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rücken muffe, auch ihr Mann werde wohl sogleich eingezogen werden und so weiter. Diese schüttelte den Kopf und wußte nicht, was sie denken sollte; das eine Viertel konnte doch solche Reden nicht bewirkt haben, denn Friedl schwadronierte doch erst bei acht- bis zehnfach größerem Quantum —, aber die Sache war ihr doch nicht ganz geheuer und ließ in ihr allerlei wunderliche Gefühle entstehen. Der Schwätzer wankte seinem Häuslein zu, welches ganz am untersten Ende des Dorfes stand. Eigentlich gehörte ihm das Haus noch nicht, denn nach dem Wunsche seiner vor zwei Jahren verstorbenen Mutter — der Vater war schon zwanzig Jahre tot — behielt es seine Tante, die alte Christ!, noch, denn sonst hätte es Friedl schon „versuffm". Die Christi lebte von ihrer Rente, trieb nebenbei Garn und schlug sich so kümmerlich durchs Leben. Als ihre Schwester, Friedls Mutter, starb, blieb ihr als einziger nahestehender Mensch der Junge übrig und da hatte sie gerade genug, denn er war, wie die Leute trefflich sagten, ein „Lumerch"; was er die Woche über in der Zwisterei verdiente, wurde Sonnabends in Branntwein um gesetzt. Einmal vergriff er sich sogar an Christels Spargroschen. Machte ihm diese Vorwürfe, dann trat sogleich der erste beste Besen in Tätigkeit. Anfangs fiel es der armen Tante schwer, sich dem Schicksal zu ergeben, denn den Zungen in eine Anstalt zu geben, ging gegen ihre Würde —, aber der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier und im Laufe der Zeit fügt er sich in alles. An und für sich war Friedl nicht schlecht, er hatte sogar ein gutes Gemüt, doch war es durch Verziehung ganz verkümmert. Er hatte nicht arbeiten gelernt und ergab sich schließlich auch dem Trünke. Friedl kam nun heim. Seine Tante hatte inzwischen eine kleine Mahlzeit bereitet, Kartoffeln und Butter gabs, sein Lieblings gericht, und er ließ sichs wohlschmecken. Nachher erzählte er die Mär vom Kriege. Christ! wurde nicht wenig betroffen und fragte schließlich, von wem er dies erfahren. „Die Nacht schtoann Enner ver marn Betti und soarte mersch und, koannst's gleebm, 's is wuhr," gab jener zur Antwort. Es war auch keine Lüge gewesen, denn am andern Tage stand iw. „Blaatl", daß Deutschland sich im Kriegszustände befinde. Heilige Begeisterung herrschte im Dorfe. Auf der Straße sangen Kinder Vaterlandslieder, während die Alten bebenden Herzens von der großen Zeit sprachen. Einige Tage später hieß es, „dar. hoat Urder, jenner o; Neums Großer muss'n Mont'g furt." Tante Christi, die sonst so lebhaft und lustig, wurde plötzlich still. Ohne viel Worte zu machen, besorgte sie ihre Einkäufe, daheim wollte ihr die Arbeit nicht recht von Händen gehen; sie bangte um ihren Neffen, denn das war ja ganz sicher, daß auch er in nächster Zeit einrücken mußte. Alle die durch ihn erlittenen Quälereien waren vergessen, alle verzieh sie ihm und suchte nur seine besten Seilen heraus; mit einem Wort gesagt, er war ihr Engel geworden. Keinen Menschen aus Erden lieble sie mehr wie diesen. Friedl nützte das aus und tat sich beim „Kramergustl" manche Güte. Christ! übersah dies und meinte bloß: „Lußt'n ock, 's wird su ne mieh langi dauern." Drei Wochen währte diese schöne Zeit, dann trabte eines Mor gens der Friedl, hübsch gekleidet, mit einem Kästchen aus dem schlafenden Dorfe hinaus. Christi begleitete ihn bis zum Bahn hofe des Nachbarortes, allwo schon eine Menge Männer ver sammelt waren. Der Zug näherte sich. Christ! drückte ihrem Zungen, wie sie letzthin immer sagte, nochmals innig die Hand und erlaubte sich auch einen schüchternen Kuß. Jener wußte nicht, wie ihm geschah, er war ganz von Sinnen und vergaß beinahe, in den Wagen einzuste gen, hätte ihn ein Kamerad nicht mit gezogen. Ein Pfiff, die Maschine dampfte und fort gings. Christi winkte noch lange nach, dann schlich sie langsam heim, verriegelte die Tür und gab sich ganz ihrem Schmerz hin. Sie konnte es nicht fasten und sie wollte auch nicht. Das Leben kam ihr nun öd und nutzlos vor. So vergingen Tage und Wochen. Nach einem Monate brachte der Briefträger ein Kärtchen in das Haus, welches die Einsame lieber nicht gehabt hätte, es enthielt nämlich die traurige Nachricht, Friedl sei auf der Fahrt ins Feld. Alle ihre Wunden wurden wieder aufgeristen, dazu kam noch eine unheimliche Ahnung. „Wards sahn, dar kimmt nemieh wieder," sagte sie ihrer Nachbarin. Ein halbes Zahr später. Zm Dorfe waren schon einige Trauer botschaften eingetroffen. „Neums Grußer, Schmieds Emil hatten den Heldentod gefunden; mehrere waren verwundet, andere ver mißt. Es war Freitag nachmittags. In Schulze-Fleischers Laden standen einige Frauen beisammen: die„Richterjuli", die „Schuster- resl", die Franzikorlini" und noch einige. Nun gesellte sich die „Pietschgetti" dazu. „Gun Tag minander." „Gun Tag." „Hoat- tersch denni o schunn gihirt, Liegnfriedl is gifolln." „Woas," gaben jene zurück, „war sorts denni," fuhr die Richterjuli allein fort. „Schmiedibauersch Gustav hoats gischriebm, und dar is do immer mit'n basoamm giwast." „Nee oach Gutt nee," redete die andere, „iber die oarmi Christi koannch miech »endlich derboarm, die is nu ganz alleeni." Während des Gespräches strich sich jemand im Flur die Füße ab und trat durch die halboffene Ladentür. Die Nichterjuli wandte sich um, wer wars: 's Christi. Jäh verstummte die Unterhaltung, alle gerieten in die größte Verlegenheit und er widerten kaum den Gruß. Christ! wußte aber alles, ihre Ahnun gen waren Wirklichkeit geworden. Mit leerem Körbchen wankte sie wieder in ihr Häuschen und legte sich ins Bett, um sich ganz ungestört ihrem Schmerz hingeben zu können. Schier unmöglich war ihr dieser Schlag. Ihr Friedl konnte doch nicht tot sein, aber ihr Innerstes sagte ihr die Wahrheit. Tags darauf machte sich die Richterjuli auf, um die Unglückliche zu besuchen. Wie erstaunte diese, als die Haustür offen stand, aber niemand zu finden war. Nach langem vergeblichen Rufen wagte sie sich in die Kammer. Dort lag die Gesuchte, aber ihre Augen waren ja so gläsern und kein Atem bewegte sich aus ihrem Munde: sie war tot. Schleunigst eilte die Juli zum Arzt, welcher auch bald ins Kämmerlein Einkehr hielt. „Sie hat einen schönen Tod gehabt, nämlich Herzschlag hat ihrem Leben ein Ziel gesetzt," sagte er zur Richterjuli. Währenddessen brachte man die amtliche Nachricht vom Tode Friedls. — Die Richtern kümmerte sich um das Begräbnis und sie brachte es auch dahin, daß Leichenfeier mit dem Ehrengedächtnis Frie- dels zusammen gefeiert wurde. Das Häuslein stand nun vereinsamt und verfiel der Gemeinde, die um unnötigem Fenstereinschlagen vorzu- beugen, bald bewohnen ließ. Licgenfriedl aber, seinem Leben verachtet, wird nun geehrt und mit auf der Tafel der Helden. Oberlausitzer Heimatabend in Dresden ^MDkenn die „Aebrlausitzr" in Dresden zu ihrem alljährlichen WAI'M „Heemteobnd" elniaden, dann versprich! man sich einen schönen Abend. Daher ist auch jedesmal der Andrang ein sehr großer. Auch Heuer wieder, am 11. Februar, waren die herrlich geschmückten Räum- des „Kristallpalastes" aus der Schiller- straße in Dresden „dicke viril". Man feierte ein „Acbrlausitzr Schul fest". Die Frauen und Mädels wann meist in Sommer- oder Dirndl kleidern gekommen und irugen Kränze in den Haaren und Schärpen; auch die „Moannsen" viel kurze Hosen und Schärpen und Fähnchen. Ein bunlbewegtes Bild. Und alle die schönen Erinnerungen an das Schulsestin der Jugendzeit wurden wieder wach. Einen geradezu präch tigen Anblick bot der allgemeine Schulaufzug. Da wehten die Fähn chen und Kränze an den Stäben. Der neue Gemeindefürstand Berndt sein Ebersbacher) begrüßte mit launigen Worten die großen Kinder. Er meinte, wenn auch die Zeit zu Festen noch nicht wieder da sei und wenn auch die üblichen B at- und Knackwürste zurzeit noch fehlten, so möchten doch die Oberiausitzer i:> Dresden ihren Heimatabend nicht missen. Und er wünsch'e schließlich allen Teilnehmern einen recht fröh lichen Abend. Und das ist der Oberlausitzer Heimatabend auch allen wieder geworden. Allen, allen hals wirklich gefallen, wenn? auch noch so voll war. Es wurde aber auch wirklich viel geboten. Eine „Hecke" Knaben und Mädchen führten einen allerliebsten, humoristisch gefärbten Schulreigen aus und eine sechzehn Mann starke Knabenrieae zeigte sich als drollioe Grlenkpuppcn, deren Bewegungen umso drastischer wirkten, als sie eine Kappe auf dem Kopfe trugen, die das wirkliche Gesicht verbarg, aber auf dem Hinterkopfe eine Gesichtsmaske zeigte. In den Ncbensä'en war Gelegenheit zum Kegeln und Sternschießen, Sack huppen und Topjschlagen. Eine Lotterie brachte die so sehr begehrten