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23S Gbsrlauflher Heimatzeitung Nr. 18 Sonntag, ven 4. September, nachmltiags 3 Uhr: Sinweikungvor Lkrenslätte ander Spreequelle. Nachmittags 5 Uhr: 4vjäbrlge Sevenkteier der Llnwelbung des klussicktsturmes auk dem Rottmar in der Turmwirtschast. Alle Berbandsvereine, insbesondere auch die Angehörigen der Gefallenen sind herzlichst eingeladen. IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIINIIMIIIIIIIIIIIIIIIMIIUIIIIIMNIIIIIIIIIIMIIIIIIIIIIIINIMIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIM Iahrmarktswunder in der Oberlausitz in alter Zeit Von Prof. Dr. Lurt Miiller-Löbau °W-!I2nter den älteren Oberlausitzer Geschichtssorschern zeichnet sich der Schönauer Pfarrer Abraham Frenzel (1656—1740. Pfarrer in Schönau a. d. E. 1686—1740) durch sein großes Interesse für die Kulturgeschichte und Volkskunde aus. In zwei nur handschriftlich vorhandenen Werken (um 1720 fertig geschrieben) hat er alles für diese Gebiete Wichtige zusammen getragen, was er aus gedruckten und ungedruckten Quellen zu seiner Zeit erlangen konnte; beide sind in Foliohand schriften in der Zittauer Ratsbücherei und in der Bibliothek der Oberlausitzer Gesellschaft der Wissenschaften in Görlitz vorhanden. Die Görlitzer Handschriften der Frenzelschen Hwtoria popuii uo rituum 1.u83tiu6 superioris (L. I 240, 682 S. und Inhaltsangabe. Abgekürzt in meinen Aus führungen mit: 11. p.) und der Hwtoria naturaiis I.U8 8up. (L. I 217, 2 starke Foliobände von zus. 1692 S., Abk. H. n.) habe ich nach ihrem kulturgeschichtlichen und volkskund lichen Stoff durchgesehen und ausgezogen. Auch an dieser Stelle will ich gelegentlich einige der alten Schätze ans Licht der Öffentlichkeit bringen, diesmal das, was der ungeheuer fleißige Frenzel über das Auftreten von allerlei wunder lichen Erscheinungen in den Lausitzer Sechsstädten zu sammengebracht hat. „Fahrende Leute", „Spielleute" oder „Gaukler" im Mittelalter, „joauiator68" bei den Römern, „jongleur8" bei den Franzosen genannt, hat es gegeben, solange es eine städtische Kultur gibt, die ab und zu Menschenmassen bei Gelegenheit von allerlei Festen, Turnieren, Schützenfesten, Jahrmärkten usw. zusammenführte. Auch in den Lausitzer Sechsstädten, die ja seit dem 13. Jahrhundert sich eines blühenden Handels und Durchgangsverkehrs erfreuten, sind frühzeitig fahrende Gaukler aufgetreten, die mancherlei Künste oder Merkwürdigkeiten zeigten. So zeigten sich nicht selten auf dem hohen Seile die „Luft"- oder „Lein fahrer" (11. n. 1429 ff.), von denen Frenzel naiv bemerkt, „es sei zu bewundern, daß sich die kühnen Wagehälse der hohen Luft und einem schlichten Strange anvertrauen und dabet wunderbare Künste sehen lassen, da bisweilen etliche herabgefallen und den Hals gestürzet." „Am 18. Juli 1563 ist einer vom Ratsturme zu Görlitz auf der Leinen herunter- gefahren, dergleichen auch kurz darauf am 11. August zu Zittau geschehen vom Ratsturme herunter bis an die alten Kramen, so damals auf dem Markte standen. Am 23. April 1581 (oder 1587) hat Caspar Gelberg, ein Tuchknappe aus Elstrawerde aus Vogtland (?), zu Budissin eine Leinenfahrt vom Seiger- oder Ratsturm bis unten an den Stein vor Röhrscheidts Türe aus der Lauengasse beim Ständer herab gehalten. Solches tat er auch den 30. April darauf zu Gör litz, da er gleichermaßen vom Ratsturme bis an Christoph Rotsches Haus zweimal herunterfuhr. Er fuhr aber das erstemal vom Turm zum Stübelfenster heraus, drehte sich bald um die Leine herum, warf hernach seinen Hut herab wie auch ein Handtuch. Ferner zog er einen Schuh aus, zog ihn auch wieder an. Dann zog er einen Strumpf aus, nähte daran und zog ihn wieder an. Wie er mitten auf dem Platze war, zog er an einem Schnürlein eine Kanne Bier herauf, drehte sich rücklings um und trank, ließ darauf die Kanne wieder herunter. Dann zog er das Handtuch an einem Stricklein wieder herauf und hing mit den Armen daran. Endlich fuhr er schnell herab, als er ohngefähr zwo und eine halbe Stunde Viertelstunde auf der Leinen gewesen. Das andermal hat er einen Jungen auf eine Radwer (eine Schubkarre) festgebunden, ihn herumgeschwenkt und mit sich hintennach herabgeführt, auch eine Kanne Bier unter sich hangend ausgetrunken. Diese Fahrt währte eine Viertel stunde lang. Etliche Tage hernach ist dieser Tuchknappe auch zu Zittau dreimal vom Rathausturm bis an der Kemlern Türe im Ring gefahren. — Am 16. Oktober 1589 am Tage St. Galli ist abermals ein Wälscher zu Görlitz von des Rathausturms Kranze bis zu Hans Ottmanns Türe in der Neißqasse dreimal hcruntergefahren. Er hat sich hierzu oben die Stadtpfeifer blasen lassen, hing sich beim erstenmal an einen Fuß und trank rücklings ein Glas Bier, das er von unten hinauf zog, beim andcrnmal hing er sich mit dem Halse an das Seil, das 3. Mal aber führte er einen Jungen auf dem Schubkarren herunter. Er hat noch zum oiertrnmal wie ein Pfeil geschwinde herabfahren wollen, welches ihm aber der Rat nicht vergünstiget." — 1693 am 23. April ist wiederum ein Seiltänzer, Eichel Mäuer genannt, aus Wien oder Hamburg gebürtig, zu Löbau vom Rats turm dreimal nacheinander und den 30. dito zu Zittau von des Ratsturms Kranze bis vor ^errn Rodochs Türe bei der Badergasse mit bloßem Degen in der Hand an einem Seil herabgefahren. Dann fuhr er auch den 1. Juni zu Budissin vom Ratsturme bis vor Christian Pauscweins Türe herab; er stieg bei der großen Schlagglocke hinaus, legte sich mit der Brüst auf das Seil, Hände und Füße aber streckte er von sich. Den 4. Juli ist er wiederum daselbst des Nachmittags um 2 Uhr zweimal heruntergefahren, das erste mal mit zwei bloßen Degen. Das andermal hatte er zwei geladene Pistolen, in jeder Hand eine, die er mitten auf dem Seile losgebrannt. Es war viel Volk gegenwärtig, diesem Abenteuer zuzusehen, niemand aber wollte ihm etwas für seine Mühe geben. Er war aber witzig. Des Abends vorher, ehe des andern Tags die Abfahrt geschehen sollte, hing er eine Tafel aus an die Ecke der Wage, daran war geschrieben: Jedermann sei zu wissen, daß ich morgen, sobald ich vom Sei! werde gefahren sein, auf dem Gewandhgpse einem den Kopf abschlagen und alsbald wieder aussetzcn will (er hatte auch ein Modell, wie solches geschehen sollte, machen lassen). Wer nun solches zu sehen beliebt, soll alsobald, wenn ich vom Seile herunter und aufs Gewandhaus gehe, mir nach folgen. Dieses tat auch das Volk mit großem Gedränge, §edes suchte die beste Stelle und wartete auf das Köpfe abhauen und -aufsetzen; er fing aber sein „porzenel" Spiel an, tat etliche Lustsprünge und verschloß darauf die Türe, daß niemand herauskam, er hätte ihm denn einen Groschen gegeben. Durch solche List bekam er seine Seilfahrt wohl»