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8000 noch heute. Es ist ein Wunder vor unfern Augen, bah diese kleine Kirche ihr Werk hat betreiben können. Gott hat uns die Männer und auch eine tüchtige Geschäftsleitung erhalten durch Weltkrieg und Revolution hindurch. Ls ist ein Wunder, Sozialismus, der geben, nicht haben will. Fesselnd und ergrei fend war die halbstündige Rede, an welche sich wieder ein Ge sang anschloß. Es fanden nun, wie schon am Abend vorher, zahlreiche Begrüßungen statt, von denen nur einige genannt sein können, ohne den Weit der nicht erwähnten als gering» zu bezeichnen, da der Raum an dieser Stelle nicht reichen würde. Als erster übermittelte der Vertreter des Landeskonsistoriums die Grüße der gesamten sächsischen Kirche Seine Magnifizenz Oberhofprediger v. vr. Dtbelius. Wie göttlicher Hauch ging es durch den Saal als die weiche Stimme und die zu Herzen gehenden Worte des hochbetagten Predigers erklangen. Meister haft war seine Rede und erstaunend di« frische Kraft, mit der er sie hielt. „Gott hat einst Zinzendorf aus der Landeskirche erwählt zu seinem großen Werke. Herrnhut ist eine Segens- stätte unseres Landes." Vierfachen Gruß entbot er und schloß mit den Worten: «Herr, laß uns hier auch weiter deine Herrlichkeit sehen." Geh. Konsistorialrat v. Mirbt, Professor an der Universität Göttingen, überreichte den Ertrag der von ihm ins Leben ge rufenen Missionsspende in Höhe von 1'/- Millionen Mark. Line dicke Liste der Spender wurde beigelegt. Misstonsdirektor v. Hennig sprach den Dank' dafür au« und konnte zugleich eine erfreuliche Überraschung bringen. Aus Ost-Afrika, dem zerstörten Misstonsgebiete, war ein Gruß von einem ehemaligen Schüler mit Namen Asegelile, an Herrn Missionar Gemuseus in Kleinwelka eingetroffen. Bisher waren nur Briese aus Süd-West an ihre Adresse gelangt und gerade zum Jubelfeste kam der erste Bries direkt von Ost-Asrika. Dies ist wahrlich eine Freude. Die Kirchgemeinde St. Petri zu Bautzen ließ 1100 Mark überreichen, wovon 100 Mark vom Kinvergottes- dienst gespendet wurden. Oberkirchenrat Rosenkranz Bautzen vertrat die Kreishaupimannschaft als Konsistorialbehörde der Lausitz. Als Redner sind noch zu nennen: Wirkl. Geh. Ober- konsistorialrat Professor v. vr. Julius Kaftan, Berlin: Geh. Konsistorialrat Pfarrer v. Hermann Scholz, Berlin: Professor Dekan v. Haas von der theologischen Fakultät Leipzig: Pros. 0. Stark von der theologischen Fakultät Jena: vr. Streit vom Ministerium des Innern: Bürgermeister vr. Külz, Zittau. Eine große Freude bereiteten drei Verleihungen der höchsten akademischen Würde, des Doktor, von feiten der drei theol. Fakultäten Göttingen, Leipzig und Jena an Unitätrdirektor Jensen, Liz. Georg Reichel und Unitätsdirektor Baudcrt. Der Gemeindevorstand Dr. Burkhardt sprach der Brüder gemeine Dankerworte von selten der politischen Gemeinde aus. Nach mehr als dreistündiger Dauer konnte die feierliche Veranstaltung ihr Ende finden. Zu einer liturgischen Feier, bei der ein besonders ausge stellter Iubelpsalm gesungen wurde, sanden sich Gemeine und Gäste um 3 Uhr nachmittags wieder im Saale ein. Um 5 Uhr begaben sich in 2 langen Zügen, von denen der «ine seinen Weg die Zittauer Straße, und der andere die sogenannte Iubelallee nahm, ungefähr 4—5000 Menschen zum Denkstein hinaus. „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre", von Beethoven, erscholl es wie ein Machtgesang durch den Wald. In kurzen packenden Wort hielt Liz. v. Gerhard Reichel die Ansprache. Im stillen Gebet dankten Tausende sür die Gnade und Güte Gotte«, der seinen Segen über Ansiedler ausgoß, als am l7.Iuni 1722 Christian David tun ersten Baum fällte. Hier in dieser einstigen Wildnis. Welch ein Wagemut. Inzwischen hatte sich der Himmel bedeckt und ein feiner Sprühregen kühlte den schwülen Tag. Aber die Gemeinen und ihre Gäste ließen sich nicht abschrecken, den geplanten Abendsegru aus dem Hutberg abzuhalten. Festlich geschmückt waren die Gräber und dankerfüllt quoll es aus den Herzen aller, als eine große Zahl Lieder erschollen, deren Dichter sämtlich aus dem Hulberg zur letzten Ruhe gebettet sind. Misfionsdirektor v. Hennig verlos das Sckrtftwort und sprach das Gebet. Der Gesang „Abendstern, dir folg ich gern" be schloß die sehr stimmungsvolle Feier. * Am Sonntag, dem 18. Juni, fand das Fest seine Fortsetzung. Die Zeit schien kaum zu reichen, um all die Fülle der V-r- anstaltungen zu bewältigen und es war unmöglich, all« Vertreter zu Worte kommen au lassen. Um '/-10 Uhr vormittags stillte sich der geräumige Kircheusaal wieder bis aus den letzt«» Platz, um bei der Je st predigt den Worten des Unitätsdirektors Bourqutn zu lauschen. (Wegen Überfüllung des Saales, der über 2000 Menschen faßt, mußte im Brüderhause eine Porallelpredigt gehalten werden.) Er »wähnte, wie die Väter einst alles orrfießen, um dem Herrn zu folgen. Es gibt gar nichts Größeres, als wenn ein Mensch von seinem Gölte berufen wird. Die schlichte, einfache Art der Väter sand ihre Wüidigung, ebenso wie dir- selben mit glühender Begeisterung einst hinauszogen. Auch auf die Gegenwart nahm er Bezug und wie der Segen der Vergangenheit zuteil ward, so darf auch Ausschau aus den Segen für die Zukunst gehalten werden. Gesänge des Chores wir der Gemeine und der Ltturgus halsen die Feier ver schönen. Um 11 Uhr hielt Prediger H. S. Reichel, während im kleinen Saal die tschechischen Gäste zu einer Betstunde zusammen traten, eine Fest-Kinderstunde im großen Saale ab, wobei die Kleinen rege Beteiligung und «in gutes Zeugnis ihrer religiösen Erziehung an den Tag legten. Die sür '/-3 Uhr nachmittags geplante Fe st sei er im Freien mußte infolge des eingetretenen Regenwetters aus fallen und das von vr. W. E. Schmidt verfaßte Festspiel „Die neue Heimat" im Saale des Gasthofes dreimal ge geben werden, da der Saal all die Fremden nicht alle auf einmal fassen konnte. Für die Herrnhuter selbst wird diese Festdichtung später wiederholt. Mit ihr hat vr. Schmidt der Gemeine und ihren Gästen ein wertvolles Geschenk ge bracht. Was vorher alles in rührenden Worten über Herrnhuts Geschichte gesprochen wurde oder was zahlreiche Schriften darüber berichteten, dos gestaltete sich hier zum lebenden Bilde. Die Entstehung Herrnhuts und die Frauen und Männer dieser Tat schienen zu erstrhen. Ja, es war fast wie die Wirklichkeit selbst. Fünf Bilder reihten sich aneinander. Nicht nur der Dialog des jungen Grasen mit seiner Großmutter Katharina, sondern vor ollem auch die rührende Szene, die den inneren Kampf der mährischen Flüchtlinge bei ihrem Abschiede an schaulich machten, hinterließen bei den Zuschauern einen tiefen Eindruck. Und in all den Ernst klangen der Lausitzer Dialekt und der gesund« Humor der Bauern hinein. E« wurde, ganz nach dem Wunsche des Verfassers, nicht Beifall geklatscht, da das Spiel ein rein kirchliches ist. Diese Stunden werden wohl alle, die sie erleben durften, mit zu den schönsten und im Eindruck am tiefsten halten. Herzergreifend war es, wie die mährischen Männer Hab und Gut verließen und die Frau Neißerin den Tod ihrer beiden kleinen Zwillinge während der Reise ertrug. So manches Auge ward da feucht vor Ehrfurcht und Rührung. Als Darsteller erwarben sich auch Studenten des Theologischen Seminars in Herrnhut ein Verdienst und die prachtvollen Gewänder waren von der Firma Alki» in Göritz geliefert. Zwischen die einzelnen Bilder waren allgemeine Gesänge eingestreut. Für den Abend, um 10 Uhr, war noch al« Beschluß des Festes ein Abendsegen aus dem festlich erleuchteten Kirchplatz geplant.