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Nr. IS Gberlausihee HelmaizeiLung 259 Winkel, ist noch der offne Brunnen und die junge Frau kann sich noch ebenso gruseln wie als Kind, wenn sie zu seinem Wasserspiegel hinunter schaut Die Sommerlaube, mit Psciffen- kraut dicht berankt, ist auch noch da und die zwei großen, ehr würdigen Nußbäume ihr zur Seite haben ihre alte Schönheit bewahrt. Hinter Zaun und Gartentür liegt die schöne grüne Weite, ein vertrautes Bild. Da wird das Hers voll von Er innerungen, eine drängt die andere. — Es ist Frühherbst, ein leises Vergehen überall. Wie out das zu meiner Stimmung paßt, denkt die junge Frau. Meine frohe, sorglose Jugendzeit ist vergangen. Im bunten Wechsel hat dos Leben gegeben und genommen. Sacht und still wurde das Herz aus Früh herbst gestimmt. Wehmütig werden die Erinnerungen, ernst schauen die Augen in die herbstliche Weite. Da ruft eine Uebe Stimme durch den Garten: „Mädel, wo steckst du denn?" — Ja, Großmuttek, wenn ich noch dein Mädel bin, werde ich doch nicht traurig sein! — Unter den Nußbäumen ist der Tisch gedeckt. O, wie gut schmeckt das Mahl aus Großmutters Küche unter den lieben, alten Bäumen. — Dann hält Groß mutter ihren Mittagsschlas. Urenkelchen liegt im Bettchen, in dem als Kind Urgroßmutter geschlafen. Die Enkelin schaukelt in der Hängematte unter dem großen Nußbaum sacht hin und her. Es ist ein wohliges Einwiegen so im Grünen, ein träumendes Hindämmern. Grüngoldenes Blottgewirr über ihr, Sonnenschein auf Steig und Rasen. Schmetterlinge spielen um Blumen und Früchte. Sonntogsstille ist im Garten. Es ist so still in meinem Garten, Der Sommertag ist eingenickt, Und durch die grünen Laubstandarten Lin sonnenselig Märchen blickt. Es war einmal! klingts fein und leise, In deiner gotdnen Jugendzeit — Und ihre bunten Zouberkrcise Spinnt nm mich die Vergangenheit. Und rings des Herbstes reiches Leben, Der Blumen Blühn, der Früchte Glanz, Verspricht, daß jedem ernsten Streben Einst wird ein voller Erntekranz! Nack dem Kaffee geht Großmutter mit den lieben Ihren zum Kirchhof. Don st, Heu sie um Großvaters Grab. Als die Enkelin vor sechzehn Jahren dort stand, wurde es aerobe für den müden Schläfer geickauselt. Heut hält grüner Efeu es dicht umsponnen. Grabkreuz und Girier hat die Zeil mit leisem Verfall gezeichnet. — D>° Vergänglichkeit drückt allem Irdischen ihre Merkmale auf. Nur wir Menschen besitzen eine Wundclkrast, der Zeit und Vergänglichkeit nichts anhaben kann, das ist die Erinnerung. Wie schön, wenn sie an Gräbern uns mit lieben, guten Augen anschaut. Der Tag ist vergangen. In Großmutters Garten sieht mit Sternenlicht die dunkle, träumerische Frühherbstnacht. Da kommen die Märchen wieder. Lautlos wandeln sie auf den Gartensteigen, und wenn sie unter den großen Nußbaum kommen, raunt es in allen Zweigen und alle Blätter flüstern: „Es war einmal!" — Am andern Morgen muß die junge Frau abreisen. Es regnet. Zum Adschiednehmen just das rechte Wetter, denkt die Scheidende. Dock ihr Herz ist voll dankbarer Wiedersehns freude. Nur als sie zum letztenmal auf ihr Großelternhous blickt und ihre Hand von einer welken, müden Hand umfaßt wird, klingts ihr im Herzen wie ein wehes, antwortlofes Fragen: „Wer weiß, ob wir uns Wiedersehn!" Marg. Reichel-Karsten. Dir allein. — Kein Lied ist mir gelungen in langer, schwerer Seit; Dis Leier war zersprungen, voll Gram und Bitterkeit. Ls klangen auch die Saiten nicht, als ich heimgskshrt Nus fernen, falschen Landen, wo Sehnsucht mich verzehrt. Sie wollten mir nicht singen, als sie erfüllt, gestillt Dis Sehnsucht nach der Heimat, aus der manch Lied erquillt. Ich fand auch keine Lieder, als Frühling kam ins Land, And Habs voll Enttäuschung von ihm mich abgewandt. Doch als ich dich gefunden, du Herz, so fromm und rein, Dis Saiten klangen wieder, ein Lied für sich allein. Hab Dank, du gabst mir alles, was mir verloren war. Du gabst mir meins Lieder und Frühling hell und klar. E> bleib, last nie zerspringen dis Saiten, dis du rein Mit weicher Seele stimmtest, sie klingen Dir allein. M. Eb-rt. Der Franzose Bon Mar.tin Bröckelt, Seifhennersdorf nachmittags gewöhnlich saßen sie auf der Bank im Hofe, die alten Nachbarn von beiderseits der Grenze. Lausitzer und böhmische Mundart klang durcheinander, und während unser Bauer seinen „Bremer" der Schweinsblase entnahm, rauchte ein anderer scharfen Kommiß. Der lange Mehlhändler, ehemals Müller geselle, aber bevorzugte die lange Virginia. Unter den blauen Tabakswolken erstanden dann die alten Geschichten, oft schon er zählt, immer wieder gern gehört, auch von uns, die wir dabeisaßen. Selbst die lange Zigarre hatte tätigen Anteil, wenn der Müller berichtete, warum 1848 sein Vater in Schirgiswalde nicht mit den Aufständischen nach Dresden ziehen mochte, sondern sein kleines Schänkchen „Zum König von Sachsen" benannte. Ein andermal folgte man dem Müllergcsellen nach Kottmarsdorf, wo ihn 1866 die anmarschierenden Preußen als mutmaßlichen Spion vor ihrem General bis auf die Haut auszogcn, ihn aber sodann in Gnaden entließen. Bedenklich schien die Ansicht, das Kaisertum des preußischen Königs könne nicht von Bestand sein, da die alte deutsche Kaiserkrone nicht in Berlin, sondern in der Wiener Hofburg liege. Doch entstand deswegen unter den Nach barn kein Streit. Einer unter den Alten erzählte niemals. Klein von Gestalt, war er seines Zeichens ein Hausweber. Meist trug er eine blau leinene Schürze und harte Lederpantoffeln. Er hieß Schmidt und bewohnte ein Schobenhäusel in Oberhennersdorf. Als er eines Sonntags fehlte, entschuldigte ihn ein Nachbar: „Dr Franzose is sihre krank. A wird wul nimi ufkumcn." Und nach einigen Tagen sagte mir mein Hauswirt, der alle Bauer: „Der Franzose is heute gesturbn." Ich hatte den ruhigen Mann gut leiden mögen, ihn aber nie näher kennen gelernt. Gegen Abend traf ich unfern Bauer auf seinem Felde, draußen am Frenzelsberge, und erkundigte mich, weshalb der Verstorbene „der Franzose" heiße. Wir setzten uns an den Basaltfelsen und der Bauer sprach: „Frankreich hat er nie gesehen, französisch nie geredet, aber er trägt diesen Beinamen mit Recht als Erbgut seines Großvaters. Sehen Sie! Dort jenseits unsrer Landesgrenze, auf Jung bauers und in den Alten Wiesen hatte im nassen August 1813 der französische General Bandamme ein Lager aufschlagen lassen, ein zweites dort hinten bei Ehrenberg. Rumburg und seine Dörfer konnten die 54000 Mann nicht allein versorgen. Ponja towskys Polen hatten Häuser und Kassen geleert. Jetzt ver langten die Franzosen Unmögliches und drohten zu plündern. Da hielt sich Bandamme an Seifhennersdorf. Was tats, daß es im Frankreich verbündeten Sachsen lag? Gegen die Zusage des Generals, Seifhennersdorf bleibe ungeplündert, wenn es liefere, fuhren unsre Bauern Korn, Hafer, Flachs, Brot und Fleisch ins Lager hier unten. Das ging Freitag und Sonnabend. Aber am 22. August, während des Vormittagsgottesdienstes, drangen französische Banden in die Höfe und Häuser unsres Oberdorfs und schlugen mit Äxten und Kolben gegen die verschlossenen Tore und Türen. Dec Pfarrer unterbrach seine Betrachtung über die Zerstörung Jerusalems. Die wenigen Kirchenbesucher eilten heim. Im Dorfe