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Technik und es ist schon aus diesem Grunde ein Besuch der Werke interessant, weil man auf ihnen die rationellste Art der Kohlenförderung und Briketterzeugung zu Gesicht bekommt. Die Arbeiter kommen fast sämtlich aus den Dörfern der sächsischen Oberlausitz. Die Woche über wohnen sie in ihren Schlafbaracken, Sonnabends fahren sie zumeist nach Hause. Nur wenige sind auf dem Werke selbst seßhaft. Sie arbeiten in drei Achtstunden- Schichten: von 10 bis 6 Uhr nachts, von 6 bis 2 Uhr vormittags und von 2 bis 10 Uhr nachmittags. Die Schicht wird mit 42 Mk. entlohnt, wozu bei Verheirateten noch Familiengelder treten. Während des Krieges wimmelte es hier von Kriegsgefangenen aller Nationen. Jedes der längs der sächsisch - niederschlcsischen Grenze auf preußischem Boden gelegenen Werke umfaßt drei deutlich von einander geschiedene Abteilungen: Grube, Werk und Kolonie. Während im benachbarten Senftenberger Revier zwei Flöze ab gebaut werden, erstreckt sich hier der Abbau auf nur ein Flöz. Es ist unter einer 18 m tiefen Deckschicht von tertiären und dilu vialen Sanden und Geschiebemergel der eiszeitlichen Grund moräne verborgen. Seine Mächtigkeit beträgt auf „Werming- hoff" 11-^-12 m, auf „Erika" 6—8 m. Der Abbau geschieht überall im Tagebau. Tiefbagger haben es bloßgelegt, und noch immer sind sic Tag und Nacht dabei, die Decke weiter abzutragen und neue Stellen des Flözes aufzudecken. Die Sande werden von den Löffeln und Eimern der gefräßigen, nie zu sättigenden Maschine in die Wagen der elektrischen Werksbahn gekippt, weiche sie nach der abgekohlten Stelle der Grube fährt' Dort werden sie mittels starker Wasserrohr-Leitungen in die leere Grube gespült, die auf diese Weise ausgefüllt wird. Früher sammelte man den Abraum auf der Kipphalde an. Etwa 1000 m lang und halb so breit liegt das Flöz in schwarzbrauner, ebener Fläche da. Auf beiden der genannten Werke werden heute gleich zeitig zwei Felder von solcher Größe abgebant. Am Rande fressen andauernd die scharfen Zähne eines zweiten und dritten Tief baggers die Rohkohle ab und schütten sie in Loris. „Wenning- Hoff" hat noch Kettenbahn. Da aber die Kette sich schnell abnützt und daher ziemlich kostspielig arbeitet, sollen demnächst elektrische Wagen eingeführt werden. „Eintracht" ist bereits dazu über gegangen. An der Kette, die von der Grube bis hinauf ins dritte Stockwerk der Brikettfabrik läuft, hängen 350 Wagen; ein jeder braucht zur Hin- und Rückfahrt 48 Minuten. Bon der Grube geht die Rohkohle auf der schiefen Ebene, die zunächst im Grubcnsande und dann in der sogenannten Brücke nach genanntem Stockwerk ansteigt. in die Brikettfabrik, und zwar lausen die Wagen zunächst in die Kipper, große Trommeln, die eine halbe Drehung ausführen, sobald sie den Förderwagen aufgenommen haben. Dadurch kommt dieser nach unten zu hängen und schüttet seinen Inhalt in das darunter liegende Stockwerk. Gleichzeitig ist die in der anderen Hälfte der Trommel hängende, entleerte Lori nach oben gekommen. Sie tritt nunmehr über Dutzende von Gleisen und ebensoviel Weichen — der ganze Kipperboden ist ein regelrechter Rangierbahnhof en nrininture — ihren Weg nach der Grube an, um neu gefüllt zu werden. Übrigens reicht bis zum Kipper der Grubenbetrieb, hier setzt die eigentliche Briketterzeugung ein. Während des Krieges wurde die Rohkohle gemahlen, heute wird sie nur gesiebt und so in drei Arten gesondert. Bon der Gesamtfördcrung sind gegen 60°° Brikettkohle, 30",° Kiesclkohle und 10°/° Rohkohle. 'Was in der Grube sofort als Kessel- bezw. Rohkohle zu erkennen ist, wandert in besonderen Förderwagen nach besonderen Kippern und von hier direkt ins Kesselhaus bezw. zur Berladestelle. Die ausgesiebte Brikettkohle gelangt mittels Transportschnecken nach den: unter dem Dache gelegenen Kohleboden. Ein Tuch ohne Ende trägt die feine, schwarze Masse nach verschiedenen Riesentrichtern, durch welche sie in die im darunter gelegenen Stockwerke auf gestellten T'wckenapparate wandert, mächtige runde Ösen, welche durch 32 hohle Eisenteller in 32 übereinandcrliegende Abteilungen geteilt sind. Rotierende Arme streichen sie über die mit Dampf geheizten Teller, wobei sie durch Ausfallöcher immer auf den tiefer gelegenen Teller gelangen. Indem die Ofen bis zu 140« erhitzt werden, wird die Kohle, die noch 50—60«/° Wasser enthält, auf15—16«/° abgetrocknet. Gleichzeitig erhitzt sie sich aber auf 30°. Im Kühlhause wird ihre Temperatur in Jalousie-Apparaten auf 40° erniedrigt. Jetzt geht die Kohle in Transportschnecken wiederum mehrere Stockwerke nach oben und ergießt sich in die Preßrümpfe, wo sie mittels Stempel unter einem Druck von 115 Atmosphären pro Quadratzentimeter in die bekannten Formen gepreßt wird. Die Pressen speien Höllenglnt, und es ist nicht gut Bleibens in ihrer Nähe. „Wenninghofs" hat 10 Pressen stehen, arbeitet aber nur mit 9, da eine fast immer in Reparatur ist. Brikett wird an Brikett gepreßt, und so ergibt sich eine 200 m lange Brikettstange, die bis in die Schuppen reicht. Dort fallen die Briketts einzeln und von selbst in die bereitstehenden Wagen. Nur bei den Semmelbriketts ist am Ende ein Messer angebracht, welches die einzelnen Briketts.abtrennt. Die Stange bildet den Gegendruck gegen den Stempel. Gleichzeitig Kühlen sich aber auf dem langen Wege die Briketts, welche die Presse ganz heiß verlassen, ab. Ein rechtes Bild von der Leistungsfähigkeit dieser neuen Kohlenwerke gewinnt man erst durch Zahlen, von denen hier nur einige wenige kurz angeführt seien. Ein Bagger — cs sind die größten in ganz Deutschland — ersetzt mit 16 Mann Bedienung 80 Mann im Handbetrieb. (Früher geschah der Abbau aus schließlich durch Menschenhand; der Mangel an gelernten Ar beitern während des Krieges ließ die Grubenverwaltungen jedoch zum Maschinenbetrieb übergehen.) Er fördert in 24 Stunden 50000 KI Rohkohle. Eine Presse liefert in der Stunde 70 Zentner Briketts, der Zentner kostet jetzt ab Grube 10,50 Mk. Boin Werk wenden wir uns nach der Kolonie. Ihr Raum ist der Erholung nach getaner Arbeit, dem Feierabend eingeräumt. So vergessen auch mir, daß uns die Hitze der Ofen, Kessel und Pressen sämtliche Poren geöffnet und der Kohlenstaub sie wieder geschlossen hat, daß sich unserm Anzug eine dicke Schicht Kohlen staub mitgeteilt hat, die auch die Unterwäsche nicht abzuhalten vermochte, daß wir an Kopf und Händen recht eigentlich den Eindruck von Schornsteinfegern machen und freuen uns an dem, was die Grubenverwaltung zur Erhaltung eines tüchtigen Arbeiter stammes hier getan hat. Da sind regelrechte moderne Straßen mit elektrischer Beleuchtung angelegt. An ihnen stehen schöne, neue Billen für die Beamten und geschmackvolle, sauber drein schauende Arbeiterhäuser. Da gibt es eine nach den neuesten Forderungen der Schulhygiene errichtete Schule. Da gibt es ein respektables Kaufhaus, ein einladendes Hotel. Und schließlich erkennen wir: Es ist eine richtige Stadt. Dabei besinnen mir uns, daß — was man angesichts des modernen Lebens und Schaffens ganz vergessen hat — wir mitten in der Einsamkeit der Heide weilen. Es ist das ein ganz eigenartiges Empfinden: Hier Stadt und am letzten Hause die schweigsame, menschenleere Heide. Gänzlich abgeschnitten sind die Werke vom breiten Strom des lauten Tages, der in meilenweiter Ferne andere Wege zieht. Bis zum nächsten Dorf muß man Stunden wandern, und kommt man endlich hin, ist es ein kleines, armes Heidedorf, das in seiner Abgeschiedenheit eingeschlafen ist im heißen Svmmertag. Das Werk bildet eine Gemeinde für sich, und seine Bewohner sind durch die Weltentlegenheit zusammengeschlosscn. Es sind immer dieselben Gesichter, die einander begegnen, höchstens, daß ab und an ein Geschäftsmann von der „Welt da draußen" hierher gelangt. Denn wer nicht geschäftlich muß, kommt nicht nach hier. Auch darin erinnern die Werke wieder an Amerika. In der Tat hat die Industrie hier aus dem Nichts des Heide bodens Riesenanlagen gestampft. Bor zwanzig Jahren noch lag die Heide in tiefem Dornröschenschlaf. Der laute Lärm der Welt zog fernab draußen vorbei. „Kein Klang der aufgeregten Zeit drang noch in diese Einsamkeit." Ganz im Westen lag ein ein ziges Werk, die „Saxonia". Es brachte mit veralteten technischen Anlagen eine bescheidene Förderung zustande. Im übrigen be schränkte sich der Abbau auf die Gegend zwischen Görlitz—Lau- ban und Weißwasser—Muskau. Da erscholl in den Jahren 1910 und 1911 die frohe Kunde, daß man durch Bohrungen im Kreise Hoyerswerda—Wittichenau—Rothenburg abbauwürdigeBraun-