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-Nr. 5 rs Hberlaujcher HeimatzeLtung Doch da er nur geringe Ansprüche an das Leben gestellt, hatte es ihn auch nicht betrogen. Das Leben wird am meisten an denen wortbrüchig, denen es viel versprochen hat. 5. Kapitel Es war bald nach Mittag, als ein zweiter Besuch sich dem Birkhof vom Dorf her näherte. Felix Schirmer, der Schulmeister. Er gurg merkwürdig langsam, als er am Teiche hinschriit, denn >n dem Rauschgold am Wasser raschelten Tnlle, und eine Stimme lockte die Hühner: „Gluck, gluck, gluck." Zwischen den weißen Stämmchen wurden braune Haar flechten mit eiw r mattblauen Schleife sichibar. Am liebsten stünde er ja mit dort drlloen neben dem Braunköpslein, aber er fühlt aus seinem Gesichte flammende Röte brennen. Die heißt ihn gradaus gehen. Die Bäuerin stand vor dem steinernen Brunnentroge im Hofe, als sie verwundert dem guigekleideten Herrn ewgegen- fah, der auf sie zuschrilt, vor ihr st.hn blieb und den Hut ziehend, sprach: „Guten Tag.Fiau Reumann, verzeihen S>e, daß ich Sie in ihrer Arbeit störe, ich bin der neue Lehier, F- lix Schirmer, und mache seit einigen Tagen meinen Rund gang im Dorfe, um die neue Gemeinde, in der ich tätig bin, auch möglichst gut kennen zu leinen." Agnes boi ihm gleichgültig die Hand und erwiderte seinen Gruß mit einem kmzen „Willkommen!" Eine kurze Pause entstand. Der Besucher fand nicht gleich Worte, die dazu angetan gewesen wären, ein längeres Gespräch einzuletten, eine leichte Verlegenheit stieg in ihm aus ob der kurzangebundenen Art der Frau. Aber er halte schon Übung, nue man des Landvolkes wortkarge Ai.t anzupacken Hal. Nur nicht aus drängen; ginge es ihm nicht um das Glück seines Herzens, er hätte sich wohl nach einigen belanglosen Worten zum Gehen gewandt. Die Bäuerin machte eine einladende, flüchtige Hand- bewegung nach der Haustür hin und sprach gelassen: „Wollen Sie bitte eintreten?" „Danke, danke, aber ich weiß, wie es beim Bauer unterm Tage ist, do guckt die Arbeit aus allen Winkeln, und ihr dars ich Sie nicht abspenstig machen." Agnes aber hörte nur das Abweisende aus seinen Worten. Was kam er zu ihr wenn er, unter dem Banne der öffent lichen Meinung stehend, einer ehrlich gemeinten Einladung, die festen genug hier war, sich nicht getraute,Folge zu leisten. Gut, dann sollte er aber auch den Birkhof sür immer links liegen lassen, genau wie die übrigen Dörfler. „Za, Herr Lehrer, der Birkhof gehört schon lange nicht mehr zu Autal. Und es ist auch ganz gut, wenn es so bleibt." Ader da sah sie, daß sie an den Unrechten gekommen war. Der junge Mann schüttelte den Kopf. „So nicht, Frau Neumann. Offenheit gegen Offenheit! Für die öffentliche Meinung mit ihren Einflüsterungen bin ich taub. Ich gehöre mir selber. Und eine Kritik an meinen Mitmenschen maße ich mir nicht an. Damit Sie sehen, daß Sie meine Worte falsch gedeutet haben, gehe ich voran." Damit lat er einige Schritte gegen die Haustür, wandte sich um und fragte lächelnd: „Darf ich?" Die Frau folgte ihm unwillkürlich. „Bitte, Herr Lehrer." Das klang schon etwas weniger kühl. Agnes fühlte, daß sie im Begriff stand, nach langer Zeit wieder einmal an einem Menschen gute Seiten zu entdecken. Aber Freude empfand sie darüber nicht im geringsten, dazu stand ihr der Mann zu fremd gegenüber, nur verblüfft war sie, über seine Offenheit sowohl, als auch über seine sichtliche Bemühung, ihr nicht zu mißiallen. In der Hausflur schritt sie voran und ließ ihn in das kleine Stübchen eintreten. Als sie einander gegenüber saßen, sprach er mit freundlich bittendem Tone: „So Haden Sie also mit mir Frieden gemacht?" „Iw habe keine Ursache, mit Ihnen in Unfrieden zu leben," antwortete die Bukhoferin. Der junge Mann entgegnete warmen Tones: „So stellen Sie sich doch auch über die Feindschaft der Menge, die doch so wandelbar ist, die heute „Hosianna" und morgen „Kreustge" ruft. Doch sofort mußte er hören, daß er zu weit gegangen sei. Der Bäurin Gesichtszüge schienen wie gemeiselt, so hart, als sie bei ihren Wollen nach den Dächern von Autal h,nüberwies. „Jawohl, heute.Hosianna' und morgen .Kreuzige', aber nicht umgekehrt, denn das.Kreuzige' verstehen die Menschen am besten." „Gras wächst über alles. Die Zeit ist der befruchtende Regen dafür. Auch die Feindschaft entgeht dem Nicht." Da traf den Bittenden herber Spott. „Das klingt so schön, als seien Sie der Herr Pfarrer. Ich wüßte aber nicht, was dem Herrn Lehrer gar so dran gelegen sein sollte, die Leute vom Birkhos aus ihrer Ein samkeit auszuschenchen." Felix Schirmer sah verlegen zum Fenster hinaus, und auf sein Gesicht trat purpurne Röte, während er sorlfuhr: „Ich habe so die Empfindung, als täten Sie sich gegenseitig Unrecht." „Ja, Frau Neumann, auch Sie," sprach er hallig weiter, als er sah, daß die Bäurin einsallen wollte, „Sie haben sich, wie ich jetzt auch fühle, in einen Zorn gegen die Leuts hineingelebt." „Zorn?" Agnes unterbrach ihn kopfschüttelnd. „Ver achtung könnten Sie höchstens sagen." „Das kommt auf eins heraus, Frau Neumann. Wie ich aber die Leute kenne, sind sie gar nicht so schlimm." „Weil sie Ihnen gegenüber ihr Sonntaqsgesicht aussetzen. Ich will Ihnen nicht wünschen, daß sie Ihnen einmal ihre AUtagsfratze zeigen. Ader das wird schon so zeilig genug werden. Nein, bei mir ist alle Mühe vergebens. Vom Dors bin ich geschieden sür immer und olle Zeiten. Die Viertel stunde Wegs dahin ist eine Ewigkeit. So muß es schon sein nicht nur meinetwegen. Wieder särbte verräterisches Rot des Abgewiesenen Antlitz. Er schaute nachdenklich zu Boden, blickte dann fest in die Augen, die abwehrend die seinen trafen und sprach ohne Zögern: „Es ist wohl am besten so, daß jeder nach seiner Einsicht handle." Verwundert entgegnete die Bäuerin: „Sie geben mir so plötzlich recht?" Ob recht oder unrecht, das vermag ich nicht zu beurteilen. Aber ich begreife Ihr Verhalten." Agnes schlug noch immer voll Staunens in die dar gebotene Hand ein, als sich der Besucher wieder zum Gehen wandte, und was sie nie getan, sie öffnete, einer augenblick lichen Gefühlsregung gehorchend, den Berkhof einem Gaste, den sie noch dazu erst seit Minuten kannte. „Herr Lehrer, wenn Sie Mut haben, der Birkhof steht Ihnen jederzeit offen, aber freilich, Mut gehört dazu," sprach sie.