Biertelstündchen litt. Die Nahrungsfrage quälte mich bald wieder, denn morgen ist Sonntag, und in einer Stadt bist du auch, dachte ich — und fragte die erste beste daherkommende Frau um Brot. Ich hatte die rechte getroffen; denn mit selten zu findender Gefälligkeit bemühte sich das Mütterchen und ergatterte irgendwoher ein großes Stück Brot. Ich hatte Durst, und anstatt Wasser bekam ich aus ihrer Wohnung Leiermilch, und bei der finanziellen Angelegenheit rannte es noch einmal, um mir als Fremden das unangenehme Geschäft des Geld wechslers zu ersparen. Mit wahrhaft gemeinten Segenswünschen verließ mich dann die Edle, ihrem Tagewerk wieder nachgehend. Groß-Rosen war bald hinter mir, die Grenze des Breslau- Liegnitzer Regierungsbezirkes überschritt ich, Herzogswaldau, ein besonders reinliches Bauerndorf mit sogar erhöhten Fuß steigen, empfing und entließ mich, und nach einer guten Stunde war ich am für heute angesetzten Ziele: Seckerwitz. Eine Samstagabendstimmung hauchte mir aus dem blitz, sauberen, eng zusammengebauten und anscheinend sehr wohl habenden Güterdorfe entgegen. Vom Felde war schon alles heim- gekehrt, und die vielen rauchenden Hauskamine verrieten bevor stehende Essenszeit. Wenn du nur auch einmal ein paar warme Kartoffeln hättest — flüsterte mein etliche Tage nichts Warmes genossener Magen —, frage doch einmal, und dem gehorchend, saß ich ein Viertelstündchen später auch schon bei einem köstlichen viergängigen „Armeleute diner" in einem der stattlichen Bauernhäuser. Mittlerweile wars finster und die ewige Nachtlagersucherei begann wieder. Meiner gütigen Gastgeberin dies nicht auch noch zumutend, klingelte ich vergeblich an der Schule, ließ mich vom nächsten Bauer zur Tür hinausweisen und fand endlich in einem freundlicheren Strohschober ein molliges Ruheplätzchen. Ach wie süß schlief sichs auf oder wohl bester in diesem primi tiven Lager und erst als die Sonne über die Felder her zu gleißen