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Oberlausttzer Helmatzsttung Är.lS seinen gleichmäßigen Buchsbaumrabatten und seinen recht winklig geschnittenen Buchenhecken in dem gleichen hollän disch-französischen Gartenstil des 18. Jahrhunderts gehalten, wie der gegenüberliegende, hinter dem Bogtshof terrassen förmig am Heinrichsberg sich hinanziehende Garten, dem ein Graf Heinrich von Reuß seine gegenwärtige Gestalt ge geben hat, und wie der Friedhof aus dem Hutberge, dessen Lindenalleen noch jetzt alljährlich der Schere des Gärtners ihre jungen Triebe opfern müssen. 3m Herrschastsgarten erzählte uns die Reichelsche Marmorbüste des Grafen Zinzendors vom Stifter des Ortes, der 1722 den wegen ihrer Glaubenstreue aus Mähren vertriebenen letzten Gliedern der auf Huß und Lomenius zurückreichenden alten böhmischen Brllderkirche in dem damals hier sich ausdehnenden Walde einen Zufluchtsort gewährte, der von den frommen Auswanderern in des himmlischen „Herren Hut" gestellt wurde. Damit war zugleich der Name für die erste Niederlassung der erneuerten Brüderkirche gegeben, die sich von hier aus mit der Unterstützung des edlen Grafen entwickeln sollte. Aus dem Garten heraüstcctend, zogen mir dann am Herrschaftshause und am Schwesternhause vorüber, das für die unverheirateten und einzeln dastehenden weib lichen Miiglieder der Brüdergemeine ganz denselben Zweck erfüllt wie das oben erwähnte Brüderhaus für die männ lichen. Außerdem beherbergt es aber auch eine Schar aus wärtiger junger Mädchen, die hier in christlich-fröhlicher Weise nach den Jahren der Schulzeit ihre weitere allgemeine und wirtschaftliche Ausbildung erhalten. Der stattliche Bau macht einen vornehmen, schloßähnlichen Eindruck. Bald war nun der Hutberg mit dem Gottesacker erreicht. Am Eingangstor der ungemein friedlich wirkenden letzten Ruhestätte der Angehörigen der Brüdergemeine sind in großen goldenen Lettern die Worte zu lesen: Christus ist auferstanden von den Toten! und aus der Rückseite: Er ist der Erstling worden unter denen, die da schlafen! Tausende vonGrabsteinplatten liegen wagerechtaushügellosenGräbern, die ältesten, fast 200 Jahre alt — der Gottesacker ist 1730 angelegt — sind von Moos und Flechten überwuchert und mit nur schwer noch lesbarer Inschrift versehen, die jüngeren von Efeu oder Immergrün umrankt, doch alle sind für groß und klein, für arm und reich in gleichmäßiger Größe her gestellt, meist aus Sandstein, seltener aus Marmor, und verkünden in schlichter Weise Namen, Lebenszeit und irdische Heimat des darunter Ruhenden. Nur die Gräber des Grafen Zinzendors und seiner Familie mitten im Hauptgange des Ganzen sind durch höhere Steinsarkophage und eine aus führlichere Inschrift ausgezeichnet. Seit Anlegung des Friedhofes hat noch keine Ausgrabung stattgefunden, so daß diese geweihte Stätte eine fortlaufende Chronik der Brüdergemeine darstellt. Die von Herrnhut aus über die ganze Erde hin erfolgte Ausbreitung derselben tritt hier recht deutlich in Erscheinung, wenn man nur einige Reihen von Grabsteinen auf die Geburtsorte der Verstorbenen hin prüft. Es wird wenige Länder der Erde geben, die außer europäischen Erdteile mit eingeschlossen, die hier nicht ver treten sind, ja Angehörige fremder Rassen, aus der kalten wie aus der heißen Zone, sind hier beerdigt. Diese eigen tümliche Tatsache findet ihre Erklärung, wenn man bedenkt, daß Herrnhut der Ausgangs- und Mittelpunkt einer ganz bedeutenden Heidenmission ist. „Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen." In sinniger Weise trägt die illustrierte Missionsmonatsschrist der Brüder gemeine „Kampf und Sieg" auf ihrem Titelblatt über einigen bezeichnenden Ansichten aus den vier fremden Welt teilen ein Bild dieses schlichten Friedhofes, überragt von einem turmähnlichen Altan, der auf dem dahinterliegenden Basaltkegel errichtet ist, und von dem aus man eine schöne Rundsicht über die südliche Oberlausitz genießt und doch zu- gleich im Geiste über die gesamte Erde hingeführt wird. Erst nach einer geraumen Weile schieden wir von dieser eigenartigen Stätte und kehrten noch einmal in den Ort selbst zurück, wo uns der Besuch des Herrnhuter Gottes- Hauses, von den Brüdern und Schwestern nicht Kirche sondern einfach „Saal" genaynt, in freundlicher Weise ge stattet wurde. Ein hoher und weiter Raum, von dessen ge rader Decke damals elf mit Wachskerzen besteckte messingne Kronleuchter herabhingen, war mit blendend-weiß gestriche nen, tragbaren Bänken ausgestättet. An der einen Schmal seite befand sich der Orgelchor, an der andern eine mit zwei Logen versehene Empore, und an der breiten Südwand stand in der Mitte eines etwas erhöhten und die ganze Seite einnehmenden Trittes der schwarzbekleidete Tisch, der Altar und Kanzel zugleich bedeutet. Hinter diesem Tische stehend, hält der Geistliche Sonntags seine Predigt; bei allen andern Gottesdiensten leitet er sitzend die Versammlung. Eben wurde ein neuer hochlehniger, mit schönen Schnitzereien ge schmückter Stuhl ausgestellt, das Geschenk einer dänischen Dame an die Herrnhuter Gemeine. Auch hier wieder emp fanden wir den Eindruck der vollkommenen, abgeklärten Ruhe, die über dem ganzen Orte schwebt und sich jedem Besucher unwillkürlich mitteilt. Draußen wieder angelangt, kauften wir uns bei dem Bäcker in der Nähe des Wttwenhauses (1921 gänzlich durch Feuer zerstört) einige Proben der bekannten Herrn- Hüter Schmätzchen und der winzigen wohlschmeckenden Brezeln. Nun überschritten wir noch die gärtnerischen An lagen des einem Marktplatz ähnelnden Ortsmittelpunktes, in denen ein Springbrunnen rauschte und plätscherte, und dann ging es durch ein enges Gäßchen und über den mit schönem Mischwald bestandenen und wegereichen Heinrichs berg hinab in das Tal des Petersbaches, dessen Laus die Grenze des Herrnhuter Weichbildes darstellt. Jenseits dieser Grenze setzte unser gewöhnlicher Wanderschritt wieder ein, der uns heute noch bis nach Zittau bringen sollte. II. Im Jahre darauf kamen wir von Bernstadt heranmarschiert und besuchten gleich zu allererst den Hutberg. Nachdem die manchem Wandergefährten noch vom Vorjahre her bekannten Quartiere im Brüderhaus und Diasporahaus aufgesucht worden waren, sollte die uns noch reichlich zur Verfügung stehende Zeit durch den Besuch des Altertumsmuseums und des Abendgottesdienstes ausgesüllt werden. Die Schätze des ersteren gaben uns ein lückenloses Bild der Geschichte des Ortes und seiner Umgebung seit der Gründung Herrn huts im Jahre 1722. Bon der Axt des mährischen Zimmer manns Christian David, mit der er die ersten Bäume zum Anbau von Herrnhut gefällt hat, bis zum Glockentürmchen des Brüderhauses, das den Äxten der Feuerwehrleute zum Opfer fiel, um beim großen Brande 1901 den nördlichen und westlichen Flügel des Gebäudes zu retten, ist hier mit liebevollem Verständnis alles aneinander gereiht, was un verdrossener Sammelfleiß nur erreichen konnte. Eine Perle des Museums ist das eingebaute und vollständig stilrein ausgestattete Bauernwohnhaus aus dem Eigenschen Kreise, und ebenso lehrreich in kulturgeschichtlicher Beziehung ist