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gegangen zu sein — tritt sie ins Stübchen. Doch starr vor Schreck und wie gelähmt bleibt ihr das Herz stehen. Erschüttert, im wortl sen Jammer, die Tränen ihr aus den Augen stürzend, sinkt sie an der treuen Alten nieder, zu ihren Füßen, aus denselben kleinen Fußschemel, auf dem sie ost und so gern bei ihr gesessen. Das gute treue Mütterlein sieht und hört sie nicht mehr — der Mund, der so oft sie getröstet, der ihr jetzt raten und helfen sollte, ist stumm! Tot — heimgegangen ist das liebe Mütterlein in der Frühe des Oflermorgens.ihre müde Seele ist nun bei ihrem Osterfürsten, den sie schon hier auf Erden gar manchesmal geschaut hatte und dessen Osterbotschast sie manches Jahr gelauscht. „Ich lebe und ihr sollt auch leben!" Das ewige Osterlicht leuch' tete ihr! Ein Sonntagsblatt lag aus der ausgeschlagenen Bibel. Mit großen Buchstaben leuchtet es ihr entgegen: „Ich weiß, daß mein Erlöser lebt!" Ein berühmter Professor und Ge schichtsschreiber Deutschlands hatte dies herrliche Bekennt nis gegenüber seinen jungen Studenten abgelegt und gesagt: „Das, was mich über alles Schwere meines Lebens und Kämpfens hinübergetragen hat, das ist nicht das Wort: ich glaube, sondern: ich weiß, daß mein Erlöser lebt!" Und in der Brbel hatte das Mütterlein Apostelgeschichte Kapitel 18 aufgeschlagen und die Verse 9—10 blau unterstrichen: ,',Es sprach aber der Herr durch ein Gesicht in der Nacht zu Paulus: Fürchte dich nicht, sondern rede und schweige nicht: denn ich bin mit dir und niemand soll sich unterstehen, dir zu schaden: denn ich habe ein großes Volk in dieser Stadt." Tieferschüttert liest sie es. Herzergreifend und erhebend zugleich ist das verklärte Lächeln, der „Morgenglanz der Ewigkeit", der auf den durchfurchten lieben Zügen liegt. Und noch eine andere Weihe kommt plötzlich über sie. Wie ein Schleier zerreißt es mit einem Male in ihrem Innern, init plötzlicher Klarheit sieht sie den Weg vor sich, den sie gehen soll. Gott hatte gesprochen! Umrauscht von der Majestät und den dunklen Schotten des Todes, sieht sie doch dahinter das strahlende Osterlicht: „Der Tod ist kein Sonnenuntergang, sondern ein Sonnen aufgang, welcher die Knospe aufbrechen läßt zur leuchtenden Blüte; der Tod ist kein Erwürger, sondern ein Befreier, der die Ketten sprengt und die Erlösten jauchzen macht: als die Sterbenden und siehe: wir leben?" Er lebt! Wie Luther in schweren Stunden dies Wort aus Tisch und Wände zu schreiben pflegte, so steht es auch jetzt in ihrer Seele mit Flammenschrift geschrieben: „Ich weiß, daß mein Erlöser lebt!" Dann nimmt sie Abschied von dem toten Mütterlein im stillen Gebet und steckt ihr das Ostersträußchen als letz ten Liebesgruß in die gefalteten Hände. — — Der nächste Weg ist zum Postamt. Bon drückender Last befreit, klar den Weg vor sich sehend, den Gott ihr nun gezeigt, setzt sie mit fliegender Hand das Telegramm auf: „Kann Stellung nicht annehmen, bleibe meiner Kirche und Schule treu." Gerade, daß sie verfolgt und geschmäht wurde, daß sie leiden durfte um ihres Herrn willen, erfüllte sie mit glücklichem Ehrgefühl und heiligem Stolz. „Dem Höchsten zu dienen, für Gott leben, für Gottes Reich sich verbrauchen", sollte ihr höchster Lebenszweck bleiben. „Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus!" Der aüferstandene Herr war nun ihr höchstes Ziel, war zu gleich ihres Lebens höchst-stärkste Kraft! — — Und nun eilt sie heim — heim in ihr stilles Dörfchen, ihrem Eilande des Friedens. Oben auf der Räcknitzer Höhe bleibt sie tiefbewegt stehen. Frei und leicht, so groß und weit ist ihrs ums Herz geworden und mit betender, dankerfüllter Seele grüßt sie die Ostersonne, die soeben ihre ersten pur purnen Strahlen über das tzäusermeer wirft, die Oster sonne, „die ihre Freude, ihre Krast und ihr Sieg" geworden war! Gott hatte ihr eine Osterfrcude — einen Osterfrieden geschenkt, welchen ihr kein Mensch aus dem Herzen reißen konnte, den alle Schätze der Welt nicht auszuwiegen ver mochten! Und plötzlich, wie vom Himmel her, begannen droben im Gestühl der Borortskirchen die Glocken zu schwingen, erst leise, zaghaft, dann dröhnend mit voller Wucht. Das gewaltige eherne Kreuzkirchenqeläut mit seiner harmonisch-melodischen Verbindung des Moll- und Dur- dreiklangs, die eine so ans Herz greifende Sprache redet, mischte sich darein, bis sämtliche Kirchenglocken der Stadt in ein einziges großes machtvolles Oster-Festgeläute aus klingen. Ein Wogen und Rauschen, ein Singen und Klingen schallt zu ihr herauf. Mit Tränen im Auge und gefalteten Händen, das Herz voll unendlichen Dankes und demütigem Jubel erfüllt, schaut sie in die strahlende Ostersonne und wie Siegesfanfaren durchbraust es ihre befreite Seels und die blaue Frühlingslust: Der Herr ist auferstanden, ER ist wahrhaftig auferstanden, ich weiß ich weiß, daß mein Erlöser lebt! Ohne Kreuz Tonleitern üble ich — schon lang ist's her —, Mit eis und fis und gis lag ich im Streite immer. And seufzend rief ich aus: „Nur eine ist nicht schwer. Die ohne Kreuz!" — Großmutter saß im Aimmer, Neu weißen Kops aus ihrs Näherei gebückt. Noch wußt ich damals nicht, das) ihr das Leben Auf Herz und Schultern manche Last gedrückt. Lin wehes Lächeln ging ihr übers Antlitz eben: „Ja, Kind, du hast wohl recht", so sprach sie leise, „'s geht besser ohne Kreuz und nicht nur am Klavier. Das gilt — du merkst es bald - auch von des Lebens Weisel Doch ist es Gottes Hand nur stets, die dir Die Kreuze vor die Tage setzt, laß es nur still gescheh». Erst meinst du wohl, das Schwere lernst du nie. And wirst am Ende staunend doch verstehn. Daß Gott nichts will als heil'gs Harmonie." m. M. Der Gedenktag Bon Rudolf Kreuz ls die ersten zarten Lichtgrüße des neuen Tages zu dem einzigen Fenster, das sein Dachkämmerchen besaß, hereinfielen, stand er auf. Sein Sohn schlief noch tief und fest. So kleidete er sich geräuschlos an, wusch sich und setzte dann Wasser auf das Gas für den Kaffee. Dicweilen dasselbe kochte, richtete er den Frühstückstisch her. Dann schüttete erchen Kaffee in das Wasser, ließ ihn eine Weile stehen, damit er „durchziehe", und setzte sich darauf an den Tisch und begann zu essen. Zuerst ein gutgestrichencs Butterbrot, denn heute war ja Sonntag! Dann griff er nach der Bäbe, die inmitten der Töpfe und Taffen und Teller stand, zog sic näher an sich, betrachtete sie ein Weilchen mit wohlgefälligem Auge und schnitt sich endlich ein Stück aus ihrem schwellenden, nußbraunen Rund. Er aß und nickte befriedigt: da hatte seine Schwester wieder einmal nicht mit Zutaten gespart! Sie verstand sich ausgezeichnet auf das Backen! So tat er denn dem Gebäck alle Ehre und aß tüchtig. Aber nach und nach wurde das Kauen langsamer, sein Auge richtete