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282 Gberlaufltzer Helmatzeitung Nr. 21 Allen den Badegästen, welchen ihr Gesundheitszustand weitere Spaziergänge und Ausflüge unmöglich macht, eröffnet schon die nächste Umgebung ein dankbares Feld für wechselreiche Streif züge und Rundgänge. Von der in nördlicher Richtung von dem Gesellschaftsgebäude der Anstalt Marienborn sich hinziehenden reizenden Badeallee aus steigt der Besucher empor zu dem unmittelbar hinter jenem Hause ansteigenden, 197 Meter hohen Weinberghügel, dessen südwestliche Gipselfläche einen über raschenden Blick südwärts auf die gesegneten Fluren der „Klosterpflege" bis zu dem bewaldeten Höhenkranze des „Lau sitzer Berglandes" gewährt. Den Hügel ziert ein schlichter, in Form einer Krücke dargestellter Denkstein, den ein dankbarer Badegast in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts er richten ließ. Zehn Jahre bereits hatte derselbe nicht ohne Krücken gehen können, da hatte ein vierwöchentlicher Bädergcbrauch in Marienborn den Erfolg gehabt, daß er ohne solche Hilfsmittel die Höhe ersteigen konnte. Der Stein trägt die Inschrift: Genesung weihet Allgütiger dir Den Dank — so rauschts in den Saiten — Die schlichte Krücke aus Stein sagts hier, Sie verkündet cs spätesten Zeiten. 1915 haben hier Feldgraue, die in Marienborn zur Kur weilten, mit den einfachsten Mitteln, mittels bunter Steinchen, einen „Kriegerhain" geschaffen und denselben mit dem „Eisernen Kreuz" geschmückt. Lauschige Wandelgänge ziehen sich am Ostabhange der Wein berghöhe hin. Mit einem Besuche derselben läßt sich sehr gut ein Gang nack dem nordwestlich in geringer Entfernung gelegenen stattlichen Kurhause „Iohannisbad" verbinden. Westlich des selben befindet sich auf bewaldeter Anhöhe ein ebenfalls von Verwundeten des Weltkrieges aus dem nordischen Geschiebe der Umgebung hergesiellter „Kriegerhain", der mit dem „Eisernen Kreuz", dem „Sächsischen Wappen" und anderem Schmuck ver sehen ist. Dem Spaziergänger, der allein Steigen abhold ist. bieten sich außer dem großen Parke des Bades in dessen Umgebung zahl reiche ebene und schattenreiche Wege zum Lustwandeln. Von besonderer Anziehungskraft sind daselbst die verträumten, schilf- umkränzten Waldteiche, deren eine Anzahl nördlich und nord östlich der Bäder der Gegend ihr eigenartiges Gepräge verleihen. Der „Poetenweg" am Steinteiche und die mächtige „Wunder kiefer" östlich am Marienborn bilden das Ziel solcher Wald spaziergänge. Es wäre außerordentlich zu bedauern, wenn diese freundlichen „Tieflandaugen" dem Schicksale der Versandung oder der völligen Trockenlegung verfielen, wie uns dies vor einiger Zeit bei dem „Handricksteiche" der Fall zu sein schien. Fußgänger von nicht allzugroßer Leistungssähigkeit werden ihre Schritte sicher gern nach dem in geringer Entfernung süd östlich gelegenen Räckelwitz lenken, dessen Herrenhaus zurzeit in ein Malteserkrankcnhans umgewandelt worden ist. In ihm verlebte der durch seine Enthüllungen über den Jesuitenorden weiten Kreisen bekannt gewordene Graf Hoensbrech seine Jugendzeit. Nach der Einkehr im anheimelnden kleinen Dorf gasthause empfehlen wir dem Besucher die Besichtigung der mit großem Fleiß zusammengetragenen Sammlung volkskundlicher Gegenstände im Hause des Kaufmanns Rölke. Ein ebenfalls müheloser Weg führt uns in südwestlicher Rich tung nach dem eigentlichen Dorfe Schmeckwitz, dessen Bewohner gleich denen der gesamten Gegend zum größten Teile dem wen dischen Bolksstamme angehören. Auf Feld- und Wiesenpfaden gelangen wir in derselben Himmelsrichtung über Dürrwicknitz nach Miltitz. Hier suchen wir zunächst den nordwestlich in einem Gebüsch aufragenden sogenannten „Frosch" auf. Es ist derselbe ein wichtiges Naturdenkmal aus der Eiszeit und stellt einen durch Eiswirkung abgetragenen Felskopf aus Granit dar. Der Volkssage nach hauste vordem an diesem Orte ein heidnischer Zauberer. Als einst ein frommer Pilger in seiner Behausung Einlaß begehrte, wies er denselben mit einem Fluche und Faust schlage von seiner Tür. Da berührte ihn dieser mit seinem Wanderstabe und verwandelte ihn zur Strafe in jenes Felsgebilde. Südlich von Miltitz erhebt sich der bewaldete Kapellenberg. Sein Gipfel ist ein Plätzchen von großem Stimmungsreiz. Auf waldumschlossener Wiesenfläche steht eine kleine, ziegelgedeckte Kapelle, durch deren Fenster eine zierliche Muttergottesfigur zu uns herabblickt. Eine einfache Bank ladet zum sinnenden Verweilen ein. Gar lieblich ist der Aufenthalt hier oben im lenzesfrohen Tagen. Maisonne mit lichtem Golde Verklärt das Lenzgefild. Im Lenzgefild das holde, Liebtraute Marienbild. Horch, — Stimmen von weitem schallen, Sinds Silberglöcklein hell? — Es sind Kinder, die betend wallen Zur Mutter-Gottes-Kapell. Wir sanden in Feld und Garten Maiglöcklein, Vergißmeinnicht; Dir wanden wir alle die zarten Lenzbllllen zum Kranze licht. Wir bringen dir auch zur Freude Die Herzen kindlich dar, Sie blühen in reinem Geschmeide Wie himmlische Blumen klar. Nimm Herzen und Blumen entgegen Mit mütterlichem Sinn, Gib mild uns deinen Segen, O Maienkönigin! In etwa dreiviertelstündiger Entfernung liegt südwärts vom Schmeckwitz das Dorf Panschwitz mit dem Zisterziensernonnen kloster St. Marienstern. Hier befindet sich auch eine Halte stelle der nach dem Kriege ins Leben gerusenen staatlichen Kraft- wagenlin'e Bautzen-Kamenz, einer auch für Marienborn be deutungsvollen Einrichtung. Der Weg dahin führt uns auf guter Gemeindestraße an dem Dorfe Höslein vorüber und schließlich in dem Orte Panschwitz entlang. Durch den Torweg eines umfang reichen Gebäudes, welches die Wohnung des Propstes und der Kapläne sowie das Refektorium und die Kanzlei in sich birgt, betreten wir den Klosterhof. Derselbe ist wie das gleichfalls zu gängliche stimmungsvolle Kircheninnere reich an küiC'lerischen Zeugen der Vergangenheit. Unsere ganz besondere Beachtung verdienen die mitteialterlichen Glasmalereien am Nordfenster der östlichen Kirchenwand. Der Klosterkirche schließt sich nach rechts das Wohngebäude der geistlichen Jungfrauen an. Die Gründung des ehrwürdigen Stiftes verweist uns zurück in das 13. Jahrhundert. Es verdankt seine Entstehung dem Ritter Bernhard III. von Kamenz, der cs ini Jahre 1248 im Verein mit seinen Geschwistern und seiner frommen Mutter Mabilia ins Leben rief. 1264 wurde das Kloster in den Verband des Zister zienserinnenordens ausgenommen. Seit 1826 ist dem Kloster eine weibliche Erziehungsanstalt angegliedert, in welchem eine An zahl geistlicher Schwestern, die sich dem Lehramt gewidmet haben, den Unterricht erteilen. Südlich schließt sich ein ungemein liebliches, bachdurchrauschtes Laubholztal, „die Lippe" genannt, an das Kloster an, dessen Be such warm empfohlen sei, zumal es von wohlgepflegten Wegen durchzogen wird. ) Mit dem Rückwege nach Marienborn läßt sich leicht ein Abstecher nach der aus felsigem Hange hoch über dem Klosterwasser gelegenen vorgeschichtlichen „Schanze" bet dem benachbarten Kuck au verbinden. Nach diesem Orte rechts abbiegend, ersteigen wir bei der „Kupiermühle" die steile Anlage, deren Wallkrone eine umfassende Rundschau gestaltet. Alle die stattlichen Kirchen der wendisch-katholischen Pflege erspäht von hier aus unser Auge und weit über sie hinaus die dunkelgrünen Bergketten der nordwestlichen Lausitz. Der Schanzenhügel trägt ein kleines Wohnhaus, welches im 18. Jahrhundert einem Ein siedler als Aufenthalt diente. Auf angenehmen Feldwegen ge langen wir über Höflein nach unserm Ausgangspunkte zurück. Uber Höslein leitet auch der Weg nach dem in südwestlicher Richtung ungefähr dreiviertel Stunden entsernten ansehnlichen wendischen Kirchdorfe Crostwitz, der größten Kirchfahrt der ge-