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daß dieser Ton der Kehle eines reiherartigen Bogels entstamme, will uns selbst der Jäger nicht glauben. Ein unheimlich Lied, die ganze Nacht währt es, immer nur kurze Pausen zwischen den fünf- oder sechssilbigen Strophen. Es raubt mir die Nachtruhe im Fremdenzimmer des Gasthofs, bis ich ausstehe, das Fenster zu schließen. Längst ist die Sonne aufgegangen, als ich erwache, doch noch immer dröhnt aus weiter Ferne das liefe „Prumb" zu mir ins Zimmer; es steht mit bem ? der großen Oktave auf gleicher Ton stufe. Ich beschließe, der Stimme nachzugehen, um den Standort des nächtlichen Sängers festzustellen und, wenn möglich, ihn selbst zu Gesicht zu bekommen. Bis zum Gutsteich des Dorfes, ein gut Stück Wegs, geleitet mich das seltsame Lied. Bald kann ich auch den leiseren Vorschlag jedes einzelnen „Prumb" deutlich ver nehmen; durch die Silben „ü—prumb" wird der volle Ruf ziem lich gut wiedergegeben. Giaub's sch m, daß die alten Wciblein, die in der Dämmerung am Teiche vorbeimüssen, siclj abergläu bisch bekreuzen; irgend ein Unhold, so meinen sie, treibe dort auf der einsamen, schilfbewachsenen Insel sein spukhaftes Spiel. Ich wandere fast um den ganzen Teich; immer zur Linke» tönt der mächtige Ruf aus dem Röhricht, das den Bogel ver birgt. Selbst jetzt, wo die Sonne schon heiß vom hohen Himmel auf die Fluren herabbrennt, gönnt er sich kaum längere Pausen als in der Nacht. Da endlich glück! es mir, mit Hilfe meines Prismenglases den stattlichen Bogel am Rande des kleinen Eilandes, von dem Schilf nur wenig verborge», zwischen allen Weidl nstümpfen zu entdecken. Aus de» Fersen hockt er am Boden, den Hals lind den Kopf mit dem langen Dolchschnabel schräg nach oben gerichtet, ohne jede Bewegung. Der Bogel mit seinem scharfen Auge halte mich gewiß schon ein paar Sekunden früher als ich ihn bemerkt, und nun schweigt der Säuger hartnäckig. Ob er wohl weiß, daß ihn die Schutzfärbung seines lockeren, spitzen Gefieders, die dem fahlen, abgestorbenen Blattwerk des Schilfs und den dunkeln Schattenstrichen der Halme gleicht, diesmal ebensowenig vor der Entdeckung bewahrt hat, wie die sonderbare Stellung, in der er mehr einem abgebrochenen Stamme, einem verwitterten Pfahl ähnelt, als einem Bogel? EineViertel- stunde lang stehen wir beide uns unbeweglich gegenüber, durch die glitzernde, von Blässen und Tafelenten belebte Wasserfläche getrennt. Endlich löst sich der Bann. Der Klügere gibt nach, so scheint der Vogel zu denken, und mit langen Schritten, den Kör per wagrecht haltend, verschwindet er lauilos im Dickicht. Die seltsame Stimme des „Kuhreihers" ist früher von den Ornithologen falsch gedeutet worden. Man meinte, der Bogel schlürfe eine Portion Wasser in seinen Kehisack, wobei die Bor silbe „ü" erzeugt werde; dann werfe er den Hals zurück, stecke den Schnabel aber schnell wieder ins Wasser und stoße yun, mit Gewalt das eingezogene Wasser aus dem untergetauchlen Schna bel herauspressend, sein tiefes „Prumb" aus. Jetzt weiß man's genau, daß eine Mitwirkung von Wasser dabei ausgeschlossen ist. Die Rohrdommel zieht zuerst ein paarmal Lust ein und verschluckt sie, wodurch sich die Brust weitet. Hierauf stößt sie die hinunter geschluckte Luft mit großer Heiligkeit wieder aus, wo,bei der vollö, pumpende Laut erzeugt wird. So ist also nicht der Kehl kopf das Stimmwerkzeug des seltsamen Minnesingers, sondern die Speiseröhre, die durch mehrere muskulöse Ventile hierzu ein gerichtet ist, eine Art Dudelsack, auf dem der Vogel sein Liebes lied spielt. Die Natur schlägt doch manchmal die seltsamsten Wege ein: die Tiefe der Speiseröhre ist's, die hier von Sehnsucht und Liebe redet. Für die meisten Gegenden Deutschlands ist die große Rohr dommel bereits ein Naturdenkmal. Wie froh bin ich, daß der nordöstlichste Winkel meines Vaterlandes sie auch heute noch beherbergt. Möge derIagdberechtigte seine schützende Hand über den merkwürdigen Vogel hallen! Bei den Entenjagden im Spät sommer fällt er nur zu leicht dem tödlichen Schrot mit zum OHer. Die Rohrdommel besitzt zwei Vettern, einen großen und einen kleinen. Letzterer, die Zwergrohrdommel, findet sich noch an einzelnen schilfbewachsenen Teichen der Lausitz, ein Zwergreiher chen von lichtrostgeiber Färbung mit schwarzem Scheitel, Rücken und Schwanz. Nach Art der Rohrsänger klettert es gar munter im Schilf herum und wechselt auch nicht selten fliegend von einem Rohrdickicht zum andern hinüber. Der große Vetter aber, der stattliche Fischreiher, ist leider kein sächsischer Brutvogel mehr. Er kommt nur noch gelegentlich an unsre Teiche zu Gaste. Seine letzten Nester innerhalb der grün-weißen Grenzen standen in den alten Eichen auf einer Insel im Horstsee beim Schloß Hubertus burg; schon in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts sind sie vernichtet worden. Umso erfreulicher, daß wenigstens eine kleine Kolonie sich ganz in der Nähe der sächsischen Grenze — wenigstens bis vor kurzem — noch erhalten hat in dem Kiefernwald bei Weißkollm, etwa drei Wegstunden von Königs wartha entfernt. Wie es jetzt um sie steht, weiß ich nicht. Bei meinem letzten Besuch, kurz vor Ausbruch des Krieges, zählte ich sechzehn Horste, die, wie mir schien, bis auf einen einzigen sämtlich besetz! waren. Alte hochstämmige Föhren, an denen sicher vier Jahrhunderte vorübergezogen sind, heben die mächtigen, aus starken Reisern zusammengcfiigten Bauwerke in die sonnige Höhe, l bis 2m beträgt ihr Durchmesser; mit weißem Kot sind sie ganz übertüncht. Einige von den Baumriesen sind abgestorben, kahl Stamm und Aste, weißlich, gebleichten Skeletten vergleichbar; aber auch sic hallen in ihren knöchernen Armen junges Leben umfaßt, das sich in jedem Frühjahr erneut. Ein herrlicher Anblick, wenn die stol zen Segler der Lüste ruhigen Flugs das tzorstgebie! in schwin delnder Höhe umkreisen! Kops und Hals sind auf den Rücken gelegt, daß nur der lauge Schnabel hervorschaut, als wäre er aus der Brust yerausgewachsen; die Ständer werden weit nach hinten gestreckt und in dem schönen Federbnsch am Kröpf spielt lustig der Wind. Dann läßt sich ein oder der andere Reiher auf den Horstrand nieder und ätzt die Jungen, die schon lange die heiseren Kra-Schreie der Alten mit mißtönendem Quieken beantwortet haben. Ich hoffe, daß die kleine Reiherhalde auch heute noch un versehrt ist. In ihrer unmittelbaren Nähe liegen keine Teiche. Einige Kilometer haben die Reiher zurllckzulegen, wenn sie einen Fisch erbeuten wollen, und so kommen sie oft genug auch an unsre sächsischen Teiche, um dann mit einer Schleie oder einem halb wüchsigen Karpfen im Kropf nach dem Horst zurückzufliegen. Besonders im Hochsommer habe ich fast immer ein paar Reiher hier und da an unfern Teichen gesehen, meist Alle mit ihren Jungen. Auf ihren hohen Stelzen stehen sie im seichten Wasser, unbeweglich und still, wie es sich für ihr Fischerhandwerk schickt, oder sie schreiten vorsichtig in geduckter Haltung am Wiesenufec dahin. Mit Recht sind die Teichbesitzer und Fischereiberechtigten unsrer Lausitz schlecht auf die Fischräuber, diese „preußischen Fisch diebe", zu sprechen, und gar mancher fällt der Büchse oder dem Eisen zum Opfer. Im Sinne des Naturschutzes dürste es aber angezeigt sein, die Fischreiher vor allzustarker Verfolgung aus- zuschließen. Man muß immer bedenken, daß ihre Zahl für unsre an fischreichen Teichen so überaus gesegnete Lausitz nur gering ist, der Schaden also nicht allzu schwer ins Gewicht sallen kann. Viel leicht ließen sich auch Mittel und Wege ausfindig machen, daß solchen Teichbesitzern oder Pächtern, die selbst mit kleinen Ver lusten rechnen müssen, der nachweisbar durch Reiher angerichtete Schaden von irgend einer Seite — vom Staat, von Vereinen oder von einzelnen Natur- und Vogelsreunden — ersetzt würde. Ob der wohlgemeinte Vorschlag ausführbar ist, wage ich allerdings nicht zu beurteilen. Jedenfalls wäre es sehr zu beklagen, wenn der schöne Bogel, die malerische Zierde unsrer Teichgebiete, voll ständig verschwinden würde. Auf der andern Seite aber, ich gebe es zu, ist es für manchen Fischereiberechtigten ein vielleicht allzu schweres Opser,ohne entsprechendes Entgelt auf den Abschuß oder Fang des Fischräubers zu verzichten. In dem alten Föhrenbestand bei Weißkollm haben aber noch andere Vögel ihr Heim aufgeschlagen: Dohlen, Spechte und Blaurake n. Letztere, auch Mandelkrähen genannt, fesseln uns vor allem. Wir finden die farbenprächtigen Vögel auch inner halb der sächsischen Grenzen; z.B. brüten einzelne Pärchen in den alten Eichen auf den Dämmen der Quooser Teiche und auch sonst hie und da in der sächsischen Niederlausitz. Im übrigen sind