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Der sterbende Wald Von Curt Rabe Krieg ist über die Lande gebraust mit Seuchen, Hunger und Not. Das ist schon Jahre her. Dennoch schreitet der Tod über die Berge, da unten, ws sie aus urdeutschem Boden ein fremdes Land gemacht haben, springt tanzend von Kuppe zu Kuppe, von Höhenzug zu Höhenzug und trägt auf dem Rücken die klingende Sense: er will Holz hacken ! Und mit den Baumrecken, die seufzend sich vornüber neigen und sterben, trifft er auch die Menschen: ein starkes, karges, schweigsames Geschlecht, zäh, gebeugt von Arbeit, geknechtet und — einst doch frei! Rot-gelb färbt sich das Laub: ein Blatt nach dem andern flattert zu Boden, kahl starren die Aste gen Himmel, wie drohende Finger, und ein kalter Wind pfeift über die Höhenkämme. Früh däm mert es und wird schnell dunkel: da unten, wo sie das Land ge spalten haben, wo das tschechoslovakische Zollhaus steht, flamint ein Feuer auf. Unter einem überhängenden Felsstück, an die Stämme der Buchen gelehnt, sitzen drei tschechische Legionäre und starren fröstelnd in die Glut. Sie wissen nichts von den Sagen und Märchen, die hier raunen, nichts von den Nixen, Feen und Kobolden, nichts vom Rübezahl: sie sind fremd und frieren in diesem harten, einst deutschen Land. Einer blickt durch das Geäste der Baumkronen hinauf, wo über dem drohenden Felsen die Sterne flimmern. Sie merken nicht, wie es plötzlich raschelt im Laub und wie schattenhafte Gestalten hinter den Bäumen hervor lugen, denn sie haben keine deutschen Märchenaugen, die drei tschechischen Legionäre Kleine Fackeln glühen auf und ein langer, langer Zug bewegt sich über die Grenze. Gebeugt schreiten sie, die eisgrauen Männ lein, wie erdrückt von der Last der Säcke und Kisten, die sie mit sich schleppen. Seit Jahrhunderten haben sie in den deutschen Srenzwäldern gehaust, haben das Land fruchtbar gemacht, Men schen und Vieh geholfen, haben Gold und edles Gestein zusam- mengetrayen. Aber unter fremder Herrschaft vermögen sie nicht zu leben ; sie ziehen herab von den Waldbergen in das deutsche Land, wie ihre Brüder vom Rhein. Ein endloser Zug: Zwerge und Kobolde, gebeugt das Haupt von Sorgen und Kummer. Und all' die Elfen und Feen, die Nixen und Baumgeister, die Wassermännchen und Höhlenzwerge wandern mit ihnen. Dann kommen die Tiere des Märchenwaldes: voraus schreitet ein Hirsch mit mächtigem Geweih: aus seinem Rücken trägt er die Waldfee, deren lange Schleiergewänder wie Nebel wallen. Dann folgen die Rehe und Hasen, die Eichhörnchen und Marder und wieder Zwerge, Immer zu zwei und zwei, eine endlose Schar. Drüben, über der Grenze, wenden sie sich traurig noch einmal um und grüßen ihre Heimat, die sie nun verlassen müssen. Lieber tot, als Sklav'! Lieber wandern und neu aufbauen, als unter fremder Herrschaft leben! Und mit ihnen weicht der Bannsegen, der über dem deutschen Walde lag. Droben, auf ragendem Fels steht Rübezahl, der Herrscher der Berge. Und als der letzte im Zuge vorüber ist, da reckt er dräuend die Arme gen Himmel und spricht einen furcht baren Fluch. Da erhebt sich von ferne ein Brausen und Summen, kommt näher in dichten Wolken, schwirrend und flatternd, ver dunkelt den Himmel und senkt sich auf die Wälder nieder; die nun nicht mehr deutsch sind. Milliarden und Abermilliarden von grauen Faltern, Nonnen. Da geht es wie ein Seufzen durch den Wald, weit über Berg und Tal weht es dumpf und kalt, wie ein Todesfluch: der Wald muß sterben —! Die drei tschechischen Legionäre starren in die Glut und merken von all' dem nichts. Noch einmal blickt Rübezahl über den ster- benden Wald, dann wendet er sich zum Gehen. Und unter seinem wuchtigen Tritt löst sich der überhängende Fels und stürzt pol- ternd zu Tale Als am nächsten Morgen ein Bauer mit seinem Wagen an der Stelle vorbeikommt, findet er unter einem Felsblock drei Soldaten erschlagen. Und rings starrt ihm der Wald braun und kahl ent gegen, geschlagen vom Nonnenfraß. Der deutsche Wald ist nicht mehr deutsch. Die Fremden haben ihn enteignet, die nichts von seinem Wesen und von seinen Mär- chenwundern verstehen. Kein Raunen und Flüstern webt mehr in seinem Blätterdom, unheimlich lastet die Stille. Sagen und Märchen sind verklungen, die Quellen versiegt, das Waldesrau- schen verstummt. Der deutsche Wald weiß nichts von welscher Art ; sein großes Sterben hebt an. Kein Bogel wohnt dort, kein Schmetterling gaukelt über blauen Glockenblumen. Nur ekle Nonnenfalter sitzen an den Stämmen und der Herbstwind heult durch die kahlen Äste. Und eine alte Hexe haust in einer Felsengrotte. Wenn einst der Tag der Freiheit kommt, sagt sie, dann werden die Zwerge wieder einziehen mit ihren uralten Märchen, dann wird Rübe- zahls Fluch weichen und er wird wieder auferstehen und grünen, der deutsche Wald. Aber wann das ist, das weiß sie auch nicht zu sagen. Nur einmal — einmal wird es bestimmt sein! Einsamkeit Scklag deine fingen in dick selbst kinein, Dann wirst du stillen Friedens reicksr sein, flls wenn dein Blick den Hand der grasten Welt Mit durst'gen Zügen test umkangen kält. einsam ist köckster Süter WunLerreick, Im Strom der Masse trübt es sick sogleick; In Mieten nur fließt reinsten Stückes Strom, Und Sott baut in der Stills seinen vom. ver Menscben Spuren braucbst du nickt zu kliekn, Vock deine kreise kannst du enger ziekn. Sib einem Serzen, Los dein Seknen fand, Sastkrok in deinem bald sein Vaterland! Vock kalte dir in deiner tiefsten IZrust Sin stilles Sckcken, wo es dir bewußt, vast aller Kamps, der deiner Seele nakt, Ms Ziel «in kriedevolles Ende Kat. Sin Mtentsil, wo selig du erkannt, vast tiefstes Slllck mit Einsamkeit verwandt, Und wo, wenn deiner Sage letzte §rist, vir deines Lottes Beistand nake ist. Selene löelbig-Sränkner. Duchbejprechungen Dee Pönfall der SechsstSdte. Ein geschichtliches Heimatspiel zur 700 - Iahrfeier der Stadt Löbau. Don R. Plesky, Löbau. Im Selbstverlag. Eine Gelegenheitsdichtung, aber eine, die nicht nur für den Tag des Festes und die feiernde Stadt Sinn und Wert hat. Eie fußt auf genauen Studien der Geschichte: wer wissenschaftliche Dar. stellungen der Vergangenheit der Sechsstädte liest, wird gleicht fest stellen können, daß dem Verfasser des Spiels die historische Wahr- Helt oberstes Gesetz war. Die sonst in Gelcgenheitsdichtungcn üb liche künstliche Begeisterungsmache ist ganz vermieden, Keuschheit und Ernst zeichnen das Stück aus. Und die Bedeutung des Gegen standes: Der Pönfall ist das folgenschwerste Unglück, das die Sechs städte betroffen hat. Not und Demütigung, die er brachte, sehen dem heutigen traurigen Schicksal des deutschen Volkes so ähnlich, daß die Vergangenheit zum Gleichnis für die Gegenwart wird. Möchte das auch gelten von dem Schluß des Stückes. „So sind wir Sklaven nur und keine freien Bürger mehr!" „Seid ihr nicht Deutsche und wolltet bang verzagen? Der fremde Wille mag uns drücken eine Zeit, er kann uns doch nicht brechen." Der Bürger- meister: „Nun. gute Freunde, ein jeder möge mit Amt und Arbeit helfen in der Not. Und jeder Handgriff, jeder Hammerschlag und Federzug wird mit an unserer Zukunft bauen. Wer jetzt mit Helsen will, muß hohen Mutes sein, voll Hoffnung auch, daß uns aus Dunkelheit ein lichter Tag herüberschimmert!" Ein Stück von ge schichtlicher Treue, das zugleich ein Licht wirft auf unser heutiges Geschick und durch Vorführung besonnener, männlicher Gestalten ausrichtend wirkt, sei das Pleskyschc Werk allgemein empfohlen, besonders aber den übrigen Sechsstädtern, deren Vorfahren unter demselben Pönfall litten! 0. 3.