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Hberlauflher Heünaizekimlg Ar. b teuflisch und zischte ihr ins Gesicht: „Nun sol! deine schöne Larve am Galgen bleichen." Außer dem falschen Knappen bedauerten aber alle Dienstleute in der Burg die arme Hildegard. Denn sie war bei allen beliebt wegen ihres freundlichen Wesens; und sie konnten es nicht glaubens daß Hildegard die Tat begangen hatte. War es nun Zufall oder Absicht! Die Tür zum Getängnis blieb unverschlossen. Hildegard erwachte endlich aus ihrer Betäubung. Sie wußte, daß ihr Leben verloren war, wenn ihre Unschuld nicht bald an den Tag kam. 3n ihrer Angst rüttelte sie an der Tür. Diese gab nach. Wie im Traume verließ Hildegard das Gefängnis und floh durch eine verschwiegene, ihr bekanme Pforte aus der Burg. Tagelang irrte die Ärmste in den großen Wäldern, die damals die ganze Gegend bedeckten, umher. Beeren und Wurzeln bildeten ihre Nahrung. Ihre blonden Haare flatterten ausgelöst im Winde. Bon Tag zu Tag wurde sie matter und elender. Kaum trugen sie noch die wunden Füße und endlich sank sie erschöpft ins Moos. Die Sonne stand schon im Westen. Die Nacht war nicht mehr fern. Da Hörle sie Stimmen. Sie stieß laute Klagerufe aus. Drei Männer fanden die Ärmste. Es waren Holzfäller ans Schluckenau. Sie hoben das zarte Mädchen auf und trugen es in die Stadt. Bei einer milleidigen Frau sand Hildegard Unter kunft. Unter ihrer Pflege erholte sie sich. Sie vergalt ihrer Retterin ihre Güte durch fleißige, treuliche Arbeit, sodaß diese Hildegard nicht mehr von sich ließ und wie ihre Tochter hielt. 3m ganzen Städtchen war die fremde 3ungfrau bekannt und beliebt geworden. Gar bald warben die jungen Männer um das schöne Mädchen. Hildegard schenkte ihre Gunst einem Kanfmanne und beide wurden ein glückliches Paar. Sechs Fahre waren seit der Rettung Hildegards vergangen. Da tauchte im Städtchen eine schlimme Kunde aus. In den Wäldern vor den Toren der Stadt sollte ein greulicher Teusel in Menschengestalt sein Unwesen treiben. Es verging keine Woche, in der nicht von einer neuen Mordtat des Unholdes berichtet wurde. Weder alt noch jung schonte er. Einer Mutter hatte er das Kind lein von der Brust gerissen und es an einem Felsen zerschmettert, die Mutter selbst aber mit einem Knüttel niedergeschlagen. Zwei Schwestern, die in seine Hände fielen, sollte er nackend an einen Baum gebunden und dann elend verbrannt haben. Einen Bürger, der eine notwendige Reise unternehmen mußte, hatte er gefangen und gequält und ihm über 50 Schnittwunden am Leibe veigebracht und ihn halbtot zurückgejagt. Eine Mär war immer grausiger wie die andere. Niemand getraute sich allein in den Wald und die Schluckenauer lebten in Schrecken. Einige Fahre hatte der Wilde Mann sein Schreckenswesen getrieben. Dann verschwand er plötzlich, und die abergläubischen Leute erzählten sich, daß der Teufel wieder in die Hölle zurückgesahren sei. Nun geschah es, daß Hildegards Ehemann nach Zittau ver reisen mußte. Die Mutter schickte dem heimkehrenden Vater sein Söhnlein bis vors Tor entgegen und hieß es dort warten. Der Knabe aber lief aus der Stadt hinaus. Draußen im Walde ver irrte er sich. Der Vater kehrte heim, und die erschrockene Mutter frug ihn sogleich nach dem Söhnlein. Er hatte es nicht getroffen. Die bestürzten Eltern machten sich sofort auf den Weg, um den Verirrten zu suchen. Laut gellte der Ruf „Mutter" durch den Wald, bis ihr auf einmal ein angstvoller Schrei entgegen hallte. „Das ist die Stimme meines Kindes!" schrie die Mutter und rannte über Fels und Wurzeln nach der Richtung, woher der Ruf gekommen war. Kaum konnte ihr der Vater folgen. Was mußte die Ärmste sehen! Das Blut starrte ihr in den Adern. Der ge fürchtete Wilde Mann war wieder da. Er hielt das schreiende Knäblein in seinen Händen und war eben im Begriff, es an einem Baum zu zerschmettern. Als der Wilde die verzweifelte Mutter heranstürzen sah, stieß er ein höhnisches Lachen aus. Er hatte Hildegard erkannt. Aber auch sie wußte nun, wer der schreckliche Wüterich mar. „Knaut," schrie sie, „lieber Knappe Knaut, schone mein Söhn lein! Töte mich!" Aber der Wilde fletschte nun die Zähne und weidete sich an ihrer Qual. Er schwang das Kind an den Beinen durch di« Lust. Da endlich nahte der entsetzte Vater. Die Eltern rangen nun mit dem Unmenschen um die Beute. Sie würden aber den Knaben nicht lebendig aus seiner Hand erhalten haben, wenn nicht zwei Holzhauer mit ihren Äxten auf das furchtbare Geschrei der Mutter herbeigeeilt wären. Äls der entsetzliche Mensch die drohende Übermacht erblickte, warf er den Knaben in weitem Bogen gegen einen Baum. Der Vater konnte den Wurf nicht mehr hindern, sondern nur ablenken, sodaß der Knabe am Stamme vorüber ins dichte Gesträuch fiel, ohne Schaden zu nehmen. Während die Augen der Eltern und der Holzhauer dem dahinsausenden Körper des Kindes ängstlich folgren, entsprang der Wüterich in das Gebüsch und war nicht mehr aufzufinden. Hildegard kehrte mit ihrem Kinde zurück, verfiel aber ob der Aufregungen in ein hitziges Fieber. Sie hatte ihren Feind, den Knappen Knaut, erkannt. Als Hildegard wieder genesen war, wanderte sie mit ihrem Manne zur Burg Tollenstein. Die Burg herrin empfing die ehemalige Zofe gnädig und erzählte ihr, daß kein anderer als der Knappe der Dieb gewesen sei. 3m Rausch habe er sich seiner Tat gerühmt. Der Ritter habe, als ihm der Schurkenstreich seines Knappen bekannt wurde, den Verbrecher sofort von der Burg gejagt. Die Burgherrin war erstaunt zu hören, daß der wilde Teufel, von den, auch sie gehört hatte, kein anderer war wie der Knappe Knaut. Hildegard kehrte glücklich in ihr Städtchen heim. In die Wälder aber konnte sich niemand allein wagen. Der Wilde Mann wütete grausamer als zuvor. Um den Schurken zu fangen, setzte der Rat Preise aus. Es gelang aber niemandem, den Wilden zu fassen. Schluckenau und die ganze Umgegend litt sehr unter der Unsicherheit seiner Wälder und Straßen. Einst war der Ritter Berka von Tollenstein zu einem Feste in Schluckenau anwesend. Der Ritter saß mit seinen Gästen im Garten des Schlosses und viel Volk ergötzte sich auf der daran stoßenden Wiese. Plötzlich kam ein Mann in eiliger Hast daher gerannt. Er hatte Hut und Manteisack aus der wilden Flucht verloren und erzählte voller Angst: „Draußen im nahen Walde! Da ist mir der Wilde Mann erschienen! Ganz plötzlich! Halb nackt ist er. Fürchterlich sind seine Augen! Morden wollte er mich! Nur die Flucht hat mich gerettet." Das Fest war augenblicklich gestört. Die Leute liefen in wilder Hast nach Hause. Als dem Burgherrn die schreckliche Kunde zugetragen wurde, setzte er sich sofort zu Pferde, scharte Ritter und Bürger um sich und zog in den nahen Wald. Weit über 100 bewaffnete Leute machten nun Jagd auf den Wilden Mann. 3n einer breiten Linie drangen sie in das Gebüsch vor. Es dauerte auch nicht gar lange, erblickten sie den Räuber. Schauerlich sah er aus. Halb nackt war er. Felle bedeckten den Leib notdürftig. Ein wirrer schwarzer Bart machte sein cnlstelltcs Gesicht noch greulicher. Die schwarzen Augen funkelten wie die eines wilden Tieres. Der Wilde Mann stieß Wutschreie aus, da er sich umstellt sah. Er schwang seine Keule. In rasendem Laufe stürmte er auf die Verfolger ein. schlug zwei Bürger nieder und brach durch die Kette. Die er grimmten Männer aber ließen nicht locker. Sie blieben dem Wilden hart auf den Fersen und hetzten ihn nach der Stadt zu. Die Schluckenauer hatten die Türen fest zugesperrt, als die wilde Jagd hinein auf den Markt stürmte und starrten ängstlich hinter den Fenstern auf den entsetzlichen Unhold, der schon so viel Un glück angerichtet hatte. Auf dem Markte erreichte die Hetze ihren Höhepunkt. Endlich verließen dem Wilden Mann die Kräfte. Dort, wo heute das Gasthaus Stadt Bautzen steht, ereilte ihn sein Schicksal: Ein Fleischer stieß dem Wüterich sein langes Messer tief in die Brust, sodaß das Blut hoch aussprang. Nun erscholl lautes Freudengeschrei aus Markt und Gaffen. Wie von einem Alb befreit atmete das Volk auf. Die Henkersknechte schleiften den Leichnam des Gerichteten hinaus auf den Galgen berg und knüpften ihn auf. Frauen und Kinder aber standen noch lange vor der Blutlache. Der Ritter von Berka erteilte den Schluckenauern zum bleibenden Andenken an diese Begebenheit die Erlaubnis, zu gewissen Zeiten den Wilden Mann zu jagen,