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waren sorgsam darauf bedacht, das drohende Unheil von ihrem Lande fern zu halten. So finden wir in unserm Rats archiv eine große Menge von Verordnungen, in welchen den Städten strengste Wachsamkeit und Vorsicht gegenüber ein wandernden Fremden anbefohlen werden. Als im Jahre 16 79 die Pest „sowohl in alß vor der Stadt Wien über 90000 Opfer" gefordert hatte, „ist am 19. Noo. auff Lhurfürstl. Gnädigste Verordnung nach allen Predigten und in allen Veth Stunden bis auff fernere Ver fügung ein gebeth abzulesen angefangen worden, um Gott dem Allmechtigen mit wahrer Buße bei) Zeiten in seine Zorn Ruthe zu fallen." Trotz aller Vorsichtsmaßregeln rückte aber die schreckliche Gefahr immer näher. „Anno 1680 den 10. April ist Zittau zum andern mahl gesperret und nicht das geringste eingelassen worden wegen der in Böhmen eingerissenen Pest und Sterbens gefahr. Den 14. Juni hat die Pest in Camenz gar grausam anfangen zu graßircn und sind dort in 21 Wochen 1200 Personen in der Stadt und 300 auffm Lande gestorben, worunter 203 Wirthe, 2 Pestbarbir und Bader, 4 Raths personen, 3 Schul Collegen, 17 Todtengräber und 9 Zu träger." Obgleich Löbau zwei Fahre vorher durch einen Brand von nahezu 100 Häusern selbst in ziemliche Not gekommen war, so wurde doch eine allgemeine Sammlung für die not leidende Schwesterstadt unternommen, wovon sich die Gaben listen noch im Ratsarchio befinden. Ain 1. September konnten auf 6 Wagen 1070 Stück Brot, 8 „fäßel und 4 töpschen" Butter, 1^4 Scheffel Salz und eine hübsche Summe Bargeld nebst einem herzlichen Begleitschreiben abgeschickt werden, wofür sich die Camenzer in einem rührenden Briefe bedankten. Aber auch Löbau selbst hatte unter der Seuche zu leiden. Bereits Mitte Juli war es „der Contugion halber in ein übles Geschrey" gekommen, als ein junger Mann plötzlich krank geworden und gestorben war. „Man hat aber, Gott sey Dank, an seinem leibe nicht das geringste gesehen und ist oerhoffcntlich an keiner gefährlichen Krankheit gestorben. Nach seinem Tode haben die benachbarten Edelleute den Ihrigen geboten, die Stad zu meiden, sonderlich hat der von Rabenau auff Lauba Schildwachten bestellet, die auff seine Unterthanen acht geben sollten, daß sie nicht in die Stad gehen mögen. Den 7. Aug. sind die sondcrbahren Beth- stunden umb 12 Uhr angefangen worden, daß Gott der Herr die im Lande hin und her eingerißne Pestgefahr in gnaden abwenden wolle. Am 12. Ang. sind auff Lhurfürstl. Ver ordnung Schlagbäume vor den eußersten Thoren gemacht und mit Wachten bestellet worden. Den 20. Äug. ist Christian Näumann zum Pestilenz Barbier angenom men und bestellet worden und nachdem Er auff E.E. Raths Verordnung Andreas Seidemanns leute besichtiget, hat Er rechte natürliche Pestflecken an Ihnen befunden, hat er in des Ziegelstreichers Hauß zu Tieffsdorff ziehen müssen, hat wöchentlich zwey Thlr bekommen." Zur gleichen Zeit sind „auffm Rathhause vor der Raths stuben in gegenwart des Notarii und etlicher zugleich aus der Rathstube abgefertigter Zunfft Eltesten als Todten- trüg er cörperlich vereydet worden Martin Wunder, Hauß George Vogel, George Spielman und Hanß Schneider." Sie wollen „dieVerstorbenen nicht 8poiir6n und berauben, mit Ihnen keine Parthiererey treiben, die in Ohnmacht liegenden oder schlaffenden, gleich wehren sie verstorben, nicht wegnehmen und aus den Häusern schleppen, alle öffentliche Gemeinschafft mit den leuten meiden und auch des Bollsaufens sich gänzlich enthalten." Bon diesen 4 Trägern hatte jeder wöchentlich 1 Taler. Schon in der folgenden Nacht mußten sie ihr gefahrvolles Amt antreten. Nachdem bereits am 6. August die älteste Enkelin des Gastwirts Andreas Seide mann (siehe oben bei Pest-Barbier!) im Schackenthal (jetzt „Stadt Dresden", Außere Zittauer Straße) früh tot im Bette gefunden worden war, starb am 19. August die alte Schacken- thälerin und „ist die folgende Nacht durch die verordneten TodtenträgerzuGrabe getragen und beerdiget worden". Ihre Leichenfeier am nächsten Tage in der Kirche muß unterbleiben, weil inzwischen auch ein Enkelkind plötzlich gestorben ist. Ihr Sohn, der seit kurzer Zeit in seinem nach dem großen Brande neuaufgebauten Hause auf der Hintergasse wohnt, muß nun hinaus aus der Stadt in den Schackenthal ziehen. Am selben Tage bekommt dort sein Weib ein Söhnlein, keine Hebamme wagt sich hinzu, eine andere Frau steht ihr bei und wird zu Gevatter gebeten, weil die andern absagen. Zu Mittag stirbt der Vater und das andere Kind, gegen 5 Uhr das neugeborene Kind und die Mutter; also in zwei Tagen sechs Personen aus einem Hause! Und das ist nur ein Fall von vielen! Die verdächtigen Personen wurden nun sofort aus der Stadt gebracht, „derowegen ließ E. E. Rath ausStadväter- licher Vorsorge auff die Schießwiese ein Hauß bauen und diejenigen, so mit dem Übel behafftet, darein schaffen. In gleichen ließ Herr Christofs Näumann, Chirurgius, seinein Schwager dergleichen Häußgen ein wenig Hinaufwerts bauen, wie auch sonsten auff gedachter Wiesen andere Hütten mehr auffgerichtet worden." Nach diesen Vorsichtsmaßregeln „hat die ContuZion eine ziemliche Zeit innegehalten, daß auch Jedermann vermeinet, es würde nun nichts mehr besorgliches zu spüren segn, aber ach leider, es fand sich bald wieder ein neues schrecken, in dein MichaelNeumann,Leinwandhändler vorm Zittauischen Thore nechst dem Schackenthal wohnend (welcher wegen seyner Schachere») alle Winkel durchkrochen) am 26. Sept, nachts eines jähligen unverhofften Todes ver storben, welches noch mehr verqrössert wurde, indem seine Hauß Wirthin und Frau zum fenster hinaus geschrien, von den Nachbarn allerseits gutte Nacht genommen, sich den Sterbe Kittel selbst angezogen und also des dritten Tages darauff verstorben." Bald darauf mußte auch ein anderer Leinwandhändler, der die Wohnungen von Angesteckten ausgeplündert hatte, seine Habgier mit dem Tode büßen. Während vor dem Zittauer Tore noch eine ganze Anzahl Sterbefälle vorkamen, schien die innere Stadt diesmal von der Seuche verschont zu bleiben. Jedoch versetzte auch hier bald ein eigenartiger Vorfall die Leute in höchste Aufregung. „Am 31. Okt. ist Frau Iustina Obstin, welche bey ihrem bruder Michael Muzschingen etliche Tage unpaß gewesen, Er aber auff erfordern der Obrigkeit standhaftig geleugnet, daß sie waß böses an sich habe, es wäre ihre alte Krankheit, hat auch vor Sie mit seinem Haab, Gutt und Blute stehen wollen, mit welcher Vermessenheit die Obrigkeit es endlich bewenden lassen. Ist aber noch selben Tag zum Regie- renden Herrn Bürgermeister Zacharias Limmern kommen und gedeihen, man wolle Sie doch hinaus schaffen. Ist da rauff gegen 1 Uhr durch ihre Schwester zum Thore hinaus- geführet worden, und alß Sie vor Müdigkeit ein wenig ruhen wollen, an Ratzes Zaume darnieder gesunken und auff der Gassen gestorben. Worauff das Geschrey so gros worden, daß der Rath das Zittauische Thor hat müssen schliessen lassen.