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Nr. 14 Gberlauflher Helmatzeitung 157 flecke des Talgrundes vor Meffersdorf, Bolkersdorf und Schwarz dach nun hinter uns gerückt: denn unsere Bahn lenkt auf das obere Gcbhardsdorf zu. Beim Abwärtsschreiten denken wir an unsere letzte Klingenrandfahrt zurück. Es war am 23. Juni vor vorige» Jahres. Wie alljährlich, loderten auch an diesem Tage allenthalben auf den Hängen und Hügelhöhen unseres Gebirges die abendlichen Iohannisfeuer auf. Und mit unzähligen Glut augen flammten uns die Lichtsehnsucht und die Freude am goldendcn Brand schönheitsseliger siegender Sommerkraft aus den heimatliche» stillen Wald- und Ilurwinkeln entgegen. Ja, man entfacht hierzulande im Dienste guten, alten Brauches noch immer die poesievollcn Iohannisbrändc, so wie jenseits, im böh mischen Isergebirge, zwei Abende vorher die Sonnwendfeuer. Indem wir Gebhardsdorf — das mit seinen: gleichfalls hoch gestellten, hellgrauen Kirchlein und seinen beiden Schornsteinen lange zu uns hinaufgrüßte — naherücken, erblaßt mählich das Antlitz des sonnigen Spätnachmittags. Aber trotz der weiten Felder, die uns umbrciten, ist es nicht einsam auf der Flur. Deutlich klingen die Stimmen unermüdlicher Ackerleute von den oberen Hügelgevierten her an unser Ohr. Und noch immer perlen die Sommersänge steigender Lerchen durch die warme Luft. Unten aus feuchten Wiesen aber, dort, wo der Feldpfad bald in die Straße mündet, läßt schon ein Wachtelkönig seinen Schnarr rus vernehmen. Und jetzt biegen wir in das obere Dorf hinein, am Uechtritzschen Gutspark vorüber. Er erscheint nicht gar groß, aber ehrwürdig: denn seit uralter Zeit ist das Geschlecht der Uechtritz in Gebhards- darf eingesessen. Den Abschluß der ähnlich wie Schwert« ge betteten Neihensiedlung bildet das Dörfchen Augustthal. Der sich dort oben aus freiem Felde trutzig lagernde Riedstein lockt uns hindurch. Der mächtige Stein, ein Eremit, der in der Eiszeit hier landete und von dem wir wieder tief in das schlesische Iser gebirge hineintauchen können, erinnert durch seine verstümmelte Bezeichnung an den Familiennamen Riedel. Sein bei den Ein heimischen geltender Name Blaustein erklärt sich aus der Färbung der basaltischen Masse. Leider hat Unvernunft lange an dem schutzwürdigen Naturdenkmal genagt, sodaß cs jetzt wie ein aus gehöhlter Zahn dasteht. Ein Hauptteil der Zyklopenmasse sand zu Straßenbautcn Verwendung. — Beim Gasthause zum Ried stein treten wir wieder ins Häusergehege. Und flott springt die Dorfftraße mit uns abwärts. Beim Baumertgut machen wir noch einen Abstecher nach dem Einsamen Bavin. Auf einem Brachlandhang oben im Kornselde hält er kühne Wacht: eine zähe Lärche, die ihren viel umbrausten und umwetterten Stamm etwa 20 Meter hoch in die Tummelbahn der Stürme emporreckt. Felstrümmer unter ihm künden seine Trutzart. Und ein Strauch- gewucher von Eichen, Ebereschen und Kirschen, um die Johannis- Kräuter und Giockenblümlein den Grund tuschen, ist seine niedere, einzige Gesellschaft. Wenn in sturmwilden Frühjahrs- und Herbst tagen düster Hangende Wolken über ihm dahinfegen, hebt sich der gegabelte Stamm noch trutziger in den Grauhimmel. Nicht weit von ihm, auf einer Randplattung der schmalen Dorssenke, thront das Gebhardsdorser Gotteshäuschen. Bon der Straße her leitet der ansteigende Pfad am Kirchkretscham vorüber. Bon weit her kamen, wie in den meisten Kirchdörfern, die Gottespilger. Und darum setzte man hier, wie vielerorts, das Gasthaus briider- lich neben die Beterstätte. Eine graue, verwetterte Mauer schließt den Kirchhof mit seinem Gotteshäuse gegen die untere Dorfwelt ab. Der Kirchbau ist nicht mehr jung. Und doch soll schon vor ihm ein Kirchlein an seiner Stelle gestanden haben. Die Chronik weiß von seiner Zerstörung durch die Hussiten im Jahre 1431. Unwahrscheinlich mutet die Kunde an, daß der Ablaßkrämer Johann Tetzel, der durch die Luthergeschichte besondere Berühmt heit erlangte, den Neubau des Gebhardsdorser Gotteshauses er möglichte. Er soll, wie die Sage weiß, während der Zeit blühen den Ablaßhandels mit seinem Gehilfen Jacobus in die Gebhards- dorfer Gegend gekommen sein, im Dorfe gewohnt und den armen Gebhardsdorsern einen guten Teil seines reichen Gewinnes zwecks Wiederherstellung der damals noch wüst liegenden kleinen Kirche gespendet haben. Gcbhardsdorf selbst wurde wohl durch Laubaner Bürger, die vor den Hussiten flüchteten, vergrößert- Eine halbe Stunde weit zieht sich das Dors, auf Friedebcrg zu, hin. Die beiden unten liegenden und mit ihren Schornsteinweisern sich kenntlich machenden Fabriken von Winkler und Merfeld, die Leinen- und Baumwollwaren verfertigen, prägen dem Orte neben seinem Landwirtschaftszeichen den Stempel der Industrie auf. Und ganz anders als in Schwerta, mit dem Gebhardsdorf in seiner Lagerung verwandt ist, hat sich hier das architektonische Bild entwickelt. Alles in seinem Wesen mutet nüchterner, prak tischer an und kündet offensichtlich den Zug nach einem Stadt zentrum. Gegenüber dem „Konsum" zweigt der Weg nach Neu-Gebhards- dors ab. Ihm folgen wir, um oberhalb dieses Dörfchens zuletzt Neu-Scheibe zu durchstreifen und uns an der abseitigen, friedlichen SchlichtheitundLicblichkeitvonAlt-Schcibe und Heidezu erfreuen. Wie traulich erscheinen doch die beiden Hütten, die am Eingänge von Scheibe unfern vorzeitsuchenden Blick gefangennehmen. Alt, vcrwettert, schwarzgrau, strohgedeckt! Und Holunderbiische — die typischen Verschönerer vernachlässigter Bauernwinkcl, die still und bescheiden schmückenden Strauchmüttcrchen, die auch aus Schutt und Stein die Luft ihres warmen, vollen Grüns und ihrer weißgelben Blütenteller zaubern und vornehmlich die Stätten der Dürftigkeit Kränzen — kuschelnd dabei Lange noch bleibt beim Weitcrschreiten dies Bild der Armutschönheit in unsere Seele gebannt. Dann Alt-Scheibe seitlich wie in Hainruhe! Die zahlreichen Bäume und Büsche der Hansgärten, Hütten fronten und Wege wirken so parkhaft aus der Entfernung Vom Kretscham Neu-Scheibe aus wird unser Weg schwer nachspürbar. An den großen Gutsweiden, in deren Zäunungen die schwarzweitzen Rinder sommers auch übernächtigen, windet er sich entlang. Ein Stück Niedersachsenland lebt in dieser Tiefland- ecke vor uns aus. Dann tauchen wir in den liefen Abendschatten der berühmten Schwarzen Allee, einer Verewigung der Flurkunst Wolf Adolf von Gcrsdorfs, die dem Mesfersdorfer Gutshof zu-» säumt. Kein Naturfreund sollte die Gegend nach entdeckungs froher Sommerstreife verlassen, ohne diesen selten schönen Hallen gang gewandelt zu sein. Namentlich in hitzebrütenden Mittags stunden blauer, sonneverströmender Hochsommertage lernt er den überwältigenden Reiz schätzen, den seine uralten Eichen, Buchen, Ahorne, Kastanien, Linden und Ebereschen in hohen, oft inein- andergezweigten Wölbungen mit ihrer kühlenden Schatten- dämmerung entfalten. Und sinnend über der patriarchalischen Schönheit alter Güterbereiche schlendert er durch den kinder- durchlärmten Hohenloheschen Gutshof und nochmals unter ur- alten, hoch sich kuppelnden Baumriesen in die Mesfersdorfer Ortsstraße hinein. Sommer Non Anna Dir Las) deine Dosen welken nicht am Stamme, Nein, pflücke sie, sobald sie voll erblüht, Das) wiederum wie eins Dpfsrslamme Erneute Purpurpracht zum Himmel glüht. And was dein Herz im Dulden und Genießen An wunderbaren Lebsnsblumen treibt, Das wolle nicht im Dusen streng verschließen, , Damit es dir allein zu eigen bleibt. Nein, laß von deinen Dosen freudig pflücken Die Hand der Treue, die voll Segnung ist, Daß du zu Dank und innigem Entzücken Mit stetem Dlühen, Herz, begnadet bist.