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welche großartige Betriebsamkeit und welch zäher Wille hat auch die volksreichen Reihen dieser Fabrikdörfer geschaffen. Und nun der Blick auf Zittau. Du reiche Stadt! Die schmuckvollen Baum reihen der Landstraßen senken sich langsam in sanftem Gefälle in deinen fruchtbaren Talkessel hinunter und von drinnen aus zeigt mancher Bürger stolz dem Freund die blauen Bergketten und freut sich mit ihm ihrer wuchtigen, rythmischen Wellenlinien. Und von unsrer luftigen Lauschewarte aus liegst du Stadt ehr- samen Biirgerfleißes wie eine wohlgerundete kostbare Perle im grünen Mantel deiner Gärten und Wälder. Im Geiste sehen wir deine Bewaffneten im Tale auf dem Marsche, um die Vögel auf der räuberischen Trutzfeste Tollenstein auszunehmen. Wieviel Kriegsgetümmel, aber auch friedlichen Kausmannsverkehr trugen die Straßen, die von hier oben gesehen wie ein Spinnetz über das Grün gespannt sind. Wanderst du auf ihnen durch die gesegneten Fluren da unten, dein Blick im goldigen Abendlicht wie gebannt von dem Rosenrot, Violett oder Purpur der Berge, so wird dein Auge sicher auch einmal gefangen werden von einem glatten Steinchen, aufglühend im Prachtglanz des sterbenden Tagesgestirns. Ein Feuersteinchen aus dem eisigen Norden. Der Nordwind trägt ein Geraffel heran, das ist der Zittauer Zug. Wie weit wir Menschen es gebracht haben. Aber der Nordwind lacht, wieviel Kulturen hat er seit jener Zeit blühen und welken sehen. Alles Menschenwerk wurde von Menschen überwunden. Und einmal bringt der Nord sein Eis wieder und die Polarnacht, und halbwilde Menschen Klopfen sich hier mühsam wieder Lanzenspitzen und Beile aus unsrem glitzernden Flintensteinchen. Das Leben blüht da unten und auf dem Berge, der Würger Tod lauert aber hier auf luftiger Höhe ebenso wie im Tale. Wendest du den Blick von unsrem Gipfel nach Süden zu, dann staunst du ob der waldigen Bergmaffen, der Hochwald winkt von unten herauf, in erhabener Höhe grüßt die Nadel des Feschken, die den mächtigen steilen Schieferberg krönt. Den gewaltigsten Eindruck von der Macht schaffender und zerstörender Naturkräfte aber schenkt dir die Vergangenheit dieser bunt zusammengepreßten Gebirgszüge. So großartig sie jetzt schon wirken, denke dir über sie von Flanke zu Flanke einen gewaltigen Lustbogen gespannt, dann hast du den Kamm des Urgebirges und kannst die gewaltige Zerstörungskraft des Regens, von Hitze und Kälte, die felsen sprengende Wirkung der Wurzeln, die auflösende Kraft chemischer Bodengewässer und andrer Naturelemente verstehen und dir auch ein deutliches Bild von der gewaltigen Zeitspanne ihrer Wirkung entwerfen. Ihre Schuttmassen führte das Wasser zu Tal. Selten wird es dir vergönnt sein, über die Berge hinaus die Wand des Isergebirges zu schauen oder gar die Riesengebirgsmauer. Nichts schöneres habe ich auf all meinen Wanderungen in Deutschland gesehen als diesen Blick von dem Tannenberg aus. Dieser Berg hat zwar nach der Lausche hin geringe Aussicht, aber sonst über trifft er mit dem Ausblick auf die sächsisch-böhmische Schweiz, auf die oberlausitzer Höhen und die böhmischen Gebirge unsereLausche völlig. Um die verfallene Ruine Tollenstein goldbraune Getreide flächen, weiter unten das bunte Dächer- und Rauchgewirr der Fabrikorte und über allem dunkle Waldmauern. Lang hingestreckt in blauer Ferne darüber die Isergebirgswand, bis zu oberst die blinkenden Höhen des Riesengebirges in den leuchtenden Herbst himmel sich strecken. Am ergreifendsten ist der Lauscheausblick unstreitig in das herr liche Böhmen hinab, in das anmutige, fruchtbare Nachbarland mit seinen kühnen, trotzigen Quellkuppen. Und wieder und wieder umfaßt unser Auge liebevoll die edlen, scharfgeprägten Formen des Rolls und des Kleitz. All die andren prächtigen Waldhöhen unterbrechen reizvoll das reichbebaute Land, schicken ihre Schatten in die weltabgeschiedenen Gebirgstäler, denen der Reiz der Ur sprünglichkeit wenig verloren gegsngen ist. Sie alle geben der Landschaft einen wildbewegten, unruhigen Charakter. Sie sind gleichsam die landschaftliche Ausprägung einer lebhaften, musika lischen Melodie, sie sind der erstarrte Nachklang eines wilden Liedes, das einst die Natur gesungen hat, denn alle Kuppen ent stammen dem geheimnisvollen Schoße der Erde und erschütterten einst in gluttosendem Feuerausbruch die still schlummernde Natur» Jetzt spendet ihnen die Lichtmaffe, die sich von oben her auf sie ergießt, die fruchtbare Wärme, ohne sie wären sie alte, harte, kahle Gesellen. Wie lieblich lacht uns jetzt dieser Zauberkreis der Sonne entgegen, wie dankbar und sehnsüchtig strecken die Erdgeschöpfe,, die Pflanzen, ihre Arme dem Lichtquell entgegen! Wendest du dein Auge von dem Gewirr dieser erloschenen Vul kane ab, reißt dich los von der bestrickenden Ferne, in der die wohlgeformten Kegelkuppen im silbrigenSchimmer verschwimmen- und wendest deine Blicke nach Nordwest zu, so sättigt sich dein Gemüt in der ruhevollen Stimmung der dunklen Hochwald massen, die das Kammgebirge bis zum Tannenberg und Rosen berg hin trägt. Dahinter leuchtet die Sarggestalt des hohen Schnee berges auf. Schweigsame Gefilde mächtiger Fichtenwälder, in denen der rauhe Höhenwind sein heisres Lied heult, durch die ost Wolkenfahnen schleierhaft wie Geisterspuk ziehen. Hier hörst du im Frühlingsbrausen, in Winterstürmen Wotans wilde Heeres- sahrt, hier zaubert die gute Natur kristallenen Rauhreifschmuck ohnesgleichen. Und über die stillen Fichtenhäupler trägt der Harzig dustende Wind Sehnsucht ins Herz, eine stille Weihe, sich mit der Einsamkeit der Höhen ganz eins zu fühlen. Hier bist du entrückt irdischer Schwere und beneidest, wunschlos, in reiner Vergessen heit nur den Vogel, der im klaren Äther seine Kreise über dir zieht. Wie alle Geschöpfe ringsum nach Licht schreien, sich empor recken nach dem Urquell des Lebens, so fliegt auch dein Geist über die irdischen Gefilde seiner ewigen Heimat zu. — Tief ergriffen von deiner Gottesnähe hast du für das köstliche Bild, das sich nordwärts entrollt, nur noch ein geschwächtes Inter esse. Und doch ist auch diese Landschaft der Kreibitzer Teiche und des Wolfsberges von edler Schönheit. Sie ist der Ausdruck bräut lichstiller landschaftlicher Genügsamkeit. So schließt sich der Gesichtskreis zu einem typischen Gemälde- der deutschen, vielgestaltigen Mittelgebirgswelt. Wie eine hohe blaue Mauer erhob sich am Morgen das Gebirge vor uns, wie von den Zinnen eines Walles blicken wir hinüber- auf die Granithochflächen. Und es ist noch garnicht soweit zurück in der Erdgeschichte, daß diese wuchtigen Gebirgskämme mit ihren- vulkanischen Eckpfeilern an ihrem Ostfuße einen mächtigen, zähen- Feind nagen fühlten. Die eisgepanzerte Faust des kalten Nordens,, die Zungen des norddeutschen Gletschereises hatten alle Hemm- niffe im ruhigen Gleichschritt beiseite geschoben, zermalmt, aber hier brachen ihre Riesenkräfte, und die hochgereckte Gestalt der i trotzigen Lausche samt ihren Berggenoffen stellte sich vor das ! charaktervolle böhmische Ländchen. Sonst wäre manches schöne Tal da drüben auch ausgescheuert oder mit Schutt ungefüllt, mancher Berg seiner markanten, edlen Profillinien beraubt. Und blickst du dem Löbauer Berg recht ins Antlitz: trotzdem er sieg reich über die unheimlich schleichende Eiswüste herausragte, seine Flanken zeigen heute noch deutlich den Knick, die Schliffkehlc,. bis zu welcher Höhe das Eis seine scheuernde Wirkung ausübew konnte. Wir aber sind mit unsrer Lausche stolz auf ihre ruhmvolle Ver gangenheit! Höher ist die Sonne geklommen und kürzere Schatten werfen die Fichten just hinunter in den Kühlen Waldtempel, in dem uns- eine berauschende Farbensymphonie detz Grünen aufgespielt wird. Vom goldigsten Hellgrün zum dunkelblauen Satton, erregt stein dir eine andächtig genießende Stimmung, umkleidet sie deine Seele mit einem Feiertagszauber. Das Waldesschweigen ist deine Predigt. Wäre ich Tondichter, könnte ich alle Gefühle in gute Töne bannen, hält' ich eine Palette, könnte ich den Farbenreich tum schildern, und nähm' ich all meine beseligende Freude aus dem Herzen und gösse sie in Verse —, ach all das wär wie diese meine Zeilen doch nur ein schwacher Abglanz der wahren tiefen Gefühle. Denn wo Gefühl, tiesinnerliches Erleben alles ist, da ist eine Wiedergabe nur Machwerk, da muß das Herz dann den Ein flüsterungen des Geistes unterliegen. Drum beim Schreiben dieser Zeilen überkommt mich die Unzufriedenheit: es kann nur blaffe Halbheit, nur Machwerk entstehen, und nur der wird einsichts voller mein Wagnis beurteilen, der meinem Rat folgt und selbst