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lll. Die Kriegergrabstätte Auf einem besonderen Teile des Friedhofes ist der Ehren- sciedhof für gefallene und verstorbene Krieger errichtet. Ein Grab reiht sich an das andere, jedes ist mit Efeugrün umkleidet. Keines zeichnet sich vor dem andern aus oder tritt hinter dem andern zurück. Auf jedem Grabhügel erhebt sich ein Stein. Er trägt die Form eines eisernen Kreuzes und als Inschrift nur den Namen, den militärischen Rang und das Alter. Die Gesamtanlage ist von einer grünen Hecke umgeben. Im Hintergrund erhebt sich ein mächtiges Holzkreuz mit weit ausladendem Querbalken. Auf ihm grüßen die Worte „Friede sei mit euch", wie segnend alle, die darunter und daneben schlummern. So etwa sieht hier oder dort die Grabstätte der Krieger aus. Wie ist's dazu gekommen? Als der Krieg begann, kam allmählich auch der Tod in die Heimat. In den Lazaretten krankten sie und starben. Aus der Ferne wurden Verstorbene in die Heimat überführt. Sie alle sollten ein besonderes Plätzchen auf dem Friedhöfe haben. Niemand wußte, wieviele es werden würden, die dort ruhen sollten. Da der Krieg doch nicht lange dauern würde, wie man meinte, so würden es auch nicht so viel der Toten werden. Der Platz ward darum nicht groß bemessen. Hätte man damals geahnt, wie eine Reihe nach der andern sich füllen sollte, es wäre von Anfang an vielleicht eine andere Grab stätte gewählt worden. Nun mußte man sich in den gewählten Platz schicken. Wenn er auch nicht überall mustergültig ist, so hat doch Kunst und Liebe die Stätte würdig bereitet. Dort im Wald friedhof zu München ruhen sie unter den hohen Kiefern in einer größeren Anzahl von Abteilungen, deren jede eine besondere Art von Holzkreuzen trägt. Anderswo sind besondere Plätze geschaffen im Rundteil oder im Viereck. Aber alle gleichen sich in dem einen, daß ein Grab wie das andere nach Form und Grabmal gestaltet ist. Wie die Soldaten in Reihe und Glied, einer wie der andere, einst standen, so sind jetzt ihre Gräber in Reih und Glied gestellt, und dasaufrechtstehende, nach oben weisende Kreuz erinnert daran, daß der Heimgegangene nach oben entrückt und in der Liebe des gekreuzigten und aüferstandenen Christus ruht. Die Grabmalkunst hat für den Ehrcnfriedhof mancherlei Grababzcichen geschaffen, von den ödesten an, die aus kleinen gußeisernen Kreuzen bestehen, bis hin zu den künstlerischen, ge schmackvollen, in mancherlei Formen sich bewegenden Holzkreuzen, sinnig bemalt, und zuletzt bis zu den Steinkreuzen, die am längsten dauern und den Ehrenfriedhof zu einer bleibenden Erinnerungs stätte weihen. Es hat jede Gemeinde eine Ehre darein gesetzt, Grabmäler und Gräber würdig zu gestalten. Es haben sich frei willige Liebesgaben in reicher Zahl geeint, um jedem ein solches Grabmal zu stiften, auch wenn Angehörige nichts oder nur wenig dazu spenden konnten. Das soll ein Stück des Dankes sein, den die Heimatgemeindc ihren gefallenen Söhnen und Töchtern bringt. Ob die in Frankreich oder Rußland von unseren Truppen so herrlich errichteten Ehrenfriedhöfe auch vom Feinde weiter er halten und gepflegt werden, wir wissen es nicht. Aber das wissen wir: auch wenn von Reichswegen für die Erhaltung solcher Fried höfe nicht das gespendet wird, was einst versprochen ward, die Liebe der Gemeinde, in deren Mitte ein solcher Friedhof steht, wird aus ihrem Eigenen soviel geben, daß Gräber und Grabmäler würdig bis in ferne Zeiten erhalten bleiben. Denn darin ehrt sich die Gemeinde selbst, wenn sie ihre Toten ehrt. Ist schon ein ver kümmerter Gemeindefriedhof ein schlechtes Zeugnis für denSeelen- zustand einer Gemeinde, so würde vor allem ein verwahrloster Kriegerfriedhof solcher Gemeinde ein schlechtes Zeugnis ausstellen. Wenn der furchtbare Krieg vielleicht längst entschwunden und auch die von ihm geschlagenen Wunden zum Teil vernarbt sind, so wird doch der Ehrenfriedhof ein Denkmal dafür bleiben, wie tief dieser Krieg in das blühende Leben gewüstet hat. Es werden dann kommende Geschlechter ein Beispiel sich nehmen können, auch im Frieden getreu zu sein bis in den Tod, und die vielen Gräber werden folgende Geschlechter mit Entsetzen vor einem neuen blutige?, Kriege erfüllen. Die Grabmäler aber, die vielen Kreuze, werden in einer Zeit, wo das Kreuz verachtet und von vielen aus der Welt und aus dem Herzen herausgerissen werden soll, Hinweisen auf eine Zeit, wo viele ihr Leben opferten und da mit in die Fußtapsen dessen traten, der einmal sagte: „Niemand hat größere Liebe, denn die, daß er sein Leben läßt für seine Freundei" IllllllllINMaillllWIIMNININNNININNINIINMNIIMINNMNINNlNIIMNNNIIININIMIIIINNU« Rauhreif*) Betrachtung van Otto Flösset ist ein Bild unvergleichlicher Schönheit, der Wald UWM im Rauhreif. Mögen wir ihn im ganzen betrachten, wie er in erhabener Größe blendend weißer Gerrän. der vor uns steht gleich einer Braut, mögen wir ihn im einzelnen ins Auge fassen, wie fein die Spitzen- geweve, die Aste und Zweige umhüllen, wie kostbar die Kristalle und Edelglstkine, welche in buntem Feuer und zierlicher Ge stalt die Nadeln besetzen: Wir Haden nur ein Gefühl angesichts der Prachtenlsaltung, hohes Bewundern, Edle Seelen stehen in unserer Erinnerung, die so im großen wie im Kleinen gleich schön sich zeigen im Schmuck ihrer inneren Werte. Ein feiner Nebel war durch die Nacht gezogen und hatte sich an Zweige und Nadeln gehängt, die gleich Armen und Fingern nach ihnen auslangten. Mit vielen klaren Tropfen angetan, hatten sie dann dagestanden als weinten sie. Winter- nächte, auch unserem Leben kommen sie. Sorge, Trübsal und Angst geisten gleich Nebeln in ihnen umher und lasten olle Sterne am Himmel verschwinden. Sie Höngen sich in Tropfen an unsere Lider und rieseln in Perlen über unsere Stirn. Tasten auch wir verlangend nach ihnen aus? Denn erst dann begreifen wir das reife Verstehen in uns, welches im Leiden den höheren Sinn erkennt, daß Widerwärtigkeiten und Hemm nisse nicht lebenzerstörende, sondern lebenerhaltende Kräfte in sich tragen. Harter Frost hat die Millionen Tropfen an Zweigen und Nadeln zu feinen Kristallen vrrdichtet. Nun standen Baum und Forst im Schmucke eines Prachtgewandes, zur Erhebung derer, die Schönheit mit suhlendem Sinn beschauen. Harter Wcke verwandelt unsere Tränen in Schönheit, verdichtet unser Weh zu leuchtenden Tagenden. Dann werden wir E-gen für die, die uns suchen. Mißerfolge wecken doppelte Kräfte. Ver luste erziehen zu entsagungsvoller Erkenntnis von der Nichtig keit alles Menschlichen. Enttäuschungen führen an zum Streben nach höheren, bleibenden Werten. Geduld, Bescheidenheit, verstehenwollendes Versenken in die Geschicke anderer, Unter ordnung des Materiellen unter das Geistige, Seele, Charakter: Das sind die schmückenden Edelgebilde, zu denen harte Schule unsere Dänen ausknstaüistert. Gerade die Größten unter uns, die, welche ihrem Volke etwas gewesen sind, sind durch Leid und strenge Selbstoeroollkommnung zu Herzensbildung und Seelenretse gelangt. Mit innerem Weh schauen wir di- Orte im Forste, wo Bäume vom Rauhreif zu Boden gedrückt, unter ihm zu- iammengsbrochen sind. Sie waren zu schwach M die Last, die die Nacht auf ihre Schultern legte. Wie viele sind deren, die unter der Schwere des Ledens zusammenbrechen! Waren sie zu schwach? War das Schicksal zu schwer? Wer will Richter sein? Wem die Vorstellungen fehlen, die dem Widerwärtigen des Daseins höheren Sinn verleihen, dem fehlen die Eckpfeiler für die Stöße des Lebens. Wer nicht ermessen kann, daß uns alle Dinge zum Besten dienen wollen, über den gewinnen die Konflikte des Alltags verwirrende Macht. Dann vernichtet ein widriger Tod, was zu höherem Leden erwachsen sollte, dann bricht in Trümmer, was — zu leuchtender Pracht erstanden — dem leuchtenden Morgen entgegen zu harren bestimmt war. *) Wir entnehmen die Arbeit dem soeben in der Dresdner Vcr- lagshandlung M. O. Groh erschienenen Buche „Waldrain" von Otio Flösset.