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Großmutter plaudert Bon F. Tb Scholze II. ^s^^8rnst und trübe war Großmutters Kindheit gewrsev, UMvH wenn auch sie selbst ,s nicht io empfunden hotte. Ti« kannte nicht den Gegensatz und unsre laufltzer Bauern, dörfl-r der damallaen Zeit waren im Laufe der harten Arbeitssro» interesselos geworden gegen des Lebens vielgestaltiges Wesen. Aber auch hier gab es Frohsinn und Freude; und es ist die Jugend der letzten Jahrzehnte im Der- gleich mit den Jungen aus Großmutters Lebenslenze oft blasiert genannt worden. Freilich mit Unrecht. In der Art, sich zu ver gnügen, ist natürlich ein vielgestaltiger Wandel eingetreten, und die Möglichkeiten, sich über das gesunde Maß zu vergnügen, sind unzweifelhaft auch aus dem Lande größer geworden. Groß mutter ist aber auch hier eine feinsinnige und gerechte Beu» teilerin, die über die Sittenverderbtheit der fetzigen Jugend nicht mit wettert, denn ihr gutes Gedächtnis weiß auch von manchem Übermaß und mancher Ungereimtheit ihrer eignen Iugendgesähr ten zu erzählen. Damals wie heute stand im MItte'punkt der Iugendsrenden der Tanz. In d-r rohgedielten, weißgescheuerten Gasthausstube dudelte der Leierkasten und Bursch und Mädel tanzten um die dicke Säule in der Mitte. Jedes „Moanzen" mußte für den Abend 25 Pkennige dem Leterkostenmanne Zahlen. Waren Bläser da, so kostete es sogar 50 Pfennige. Die „Madel" gingen frei aus. Weich buntes Bild in der niedrigen, qualmersüllten Gast- stube! Die Männer und Burschen in langschästigen Stieseln und groben Joppen, ein rotes oder buntes Kaltuntuch um den Hals geknotet. Die Mädel in kurzen Röcken, blauen Strümpfen und Lederpontoffeln. Uber Hemd und Leibchen faltete sich kreuzweise geknüpft das leuchtend bunte und mit Franzen geschmückte Kattun- oder Tibettuch. Eine Busennadel für «inen Pfennig mit bunter Glasperle zog es keusch am Hals zusammen. Die kurzen weißen Hemdärmel wurden mit einem breiten und einem schmalen Ausschläge zmückgelegt. Bald knarrten die Stieseln, bald klapperten die Lederpon- toffeln im lustigen Tanze. Den Barschen wards zu heiß. Da hingen Jacke nnd Weste an der Wand. Nun ging« b-fser, als die langen Hal-tuchzipsel aus der freien Hemdbrust flatterten. Wie schmeck»« dann in der Tanzpause das Einsachbter, der große Steinkrug für ockt Pfennige. Für sein Mädel aber kaufte der Bursch ein Glas Zuckerwosser. An Limonaden oder ähn- liches dachte damals ov-ch niemand. Oder war er freigebig, so spendierte er wohl seiner Tänzerin ein Gläschen roten Kirsch- schnaps; er selbst trank einen „Stamper" aus der Hellen Kümmel flasche oder von der grünen Bornkresse. Und was wurde getanzt? Walzer, Rheinländer, Zweitriit, Polka und Galopp. Die alten Tänze, über die auch unsre Zeit nicht hinauskommt und zu denen sie immer wieder zurückkehrt, sie waren auch in Großmutters Iugendtagen die Lust aller Tan zenden. Bei ihren Rhythmen vergaßen einst wie fetzt so viele die Sorgen des Alltags, flogen die Gedanken höher, schlugen die Herzen schneler, fanden sich Lippen zum Kvsie und Seelen zu dauerndem Vereine. Und wie jetzt, so summten und sangen die Tanzenden auch oamals zu den dudelnden, knarrenden und quiekenden Leierkastenlönen oder den schiesgeratenen Trompeten klängen die Weisen mit. Derb wi» die Hände der Burschen, wie die Arme und Wangen der Mädel, so waren auch ihre Tanzlieder. Zierlichkeit und Prüderie waren ihnen fremd. Sie konnten nicht das Der- logene und Unnatürliche im Verkehr der Menschen untereinander. Sie plagten sich in des Werktags langer, harter Arbeitsfron und füllten des Feiertags wenige Stunden mit aller Lust und Stnnensreude. Sie sahen und kannten die Ungleichheit der Welt, aber daß es einen Weg zur Besserung gab, ahnten sie kaum. „Uff dar Walt giehts kunterband: dar is kurz und dar is lang, dar is buckl'ch und dar is gleich." To hieß eins ihrer Tanzlieder. Oder sie tollten mit den Werten: „Ich rett zum Teifel, ich reit zum Teifel und Kumm o ne mie wieder" durch den Saal. „Sal'ch amoal die Sagmitz oao, wie die schiene tanzen Koon! Sagmitz hie, Sagmitz her! War doch keene Sagmitz wär!" So klang es spottend auf die damals noch üblichen Zipfel mützen. Auffordernd scholl es aus einem andern Lied«: „Trink met Briederlein, trink mei Briederletn, Branntwein macht Courage! Wenn der Wirt ne bürgen will, leckt ar uns oam ." Mahnung und gute» Raten sprach aus den folgenden Worten: „Seff bleib do! Man weetz ja ne, wies Water wird, s kennt wull rahn und 's kennt o schnei», murne kennte o schiene sein. Seff bleib do, man weeß ja ne, wies wird! M'tn Madel magste schlaffen giehn, die Loatschen läßte unten stiehn. Man weeß ja n», wies wird!" Als Großmutter einst einen Burschen, der statt des roten Halstuches ein schwarzes trug, weil seine Mutter vor kurzem gestorben war, tadelte, daß er schon zur Tanzmusik käme, da rief er keck den Bläsern zu: „Ye, macht mir amoal doa» Tanzbisscl: Kimmt si wieder, do kimmt si wieder, do flickt st mer die Hemden wieder." Lachend folgten ihm Bursch und Mädel zum Tanz. Bis zum Morgen leuchteten die niedrigen Gasthoussenster, klangen die Tanzweisen, klapperten die Lederpantoffeln. bi« ein Pärchen nach dem andern verschwand und am Schenksim» nur noch ein paar Hagestolze ihren Arger über die erlittenen „Ad- fuhren" hinunterspülten. Dann brach der Alltag an und mit ihm viel Arbeit und lanae Taaerpfttchten. Aus Oberlichtenaus Vergangenheit Don Fr. Bernh. S1 örzner. Don Oberlichtenau bei Pulsnitz^ führt mitten durch Felder und Wiesen noch dem eine gute Wegestunde entfern» liegenden Gersdors ein Fußpiad, der „Oberlicktner Leichenweg" genannt. Er erinnert an eine Zett, da beide Dörfer in kirchlicher Gemein- schäft miteinander standen. Die Überlieferung berichtet, es habe einst vor der Reformation im jetziaen Pfarrgarten zu Ober lichtenau eine Kapelle, dem heiligen Martinus geweiht, ge standen, die »ine Tochterkirche von Gersdors gewesen sei. Der katholische Pfarrer wäre sonntäglich nach Oberlichtenau ge- kommen und habe daselbst Gottesdienst gehalten und eine heilige Messe gelesen Die in Oberlichtenau Gestorbenen wurden aber nicht in Oberlichtenau, sondern auf dem Gottesacker in Sersdorf begraben. Auf dem erwähnten W«ge hat man sie damals dorthin zur letzten Ruhe getragen. Daher der Name dieses Weges. — Als nun die Wittenberger Nachtigall zu schlagen begann, achteten auch die Oberlichtenauer andachtsvoll auf ihren Ge- lang. Sie neigten bald Luthers Lehre zu und bekannten sich frei und offen als seine Anhänger. Der katholische Psarrer zu Gersdorf fühlt« sich nicht mehr sicher und floh eines Tage«. Er nahm olle kirchlichen Urkunden mit und vernichtete sie. Oberlichtenau Hot sich darauf kirchlich von Gersdors getrennt und eine neue Kirche gebaut. Seitdem bildet es eine eigene Kirchgemeinde bis auf diesen Tag. — Alles Große und Guts, worauf unsere gegenwärtige Existenz sich stützt, und davon ausaeht, ist lediglich dadurch wirklich geworden, daß edle und kräftige Menschen allen Lebensgenuß für Ädson aufgeopfert haben. 6chl-i«,»ach«.