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HberlaufltzerHslmatzelLmrg Är. 18 166 Zahl von Glockeninschriften macht uns mit solchen und ähnlichen Zwecken, denen die „Nachbarinnen des Donners" dienen sollten, vertraut. Auf dieselbe Weise werden wir mit Namen und Amt von Männern bekannt, die zur Zeit der Anschaffung von Glocken in der Gemeinde ein gewich tiges Wort zu sprechen hatten. Auch Gönner der Kirche, mildtätige Stifter, hohe Schutzherren usw. werden genannt. Solche Namensaufzählungen haben jedoch recht geringen Wert und sind, nicht ganz mit Unrecht, schon oft gegeißelt worden. Bon größerer Bedeutung sind dagegen Inschriften, die sich auf Ereignisse von heimatkundlicher oder gar welt geschichtlicher Bedeutung beziehen. Sie bilden zum Teil sehr wertvolle Fundgruben für den Altertumsforscher. Nicht zu vergessen find die Abbildungen, welche Begeben heiten aus biblischer, kirchlicher oder profaner Geschichte darstellen. In seinem weitaus größten Teile hat der graphische Glockenschmuck religiöse Gedanken zum Vorwurf, sodaß gerade die Glocken uns mit Glauben und Aberglauben unserer Vorfahren bekanntmachen. Auch in Bezug auf die Form sind Inschriften und bild liche Darstellungen, ja sogar der ganze Glockenkörper selbst, der Beachtung wert. Sie machen uns mit künstlerischen Anschauungen und künstlerischem Empfinden sowohl des Volü'.s, als auch der Glockengießer früherer Zeiten bekannt. Soll sich das Glockenwesen weiter aufwärts entwickeln, so ist dies nur möglich, wenn jedes Geläute seinen Zweck möglichst vollkommen erfüllt: In erster Linie ist musikalische Schönheit zu erzielen; daneben soll das Geläute jedoch auch ein Denkmal sein, das den Nachkommen von heutigen wichtigen Ereignissen, religiösen, heimatlichen und künstle rischen Zuständen berichtet. 1. Der musikalische Wert eines Geläutes besteht nicht nur darin, daß jede einzelne Glocke für sich einen „reinen" Ton erzeugt, sondern vor allem müssen die Glocken zueinander gut abgestimmt sein. Rein ist der Glockenton dann, wenn dissonierende Nebentöne so schwach sind, daß sie den Hauptton nicht stören; dies ist dann der Fall, wenn sie ein musikalisches Ohr nur vernimmt, nachdem die Auf merksamkeit ganz besonders auf sie eingestellt ist. Sämtliche Nebentöne bewirken den besonderen Klangcharakter, die Klangfarbe der Glocken. Wie in einem Orchester, so kann auch im Chor der Glocken durch verschiedene Klangfarben der Einzelinstrumente gute Wirkung erzielt werden. Die Zusammenstellung mehrerer Glocken zu einem Geläute kann in der Weise erfolgen, daß die Töne entweder einen Akkord oder einen Teil einer diatonischen Tonleiter ergeben. Demgemäß unterscheidet man harmonische und melodische Geläute. Erstere sind in unserer Lausitz fast ausschließlich vorhanden; dagegen sind die durch ihre Klangschönheit weithin berühmten Geläute des Rheinlandes fast durchweg melodisch. Besteht das Geläute aus harmonischen und melodischen Elementen, so bezeichnet man es als ein ge mischtes. Einige Glockenkundige sprechen aus verschiedenen Gründen den harmonischen Geläuten die Daseinsberechti gung ab, andere z.T. aus denselben Gründen den melodischen. Beide Richtungen lassen dagegen gemischte Geläute gelten, vielleicht der beste Beweis dafür, daß die erwähnten Gründe samt ihren Gegengrllnden recht wenig stichhaltig sind. In Deutschland dürfte die Zahl der melodischen Geläute die der harmonischen überragen. Gemeinden, die melodische Geläute besitzen, sind mit ihnen sehr zufrieden. Die Vorliebe, die wir in Sachsen den harmonischen Geläuten entgegen bringen, beruht sicher zu einem guten Teile auf Vorurteilen und Gewöhnung. Es besteht kein vernünftiger Grund, sich gegen melodische Geläute abweisend zu verhalten. Da sie zu einer Bereicherung des akustischen Landschafts bildes sehr viel beisteuern, wäre zu wünschen, daß auch in unserm engeren Baterlaude mehr Gemeinden als bisher sich zur Anschaffung von melodischen und gemischten Ge läuten entschließen. Idealzustand wäre die ziemlich gleich mäßige Verteilung der drei Geläutearten über das ganze Land. Nicht nur in Städten, sondern auch dort, wo die Kirch dörfer nahe beieinander liegen, greifen die Klangbereiche ineinander über; in hört man das Geläute von 8 und umgekehrt. Auch mehr als zwei Geläute können gleichzeitig gehört werden. Alle die Geläute, deren Klang gleichzeitig in einem Punkte gehört wird, wollen wir als ein Spiel bezeichnen. Solcher Spiele gibts innerhalb der grünweißen Grenzpfähle dank der dichten Besiedelung in größerer Zahl als anderwärts. Nur schade, daß ihr Vorhandensein bisher recht herzlich wenig beachtet wurde. Eben durch die Bezeich nung „Spiel" wollen wir darauf Hinweisen, daß die zu gehörigen Geläute genau so zueinander abgestimmt werden müssen, wie die Musikinstrumente eines Orchesters. Wenn die zu einem Spiele gehörenden Gemeinden die Stimmungen der Geläute einander anpassen, so geben sie hiermit durchaus nichts von ihrer Selbständigkeit auf. Ohne diese Rücksichtnahme können sie nicht nur den Wert des eigenen Geläutes, sondern auch den der Nachbargemeinde ganz gewaltig herabmindern. Sind zwei zu einem Spiel gehörige Geläute in v und Ls gestimmt, so entsteht bei gleichzeitigem Erklingen ein Wirrwarr von Tönen, der nur eine unangenehme, den Landschaftswert herabsetzende Wir kung haben kann, gleichviel, ob es sich dabei um harmonische, melodische oder gemischte Stimmung handelt. Gehören zu einem Spiele drei Geläute der Stimmung LOL, 8 6^, 860, so hört man beim gleichzeitigen Erklingen ein melodisches Geläute von reicher tonischer Mannigfaltigkeit. Wird ein Spiel von mehreren harmoni schen, gegenseitig abgestimmten Geläuten gebildet, so bedeutet dies mehr eine rhythmische, als eine Klangbereicherung. Da diese rhythmische Bereicherung auch im vorigen Beispiel vorhanden ist, empfiehlt sich, zur Erzielung einer Bereiche rung der Landschaft in den zu einem Spiel gehörigen Ge meinden nicht nur harmonische Geläute anzuschaffen. Wenn der Tonumfang aller Geläute des Spieles eine Oktave nicht bedeutend überschreitet, läßt man zweckmäßig die große Septime weg. Durch Beachtung dieser Grundsätze wird die Zukunft den Heimatwert unserer Geläute be deutend heben können. 2. Der Denkmalswert der Glocken wurde früher überschätzt. Wenn es wahr ist, daß Kunstanschauungen Pendelgesetzen folgen, so müssen wir schließen, daß die neuere Richtung, die in der Glocke lediglich ein Musik instrument erblicken will, was, wie oben erwähnt, durchaus nicht der Wirklichkeit entspricht, den Denkmalswert zu Un recht unterschätzt. Soviel ist richtig, daß die Glocke in erster Linie musikalischen, dagegen erst in zweiter anderen künst lerischen Zwecken dient. Widerstreiten beide einander, dann haben letztere hinter ersteren zurückzutreten. Solche Gegen sätzlichkeiten kommen durchaus nicht selten vor. Es muß zugegeben werden, daß die Form mancher Rippe recht wenig künstlerisch ist. Wollte ein Plastiker eine nach