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Du alter Freund, seh ich dich noch einmal Dor meinem Tod? Ach! Und ich glaub cs kaum, Daß ich wiederschau, es diinkt mich Traum. Mann! Beten soll ich? und du gabst mir Wein! Was könnt ich wohl vom Herren noch erstehn, Als diesen Trank, den hier am Busen mein, So will ich gern, wohin du forderst, gehn! Latz mich nicht beten, laß den letzten Hauch Des armen Daseins, das sich mir geboten, Vergehen in dem Zaubertrank, dem roten, Du schwarzer Mann! Und trinkest du nicht auch? Zwar dir zählt nicht wie mir sich die Minute, Dir wird des Weins noch mancher Trunk zugute. Mir aber botest du im Abendmahl Den purpurschäumenden Goldpokal, In dieser Stund zum allerletzten Male, Und dann hinauf aus diesem Erdentale. Nun geh, mein Freund, wir sehn uns nicht mehr wieder, Geh du nach Hause nur, an deine Lieder, Geh du zu deinem hehren Gottessohn, Ich geh zu meinem Gott am Himmelsthron. Leb wohl, und habe freundlich besten Dank Für deines Goldkelchs süßen Zaubertrank. Und magst also du jeglichen erquicken, Der Sterbenden, zu denen sie dich schicken, Uud magst mit solchen holden Himmelsgaben Du jeden Todesmatten so erlaben. Allein vergib! Du kannst mirs nicht verdenken, Dies Brötlein, Lieber, nimm mirs wieder ab. Ich mag nicht Speise mehr von hier zum Grab. Behalt's, bitt ich, von mir zum Angedenken. Er ging! Und nun zu dir, mein einz'ger Gott, Jetzt bin ich frei, zertrümmert ist der Spiegel, 3n dem des Menschengeistes schnöder Spott Dein Antlitz zeigt! Auf goldnem Cherubflügel Empor zu dir! Ich fühls, du nimmst mich an, Zu jeder Freude, die ich tragen kann. Ö dieser Wonne unbegrenzte Schranken! Den letzten Tropfen irdischer Gedanken, Wirft himmlisch schaudernd von sich mein Gefieder. Ich fluch dir nicht, du kreisgewundne Hyder, Die man den Erdball nennt. Ach! Fluch Bist du dir selbst auf ew'ge Zeit genug. Ich segne dich aus dieser Himmelsserne, Wie ich als Mensch gesegnet oft die Sterne. Zn dunkler Stunde Set mir willkommen! du dunkler Tag, Wohl bist du nach meinem Sinn, Der Sturm heult schwarzem Gewölbe nach, Und düstre Schatten, sie flattern dahin! Sei mir willkommen! du dunkler Tag, Mir willkommen aus Herzens Grunde. Solch herbstlich schauerlich Ungemach Tut wohl meiner brennenden Wunde. Es plätschert ein eisiger Regen herab, Herab, herab und hernieder. Als schaute sie aus nach einem Grab, Wanket die Tanne wohl hin und wankt wieder! Zwei einzige Freunde hab ich nur Hier unter des Himmels Raum, Zwei Freunde! o ärmliche Kreatur! Sie heißen der Schlaf und der Traum! — Sie kennen mich noch und kommen zu mir, Ich bin so schmerzlich allein, Und wär auch ihr bleiches Brüderlein hier, — Der Tod — möchts wohl besser noch sein! — Die wackeren Mütterlein (Volks-Ballade) Im Laub der Esche lispelte der Wind, An ihrem Stamme liegt ein bleiches Kind, Das weint und schreit wohl nach der Mutter sein. Den Weg entlang, ach! kommt kein Mütterlein. Kein Mütterlein mit holder warmer Brust, Kein Mütterlein in banger Liebeslust: Vom morschen Turm, in einem schwirren Bogen. Kommt matten Flugs die Eule hergeflogen. Die dunkle Eul', die nächtens schaurig krächzt, Sie hört das Kind, das an dem Baume ächzt. Sie hört das Kind, wie's schreit zum Mütterlein, Das barmt ihn in der öden Seele sein. „Dein Mütterlein, mein bleiches armes Kind, Rufst du umsonst bei Regen und bei Wind, Dieweil du hier am Eschenbanm geruht, Säumt die in einem Saale warm und gut. Dieweil du lagst auf diesem Moderholz, Wallt sie in einem Schlößlein blank und stolz, Dieweil du hier am Moor bist eingeschlas»n, Küßt Mütterlein sich mit dem jungen Grafen. Ich nun bin eine gar zu gute Mutter, Im Turm da drüb' gebricht es uns an Futter. Im Turm da drüb', da heulen sich zu Tod Die Kindelein, und schrein nach Ars und Brot. Wo schaff ichs her? Die Feldmaus ging ins Loch, Das Murmeltier schläft kaum erst eine Wach', Der junge Dachs wird »achgerad zu stark, Denn schon gebricht es meiner Krall'n Mark. Nun eh' du ausweinst deine Äuglein dir, Du liebes, bleiches Kind, so'laß sie mir. Nun, eh' du hier ausjammerst deine Lunge, So laß sie mir für meine magern Junge. Nicht kommt dein Mütterlein: horch! Sang und Tanz Tönt her vom Schloß, sie reigt im Rosenkranz. Halt still, mein Kind, halt still, bald ist's geschehn. Und ich kann reichbeglückt nach Hause gehn. Halt still, mein Kind, halt still. So, nun ist's gut, Nun schweigt dein Schrein, nun rinnt dein warmes Blut. Mit werter Beu'e flieg ich heim zu Nest. Leb wohl, du Kind, ich hole bald den Rest!" Die Eul' ist schrillen Fluges sortgeschwebt, Im Eschenlaub hat's eifrig sortgebebt. Das Kind ist tot, der Mond beglänzt die Szene, Vom Schlosse her schallt wilder Lust Getöne. Wenn die Kälte ihre Opfer fordert Von S. H. ^M-tille, winterliche Heide! Einsam nur schreitet schleppenden Schrittes ein verspäteter Wanderer durch die Abendstille, die nur ab und zu unterbrochen wird von dem durch " Schneelast und Frost verursachten Knacken eines Zweiges. Ja, der Frost! Unter den dünnen Stieselsohlen des „armen Reisenden" quietscht der Schnee. Wird er die in der Ferne winkende Stadt vor Einbruch der Nacht noch erreichen? Ach, seine Kleider sind so dünn: seit Wochen schon hatte er keinen Arbeitsverdienst, und wie durchschauert es seinen schlechtgenährten Körper! Und dabei hat er sich doch erst im Kretscham des letzten Dorfes „gestärkt". Ein „warmer Korn" hatte so mollig seine gesunkenen Lebensgeister angefacht und aufgestachelt, wie Feuer hatte es seine Adern durchrieselt. Aber so müde wie heut hat er sich noch nie gefühlt. Wenn er doch mal ausruhen könnte, nur ein ganz klein wenig: dann will er wieder rüstig vorwärtsschreiten. — Eine Zeitungsnotiz vom nächsten Tage berichtet über alles