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118 — chberlauflher Hetmaizelkung Ar. 11 daß die Sache nicht mit ein paar Worten abzutun ist, sondern daß die Angelegenheit ein vielfaches Für und Wider offen läßt, daß nur mit Anwendung peinlichster Genauigkeit Resultate erzielt werden können. Im X. Jahrhundert sind uns als Bewohner der OL. die Milciani überliefert.") Ganz typisch wird hier ein Wald als deren Ostgrenze genannt (zwischen Lauban—Görlitz). Festzuhalten ist, daß sich die slavische Siedlung wiederum nur auf die Freilandschaft erstreckte. Den Urwald ließen die Einwanderer unangetastet. Nun ist im vorigen Jahr hundert die Frage eingehend erörtert worden, ob die Slaven bei ihrer Einwanderung ein völlig volksleeres Land vor fanden oder ob noch Germanen in dem Gebiete saßen. Diesen letzten Gedanken verfocht man unter der Bezeichnung der Urgermanentheorie. Ihr Hauptvertreter war C.Platner, er schrieb 1877 in den Forsch, z. deutschen Geschichte XVII und XVIII darüber. Man wollte besonders in den Ostsee gebieten große Mengen germanischerBevölkerung nachweisen können. Gegen ihn schrieb 1878 und 1884 G. Wendt mit dem Erfolge, daß man die Urgermanentheorie mit Ausnahme der ostpreußischen Gebiete aufgegeben hat. Der derzeitige Stand derForschung dürftefolgendermaßen zu skizzieren sein: Als sicher ist anzusehen, daß die Germanen der Völker wanderungszeit in ihrer Hauptmasse bis zum Jahre 600 p. aus Ostelbien abgewandert waren. Jedoch darf man das Land nicht als völlig menschenleer bezeichnen, Reste werden auf den Freilandschaften zurückgeblieben sein, wie es uns das Beispiel der Vandalen lehrt. Die Hauptmasse war um 100 p.aus ihren schlesischen Sitzen abgezogen und ist schließ lich bis nach Spanien gelangt. Als sie dann nach Afrika übergesetzt war, erhielt sie unter der Herrschaft des Königs Geiserik (428—477) eine Botschaft der in der Heimat zurückgebliebenen Volksgenossen: Sie möchten auf das Eigentumsrecht an dem Lunde zu Gunsten der Zurück gebliebenen verzichten. Da die Afrikaner es ablehnten, so darf man daraus schließen, daß sie die Beziehungen zur Heimat aufrecht erhalten wollten. Die Reste der Vandalen aber dürften noch zur Zeit der Einwanderung der Slaven in Schlesien gesessen haben, der Name Schlesiens selbst ist mit Sicherheit auf den des vandalischen Stammes der Silingen zurückgeführt worden. Es gab also in einzelnen Teilen Ostelbiens die Möglichkeit einer Vermittlung der Tradition aus der germanischen Zeit in die slavische. Die germanischen Reste wurden wohl als Kriegsgefangene von den Slaven oerknechtet, aber die Ortsnamen der germani schen Heimat wurden von den Slaven ausgenommen, slavi- siert und bieten sich heute dem Geschichtsforscher dar, wie der Bergname Zobten (mons Llsnr). Ob dies in der OL. genau so war, wissen wir nicht. Mit Sicherheit steht fest, daß die Orte slavischer Zunge auf njem- so zu deuten sind, daß an diesen Stellen Germanen von den Slaven vor gefunden wurden, z. B. in Nimptsch, das des Thietmar Nemci heißt. Das wichtigste Zeugnis für die slavische Besiedlung ist die Ortsnamenschicht. Für die OL. liegen die Verhältnisse ") Bergl. Köhler Lcil.. 6, eine Fälschung vom Jahre 1086 auf Grund des Totsachenbestandcs des X. Jahrhunderts. — An der „Fälschung" darf sich der Leser nicht stoßen, Urkundenfälschungen waren im Mittelalter an der Tagesordnung. Wir besitzen Hunderte davon, die von Kaisern, Königen, Bischöfen, Priestern, Klöstern usw. begangen worden sind. Da dabei ost der Tatfachenbestand einer früheren Zeit auf eine spätere übertragen worden ist unj» wir daraus die Wünsche der Aussteller kennen lernen, so nütze», sie bei vorsich tiger Behandlung oft geradesoviel der Geschichtsforschu ng wie echte Urkunden. insofern günstig, als das Material zum größten Teile von Hey und Kühnel bereits gesammelt wurde. Jedoch sind deren Ortsnamendeutungen vielfach unrichtig. Es wird be absichtigt, die slavischen Ortsnamen Sachsens etymologisch neu zu behandeln. Ich habe den betr. Gelehrten gebeten, seine Arbeit auch aus die preußischen Teile der OL. aus- zudehnen, damit nicht die politische Teilung der OL. zu einem Schnitt auch in der Erforschung der Urzeit unserer Heimat führt. Hier möchte ich nun auf drei Ortsnamen eingehen, die bei Haase und Stuhl erwähnt werden: Zittau, Zittel und Dolgowitz. Ihre slavische Herkunft zu bestreiten, ist völlig grundlos. Man kann sie auf slavische Wortstämme zurückführen, ohne dabei das Germanische heranziehen zu müssen. Zer hackt man das Wort, wie es K. Stuhl tut, wenn er d'Olgowitz --der Alah-Bitze---dem Stammhag zerklärt (OHZ. 1920 S. 339), so tut man dem Worte Gewalt an. Wendet man diese „wissenschaftliche" Methode z. B. bei urkundlichen Formen von Bautzen an, so läßt sich dieser Name (nach dem Sinologen Haloun) sehr bequem aus dem Chinesischen er klären. Zittau und Zittel sind aber beides sichere slavische Orts namen, ihre Deutung als Gelreideort, bei Kühnel Getreide land, ist umso wahrscheinlicher, als gegenwärtig in Polen 10 vom selben Stamm abgeleitete Ortsnamen in Gebrauch sind. Interessant dürfte es dabei sein, daß der Pole heute noch Zittau Zytawa nennt. Dies aber ist die urkundliche Form von 1238: Zittaoia (München nennt er Monachium, Leipzig Lipsk und Nürnberg Norimberga). Er benutzt also heute noch die mittelalterlichen Ortsnamenformen. — Der vielgequälte Dorfname Dolgowitz aber ist gleichfalls slavischer Herkunft, er bedeutet „Dorf der zum Geschlecht des Dolhat (Langen, Longini) gehörigen", er ist ein ganz klares Patro- nymikon (Sippenname). Wäre Dolgowitz ein germanischer Ortsname und wäre der Burgwall auf dem Rothstein ger manisch, so müßte man, da ja K. Stuhl den Ortsnamen vom Burgwall herleitet, erwarten, daß in diesem sich ger manische Scherben finden. Die Grabungen H. Schmidts förderten aber nur slavische Scherben zu Tage. Hier dürfte der archäologische Befund den philologischen in einwand freier Weise stützen. (Die Ortsnamendentungen habe ich M. Vasmer zu danken!) Eine andere Sache ist es, Ortsnamen wie „Getreideort" siedlungsgeschichtlich auszuwerten. Dies wird erst möglich sein, wenn die Ortsnamen sämtlich gedeutet sein werden. Wenn wir aber von der slavischen Siedlüngsperiode sprechen, so ist es unerläßlich, auch einen Blick aus die Burg wälle zu werfen, da über sie noch recht unzutreffende Mei nungen verbreitet sind. Die Emmeramer Urkunde des „bay rischen Geographen", niedergeschrieben zwischen 850 und 900 p., zählt die slavischen Stämme auf, indem sie jedem eine Zahlbezeichnung beifügt. Sie sagt da „Milzane 80 civi- 1nt68...", im Lande der Milciani gab es also 30 civitstes. Was haben mir uns darunter vörzustellen? ^) Wir haben in der OL. auf dem auf Karte I bearbeiteten Gebiete 95 Burgwälle heute noch erhalten. Es sind die« 2 Langwälle, 1 Viereckswall sowie 8 sicher als frühmittel- Im NLM- 1921 G. 188 ff. unterzieht R. Iecht, wohl der beste Kenner der Geschichte der OL., diese Urkunde einer Unter suchung. Er kommt dabei zu dem Ergebnis bezüglich dieser Stelle: „So bleiben die 30 civitaw8 des Landes Mtlska ... in ihrer Lage und etwa noch jetzt überkommenen Spuren völlig unklar." Ich glaube, daß man in dieser Hinsicht doch eine Deutungsm-glichkeit finden kann.