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52 Oberlausitzer Heimatzeitmtg K^ch — flog es an die Bansenwand und zerbrach. Christian hatte es ihm voll Wut entrissen. „Willst du 'n Birkhof onzündn, verfluchter Nischtnutz?" fuhr er den Trunkenen an. „Ozündn, ozündn? Ja su, Feuer, wormes Feuer. O, schien Hots gbrannt. Siehst'n stiehn, siehst'n stiehn, dort an Fairster, dan Ahlen? Wie die weißen Loden stottern. Weg, weg, Feuer!" Der Knecht mußte mit aller Gewalt an sich halten, daß er sich nicht auf den Irrsinnigen stürzte, so arbeitete es in ihm voll roher, sinnloser Wut. „Hihihi, hiersts wühl nö garn? Dir wörs lieber, der Schusterbarthl biß ins Gros. Machts nö, machts nö." Christian stand hart vor dem Alten. Seine Augen blitzten drohend. Die Stimme bebte vor Grimm. „Barthl, ich rot dir. Laß dich eischließen, wenn du bsoffen bist! Sonst gibts am End noch a Unglück." „Unglück, Unglück? Wird nö glei wieder brennen." Schusterbarthl lehnte seinen schwachsinnigen Kops an die Banseuwand und fing an zu schlafen. Aber Christian zerrte ihn empor und stieß ihn zum Hostor hinaus, das er hinter ihm sorgftiltig schloß. Im gleichen Augenblicke trat die Kleinmagd, die erst am Tage vorher ihren Dienst angetreten hatte, aus dem Stalle. „Nanu, wos für a Lump is denn dos?" rief sie Christian zu. Draußen am Tor hatte es der Ausgesperrte gehört und überhäufte die Magd mit einer schmutzigen Flut gemeiner Schimpfwörter. „Oll beede könnt ihr ba mir e Luhn und Brut giehn müssen," schloß er seinen Wutausbruch und humpelte dem Doise zu. Da schlug ihm noch der Magd Antwort an die Ohren: „Ihr seid wühl o enner, dar 'n Herrgott 'n Tag stiehlt?" Flugs drehte er sich wieder um. „Herrgott, hihihi, wu is dar? Host ihn gsahn? Mit verbrannt, mit verbrannt. Hihihi, groe Wolken, Dunst." Selma war ebenfalls in den Hof getreten. „Loß'n ock brüllen! Sen Teel hol a schon weg, verrückt is a schon. Gott läßt 'ch nö spotten. Der Borthl brengt Ke oernünftg Wurt raus," sagte sie zur Kleinmagd. Unwirsch fuhr sie Christian an: „Denkst etwa, dei Pfaffen quatsch is sehr vernünftig?" Selma wandte sich erschrocken nach ihm. „Mer warn aber bald brauchen, 'n Pfarrn. Möchst su noch und noch a brinkl anders rädn." „Hihihi, der Psoff, ob der Tute ufwecken kann?" klang es vom Tore her, wo der Schwachsinnige sich wieder dem Lattengitter genähert hatte. Aus der Flasche schüttete er sich den letzten Tropfen in den Hals. Da riß der Knecht, blaurot vor Wut und zitternder Er regung, das Tor auf, erfaßte die Flasche und warf sie in weitem Bogen an die Scheunenwand, wo sie in unzählige Splitter zerschellte. Den Alten schob seine grimme Faust der Straße zu, wo bei er ihm heiser vor Zorn zuzischelte: „Willst uns no es Zuchthaus brengen mit deim Saufen? Nimm dich zamm, 's passiert no was!" Selma sah den beiden mit Kopsschütteln nach. Seide wars nicht, was zwischen den beiden gesponnen wurde. Obs mitChristians Wurm Zusammenhängen mochte? Am Abend wurde in der Mägdekammer ein Stück von Autol lebendig, denn Selma mußte der Kleinmagd Neugier befriedigen. Är 4 Ja, der Bartholomäus-Schuster, ein Großbauer könnte er sein, wenn er darnach getan hätte, ist aber ein Galgenvogel gewesen, solange es einem gedenkt. Sein Vater hatte sein Besitztum, den roten Hof, zeitig seinem einzigen Jungen, dem Barthl, übergeben und sich ins Ausgeding gesetzt. Der Barthl aber hatte nun Tag und Nacht an den Schenk tischen der Umgegend gesessen und das Gesangbuch mit den zweiunddreißig Blättern abgesungen. Wer zu ihm ge kommen mit leerem Beutel aber gewandten Teufelsfingern, hatte es leicht zu was bringen können. Schließlich hatte er sich gar noch aufs Querschreiben verlegt, bis zu guter Letzt der rote Hof unterm Hammer war und Barthl wegen Wechselsälschung hinter Schloß und Riegel kam. Den alten Auszügler, den Schusterlieb, hatte der neue Besitzer mit übernehmen müssen. Einige Jahre darauf, der neue Rot hofer war schon gestorben, ist dann der Hof abgebrannt und der alte Schuster in den Flammen umgekommen. Seither rappelts nun beim Barthl, der damals wieder frei war, im Kopse. Und hat er einen lichten Tag, so säuft er sich wieder in die Dunkelheit hinein. Zurzeit ist er der alleinige In sasse des Armenhauses. „'s wird vill gredt vom Rothofbrand. Aber das sag'ch der, halt dir de Uhrn zu derbei. Sonst ös os'n Birkhof kee Platz für dich. Unse Frau ös gutt, aber keene Spaßge." So schloß die Großmagd ihre Erzählung. * ch ch 3. Kapitel. Oben in der Mägdekammer war es finster und still ge- worden, doch unten neben der großen Gesindestube, fiel noch ein Helles Licht aus dem kleinen Nebenstübl in die dunkle Nacht. Der kleine Raum war, wie bei den Familienstuben der Bauern so üblich, mit wenig aber festem Hausrat an gefüllt, der für Jahrhunderte gebaut schien. Ein großgeblumtes Sofa, in dessen einer Ecke eine weiße Katze schnurrte, stand hinter einem viereckigen Tische, der mit einer Hellen Wachstuchdecke bezogen war. An der einen Wand stand eine riesige Kommode, ihr gegenüber aus der andern Seite ein dunkler, dickbäuchiger Sekretär. Die Standuhr auf ihm schnarrte neun leise Töne. Da ging die Tür auf, die vom Hintern Teil der Hausflur, der Küche, hereinführte, und die Birkhoferin trat ein, ein hohes, kräftiges Weib, in ein dunkles Wollkleid gehüllt. Ihr Gesicht zeigte noch die Spuren einstiger Jugend schönheit, obwohl sich um die Augen zahlreiche Fältchen gruben, die Runen des Menschengeschicks. Ader über ihnen lag eine herbe Starrheit. Die kalten, abweisenden Augen sprachen: „Was schiert mich die Welt, die meine ist der Birkhof." Nur ihrem noch vollen, nußbraunen H»ar hatte das Schicksal nichts anhaben können. Die Birkhoferin hatte eine harte Schule durchlaufen und war in ihr auch selbst gehärtet worden. Der Birkhofer, der sie nur als Ausstattungsstück ihrer Schönheit wegen geheiratet hatte, war nicht Herr geworden über der Leute Mäuler. „Die Schwester des Mordbrenners" hieß es fort und fort, obwohl es ihr gelungen war, den Bruder vom Verdacht zu reinigen, denn es hatte ja genug Leute gegeben, die Seite an Seite mit ihm zur Brandstätte geeilt waren und deren Zeugnis natürlich den Ausschlag gab. Doch wenn die menschliche Bosheit einen in ihren Krallen hat, läßt sie ihn nicht mehr los, und wenns ein Heiliger wäre. Dagegen kämpften auch die harten Taler des Birkteichers vergebens an, was er nun sein Weib entgelten ließ. Fünf Jahre hatte ihre Ehe gedauert, fünf Jahre Hölle.