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„Leben im Tode, Licht in der Nacht! „Christ ist geboren!" So schallt' es mit Macht. — Und horch! Da heuit's in den Klüften tief. Herauf sährt graues Bolk. Das schlief den Winterschlaf. Im Strome grollt der alte Nix. Es zischt und rollt ein alter Drache im sumpfigen Grund und kocht ein gärend Gift im Schlund. Am Weiher birst der harte Schild des Eises. Aus dem Spalte quillt schwarz ein trotziges Auge empor, es knistert die borstige Braue, das Rohr. Und als gekommen die Mitternachtsstund, ein Zittern ging über das Erdenrund: die weiße Hülle begann zu beben, das Weiße schien sich langsam zu heben, ein Riesenschiminel in trägem Trott, darauf ein grauer Heid engott! So schlurft es durch den Tannenwald. Ein Nebelmantel deckt die Gestalt und flattert in langen Falten nach. Des blauen Riesenhutes Dach hängt in die finstre Stirne herein. Und seines Auges mondkalter Schein schießt weithin über di? Wege und weist dem Schimmel die Stege. — Und wo er reitet, da schweigt der Tann, die Nachtgeister halten den Atem an. Er Hal sie in Frost und Eis gespannt und in die Tiefen der Wasser verbannt. Sein eines Auge blinkt stolz und bleich: Wotan Ruh m Pracht durchstreift sein Reich. — Und sieh: Jetzt trifft ihn der seltsame Ton: „Christ ist geboren! Gottes Sohn!" Und weil er seinem Ohr nicht glaubt, wirft in den Nacken er jäh das Haupt. Doch droben im Raume, blau und fern, hält ihn gefangen ein lichter Stern; der leuchtet Heller als alle die andern, die droben stehen oder wandern. Es sog den blinkenden Wunderschein des Leiters Auge in sich ein. Die milde Klarheit, die warme Pracht hat ihm gewaltig zu schaffen gemacht. Er ballte die Wolkenfaust im Zorn und gab dem Schimmel Dorn und Sporn; der flog mit sprühenden Nüstern dahin durch das weiße Düstern. — Doch Heller und Heller erstrahlte der Stern. Und lauter und lauter erklang es von fern: „Christ ist geboren! Der Herr ist da!" Jetzt klang es, als sängen's die Bäume, so nah. Da hält Ruhmpracht an und spricht zu sich: „Deristgewaltigerdennich!" Es rang sich wie ein harter Stoß aus seines Herzens Tiefen los. Dann steigt er von dein Roß herab. Einen grünen Wipfel brach er ab von einer der Tannen, die da standen; der blitzte voll lauter Schnecdiamanten. Er schultert ihn auf und eilt im Nu mit Meilenschritten nach Süden zu, über Berge und Ströme und wogendes Meer. Der Stern scheint Heller vom Himmel her. Und als er keuchend am Kripplein stand, drei Könige knieend er da fand, die legten ihre goldene Krone auf die Erde vor dem Gottessohne und schenkten ihm Weihrauch, Mnrrhen und Gold und beteten an das Knäblein hold. Er lehnte betreten an der Wand und drehte verlegen des Schlapphuts Rand. Es wollte schwer in den Kopf dem Alten, das Knie zu beugen, die Hände zu falten. Es fiel ihm auch kein Sprüchlein ein. Wie hält' es auch können anders sein? Im Süden hatten sie längst vernommen, daß einst der heilige Christ werde kommen. Er kam aus nordischer Wälder Nacht und hatte dieTanne nur mitgebracht. Drum sprach er: „Du heiliger, frommer Christ, „ich will dir dienen zu aller Frist „daheim in meinem Tanncnland! „Und will Knecht Ruprecht sein genannt." Drauf pflanzte am Kripplein der ölte Gesell den glitzernden Tannenwipfel schnell. Da schmolzen vom Hellen warmen Strahl die weißen Schneesterne allzumal und wurden Perlen, rein und klar, wie Trän en tau im Nadelhaor. Das Christkind freut sich, wie das scheint! Bor Freude hat es mitgeweint! Maria brach ein Zweiglein los und legt es still in ihren Schoß. Das Reislein aus dem Tannenwald — das Reislein hatte — Kreuzgestalt. Seitdem wird im deutschen Vaterland die Tanne immer Christbaum genannt. Seitdem zieht Knecht Ruprecht bei uns einher und ruft: „Gebt acht! Es weihnachtet sehr. „Nun sollt ihr Jungen und ihr Alten „ein fröhliches, seliges Christfest halten!" Bautzen, 21. 12. 1905. D r. Sliii> lc r. Hirtenjpiel Zweiter Teil des deutschen Krippenspiels Nach alten Volksliedern und Bolksspielen Bon Dr. Hans Stübler Der Chor im Orchester singt als Einleitung: Stille Nacht, heilige Nacht. Auf der Borbiihne um ein Feuercheu drei Hirten in Fellkleidern. Jüngling. Mann, Greis. Nacht Leises Harmoniumspiel, schon ehe der Hauptoorhang aufgeht und während des ganzen Spieles. Jüngling (liegend): Die Mitternacht kommt bald heran, ich seh's dem Himmelswagen an. Ich bin so müd, ich streck mich aus, viel lieber läg ich doch zu Haus. (Schläft ein.) Mann (stehend): Die Nacht ist wvnderlieblich heut. Die Winde schlafen. Wie Geläut klingts aus des Himmels Höhen nieder. Heut scheucht uns nicht Berndietrich wieder die Herde mit der wilden Jagd: was hat der uns norm Jahr geplagt! Altvater, gönnt Euch Schlaf und Ruh! Macht Euer heilig Büchlein zu! Greis (liegend, lesend): Mein Sohn, hier steht ein seltsamWort: „Es scheint ein Licht am dunklen Ort,*) es leuchtet her von Mitternacht und uns zu Lichtes Kindern macht!" Ich habe manche liebe Nacht voll Sehnsucht nach dem Licht durchwacht. (In Verzückung) Ich weiß gewiß, ich soll's noch sehn, eh daß ich mutz von hinnen gehn. Mir sagt mein Herz, es ist ganz nah — (Der Vorhang geht aus, Berkiindigungsengel und 12 Engelchen in strahlendem Licht) Das Wort ist wahr das Licht ist da!