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Wer war der Manu, der hier in ländlicher Dorsstille einen so vornehmen Prachtbau aufführen ließ? Joachim Siegismund von Ziegler und Klipphausen. Der Nachwelt ist er ebensowenig bekannt wie seine Schöpfung, seine Zeitgenossen aber nannten ibn mit Achtung und betrachteten sein Werk mit Ehrfurcht. Er lebte zur Zeit Auaust« des Starken (1660—1734) und stand in dessen Diensten. Im Gegensatz zu seinem Herrn verachtete er aber das nach französischem Geschmack gestaltete wüste Leben de« Dresdner Hofes. Wenn er nur irgend konnte, verbrachte er seine Zeit auf seinem Landsitz Radmeritz. Denn mehr al« Hofmann war v. Ziegler Landedelmann, ja praktischer Land wirt. Sein Reichtum Kanu zahlenmäßig kaum angegeben werden. Er umgab sich mit aller Pracht seines Standes und Geschlechts und verstand es, seiner Umgebuna Achtung abzu. zwingen. W-nn er in seinem Viergespann kam, lüfteten die Radmeritzer Bauern demütig ibre Kappe. In vielen Stücken erinnert er au seinen Lausitzer Landsmann Wilhelm v. Polenz, den Heimatdichter ans Obercunewalde. Wie dieser, war er kunstbeaabt, kunststrebend und kunstschaffend und, wie dieser, ein praktischer Mann der heimatlichen Scholle. Bekannter wie er war freilich sein Bruder Anselm v. Ziegler, dessen „Astatische Bauise" bis zu Klopstocks Zeiten der begehrteste Roman Deutsch« lands war. „Mein Bruder, der Bückerschrriber, der Narr', spricht er von ihm. Er nimmt den Roman nicht einmal in sein« Bibliothek auf. Da« zeugt wohl am deutlichsten von dem vornehmen Geschmack, der umfassend erst in seiner Schöpfung Ioachimstein zum Ausdruck kommt. Joachim v. Ziegler, der unvermählt geblieben ist bis an sein Ende, hatte den Wunsch, durch ein edles Werk seinem Namen Unsterblichkeit zu verleihen. Sein ganzes großes Ber« mögen verwandte er auf eine Stiftung, durch die er 12 unver schuldet in Armut geratenen, adligen christlichen Fräuleins samt einer Hofmeisterin, die ihren Adel durch 16 Geschlechter hin- durch Nachweisen mußte, aus seinem Erbaute Radmeritz ein Obdach gab. Daher e« auch geheißen ist „weltadeliges Fräulein- stift Ioachimstein". Unweit Ioachimstein liegt Herrnhut. Es bestehen wohl auch innere Beziehungen zwischen beiden. Die Bewohner non Ioachimstein sollten nach dem Wunsch und Willen de« Stifters eine christlich.eoanpelislbe Hausgemeinschaft bilden und mit „fleißigen Übungen des Christentum« fleißig unterrichtet und angewiesen werden". Während aber Herrnhut eine rein religiöse Stätte ist, trägt Ioachimstein ein freies „weltadelige«" Gesicht, das bereits am Tage der Einweihung (14. Nov. 1728) deutlich zur Schau getragen wurde: dem Kirch- lichen Weiheatzf» folgten große Tafel und Gala-Ball. Und als Körner am 3. April 1813 mit seinen Lützowern nach Joachim- stein kommt, von wo aus er seinen Aufruf „An di, Sachsen!" erläßt, bringt er Leben in das stille Stift. Die stattlichen Räum« hallen wieder vom Jubel zweier Ballfeste. Das sind Erscheinungen, die in Herrnhut niemals möglich gewesen wären. Auch an Marienthal muß man denken, dessen Türme von Süden her berüberarüßen. Zweifellos sollte das protestantische Stift ein Gegenstück zum benachbarten katholischen Kloster darstellen, wie denn die Einrichtung auch nach klösterlichen Prinzipien, freilich unter Wahrung des weltlichen Charakters, ausgebaut ist. Di« Anfänge zum Bau gehen bis in« Iah» 1708 zurück. Das Schloß ist im reinsten Stile der damaligen Zeit ausaesührt und zwar von den hervorrag-nste» Meistern der sächsischen Barock« Baukunst. Ioachimstein stellt in Vollendung das dar, wa« Auaust der Starke im Zwinger ,u Dresden schaffen wollte Während es hier nämlich beim Vorhof» geblieben ist, konnte dort die gesamte Schloßanlaae erstehen, überhaupt: Es besteben enge BindefSden zwischen Dresden und Ioachimstein. Wir finden Joachim v. Ziegler Iohr»-bnte hindurch wiederholt io Dresden. Hier sucht er sich die Künstler aus, wie er fi« braucht. Hier pflegt er Unterredungen mit berühmten Baumeistern und Malern.^ Im Dresdner Ratsorchiv fitzt Johann Backstroh, dem die gesamte Korrespondenz des Radmeritzer Baues oblag. (Später wurde er von Gottlob Krigelstein abgelöst.) Wenn Joachim o. Ziegler früher ein ständiger Besucher der Dresdner Jahrmärkte war, so weilt er fetzt dort, um sich in der Stadt de» Barock« Rat an de» Quellen zu holen. Wir seben ihn im Kroßen Garten architektonische Studien treiben. Er geht mit Stift und Skizrenbuch durch den Zwinger, bleibt beobachtend am Fkeminoschen Palais stehen und prüft im Dresdner Schloß hof die Wirkung der Vorschläge seiner Meister aus. Nickt selten auch geht er nach Pillnitz hinau«, um am dortigen Schlosse Muster und Anreaunaen für seine Schöpfung zu finden. Um gekehrt sind Dresdner Künstler dauernd zwischen Radmeritz und Dresden unterwegs. Zweihundert Jahre steht nun der Bau, und all die Zeit über hat man die Namen der Meister nicht gewußt, die den Bau aufgssührt haben. Selbst Guriltt muß in seinen „Bau- pnd Kunstdenkmäler» des Köniareich« Sachsen" bekennen: „Über die am Dau beschäftigten Künstler ist leider nichts be kannt" Das au« Anlaß des 200sährigeu Bestehens began gene Jubiläum aob dem Görlitzer Gelehrten Dr. Iecht Gelegen- beit, das reichhaltige Stistsarchiv durckmorbeiten. Dabei kamen gegen 30 Schreibkalender zum Vorschein, in denen Joachim von Ziegler genau Buch geführt hat, u. a. auch über die Arbeiten am Stistsbau. Daraus geht hervor, daß dem Bau drei Pläne zugrunde gelegt sind. Den ersten hotte er im Jahre 1708 vom berühmtesten aller sächsischen Barockarchitekten. dem Dresdner Baumeister Matbäus Daniel Pöppelmann (1662 bis 1736), ein, der den Zwinger und das Japanische Palais in Dr-sden erbaut und Mitbaumeister war an den königlichen Schlössern in Moritzburg, Dresden und Pillnitz, an der Drei- königskirche in Dresden und den Adelsfitzen Pretzsch und Elsterwerda. Joachim von Ziegler ist wählerisch. Der Plan — heute noch im Schloßarchiv vorhanden — behagt ihm nicht. Einen zweiten Plan liefert im' gleichen Jahre der Dresdner Oberlandbaumeister Johann Friedrich Karcher (1650—1726), Augusts des Starken großer Gartenarchitekt, der Schöpfer des Großen Gartens und des Taschenbergpalais in Dresden Auch dieser fand keine Anwendung. Brauchbar erst erschien ihm die im Jahre 1710 fertiggesteltte Planung des kurfürstlich säch sischen Oberlandbaumeisters Christovh Beyer. Sehr wahr scheinlich ist, daß von Zieoler in Beyers Plan Ideen aus den beiden anderen Plänen mit verwoben bat. Denn Joachim von Ziegler war mehr denn bloßer Kunstmäzen. Lr gab nickt nur das Geld -um Bo», sondern war in hervorragendem Maße selbst schaffender Künstler. In der Durchwirkung der drei Pläne liegt seine künstlerische Tat. Dos Werk konnte beginnen. Alle namhafte» Künstler jener Zeit, Baumeister, Bildhauer, Maler und Kunsthand werker jeden Fachs, ries er an seinen Hof. Es muß ein herr liches Schaffe» gewesen sein all die Jahre hindurch, in denen die besten Meister der säckfischen Barock- und Rokokokunst unter sein-r kunstsinnigen Leitung vereint hier Großes wirkten für die Nachwelt. Alles, was Dresden an hervorragenden Künstler» auszuweisen batte, war für ihn tätig. Johann Christoph Knöffel, nach Pöpp-lmann der bedeutendste Vertreter der Dresdner Rokokobaukunst und Schöpfer der beiden alten Dresdner Rathäuser, d-s Brüblschen, Koselschen und Kurländer Palais und des Schlosses Hubertusburg, ist ihm Berater für die Inneneinrichtung Ioackimsteins. Der Dresdner Ratszim» mermeister Georg Bähr, Erbauer der Frauenkirche, steht ihm helfend zur Seite. An Putten und Balustraden. Pilastern und Gesimsen arbeiten die Dresdner Bildhauer Johann Christian Kirckner, Johan» Jakob Rousseau, Johne Jakob Dür und Veickler. An Decken malen Johann Georg Böhme. Johann Christian Buttus, August Flemming, Franz (der Porträtist Auaust« des Starken). Heinrich Knöffel, Krause, Sigismundt, Michorn und Nack. Dor hohen Tapeten stehen Arnold und Mühlberg«. Der Zimmermeister Georg Dünnbier richtet das Dach. Der Gärtner des Dresdner Zwingers, Dabel, legt um da« Schloß den Park An Tor und Türen hämmern die Kunstschlosser Johann Beit Hambrecht und Theodor Kirsch. Kostbare Arbeiten liefert der Juwelier tzeidenreich. Der Zeichner und Maler Johann Jakob Sammhauer, nach dessen Anwei-