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Ar. II Dberlausitzer Heimatzeitung 22S winselnd miteingeklemmtem Schwanz seinem aufgeregten Herrn ins Haus. Lange noch war das Gelächter der Maurer zu hören, denen die Geschichte einen Heidenspaß gemacht hatte. Nach einigen Wochen war der Vorfall anscheinend vergessen. „Max, Kumm ock moal har, ich hoa woas for Euch. Ich hoa a Fass'! Bayersch vu Knuspes. 's hoat schunn an klenn Stiech, aber Ehr ward's schunn trink'n." Max, der Lehrling, verkündete dieBotschaft seinenAmtsbrüdern. Ein Probeglas wurde getrunken und für gut befunden. Alle drängten sich mit Krügen und Töpfen an das Faß und nach kurzerZeit war es leer. Nach einer Viertel stunde verschwand einer lautlos vom Gerüst. Dann folgte ein anderer. So gings weiter, bis keiner mehr oben war. Still und stumm stand der halbfertige Bau da, wie ein von Mann und Maus verlaßenes Schiff. Wo waren die Leute hin? An einem stillen Örtchen spürten sie die Folgen des Genusses sauren Bieres. „Nu, wie hoat'n Euch 's Bier g'schmeckt?" fragte am nächsten Tage ganz scheinheilig Nichtschuster. Er konnte kaum das Lachen verbeißen. Hatte er doch die Wanderung vom Gerüst mit ange sehen. Die Maurer straften ihn mitVerachtung, indem sie schwie gen. Am liebsten hätten sie ihn mit ihren Ziegelsteinen totgewor fen. Aber Bello hatte von jetzt ab Ruhe. „Gutt sei Dank, do wär'n wer fcrt'sch!" Diese Worte sprach Nichtschuster, als er im Walde seinen Wagen mit Holzbündeln vollgeladen hatte. „Wenn'ch ock irscht bei Knuspes wär, do kennt'ch koann sein wenn Woin a a G'spoann oabind'n." Als er bei Knospes anlangte, kehrte er ein. Er hatte Durst von der Arbeit bekommen. In der Gaststube war auch Rösler-Bruno. „Gu'n Tag rei! Bruno, ich kennt eeg'ntlich mei Wain'l a denn Woin häng'»?" „Menthoalb'n!" knurrte Bruno. Nachdem sie einige Glas Bier hinuntergegossen hatten, fuhren sie weiter. Nichtschuster saß hochvergnügt auf seinem Thron von Reisigbündeln. Als Rös ler-Bruno einen kleinen Trab anschlug, war es ihm auch recht. „Desto iher Kumm ich heem," dachte er. Aus dem kleinen Trab wurde ein großer und die Reisigbündel samt Nichtschustern fingen schon arg zu wackeln an. Bruno sah es wohl. Auf einmal hieb er auf seine Pferde ein, daß sie liefen, was sie konnten. „Bruno, Bruno, ne su schnell, ich flieg ja mit menn Reis'chlmndelrunner," rief Julius in höchster Todesangst. Doch dieser hörte nichts. Nichtschuster fiel von seinem wackligen Thron auf die Straße und kollerte in den Straßengraben. Den Bündeln gefiel es an scheinend allein nicht recht und sie ahmten das Beispiel ihres Herrn und Meisters nach. Eins nach dem andern, immer hübsch nach der Reihe, verließ den Wagen und suchte sein Heil ebenfalls im Straßengraben, froh, nicht mehr von einer Seite auf die andere gcschieudcrt zu werden Vor dem Dorfe hielt Bruno. Als Nichtschnster ganz erschöpft und zerschunden angekeucht kam, tat er auch so, als sei er ganz erschöpft und sagte: „Julius! > Doas hält' mer bal — bal 's Lab'n g'kust. Ich ich kunnt die Biester nemie hal'n." „Gutt sei Dank, do wär'n mer fert'sch. Ha — - ha." Der Musikchor hatte wieder einmal zur Tanzmusik auf- -gespielt. Unterwegs kehrten sie ein und Nichtschustsr bestellte sich drei Rollmöpse. „Die aß'ch for mei Lab'n garn. Do tät'ch glei zwanz'ch ass'n!" „Doas machst mer j« ne weis!" sagte Sellger- Ernst. „Woas wett'n mer," erwiderte Nichtschuster hitzig, „doaß'ch die aß!" „Gutt, mach'n mer'sch su: ich b'stell' zwanz'ch Rullmeps', wenn Du se ne ass'n koannst, mußt Du se b'zoahln. WennstD' se aber wegkriegst, do muß ich se b'zoahl'n." Dieser Vorschlag vom Sellger-Ernst wurde angenommen und Nichtschuster begann Roll möpse zu essen. Eine große Schar Zuschauer umringte ihn und guckte zu. Bei den ersten acht ging's gut, doch als er den neunten und zehnten aß, sagte Julius: „Die wär'n immer saurer!" Er aß aber weiter. „Ga't mer ockan Schnoaps har, dieKriep'l wär'n immer saurer!" Sellger-Ernst freute sich schon, daß er die Wette gewinnen würde. „Nü koann'ch aber nemie!" stöhnte Nichtschuster, „michschitt'lt'sschunnricht'sch!" „Iuljus! Diezwee wirschtschunn no wegkrieg'n!" hetzten die anderen. „Ga't ock irscht no an Schnoaps har!" Unendlich langsam verzehrte er den neunzehnten. «Iß kenn mie! Du kennst D'r Schoad'n tun, uff d' Letzt kriegst no d' Gelbsucht vu dann vill'n Ess'ch!" warnte Seliger, der um die Wette bangte. „WennstD'schunn su vill g'gaff'n hoast, wirscht dann enn o schunn no wegkrieg'n," meinten einige. Ihnen mach ten Nichtschusters Grimassen und Anstrengungen unbezahlbaren Spaß. Nun hatte er den letzten vertilgt. ,,D'Wett hätt'ch g'wunn, aber ich gleeb, ich aß a menn ganz'n Lab'n keen Rullmeps' mie!" Nach diesen Worten verschwand er lautlos. Ganz käsig im Gesicht erschien er wieder. „Nu ga't aber Bier har, ich hoa an fürchter lichen Durscht vu dannHarchzeug g'kriegt!" Er brauchte ziemlich viel, bis sein Durst gelöscht war, und er schwankte auf dem Heim- weg bedenklich hin und her mit seiner Baßtrompete. Als er vor seinem Hause angelangt war, suchte er nach seinem Schlüssel. Doch vergebens. „Kreitz Tobak, wu hoa'ch ock menn Schliff'!. Dann war'ch wühl verlur'n hoan. Aber rei muß'ch doch! Do war'ch ock a's Koammerfanst'r puch'n miss'n!" schwankte zum Fenster hin und pochte: „Koarlin, mach ock amol uf, ich hoa menn Hausschliss'l verlur'n!" Karline kam im Nachthemd zum Fenster. Doch als sie sah, wie sich ihr Herr Gemahl kaum auf den Beinen halten konnte, meinte sie: „B'suff'n bist, doaswaig'n hoast'n Schliff'! verlur'n. Magst sah'n, wie D' rein koannst!" und verschwand. Trübselig setzte sich Nichtschuster auf die Treppen stufen und dachte darüber nach, wie doch die Frauen so herzlos sein können. Ein zweiter Klopfversuch blieb ebenfalls ohne Erfolg. „Zu woas hoast'n Dei Helikon" (Baßtrompete), sagte er zu sich. „Do war'ch ihr a Ständchen breng'n" und blies mit aller Lungen kraft in seine Baßtrompete mitten in der Nacht. „Leise flehen meine Lieder." — Es dauerte garnicht lange, erschienen an allen Fenstern weiße Gestalten. Aufs höchste erschrocken, riefen sie: „Woas is denn lus? Wu brennts denn?" So schwirrten die Fragen durcheinander. Karline schloß nun schleunigst die Haus türe auf und Julius konnte in Ruhe seinen Rausch ausschlafen. Die nächsten Tage ließ er sich nicht sehen; denn seine Nachbarn hatten erfahren, wer der nächtliche Ruhestörer gewesen war. Eine besondere Liebhaberei von Nichtschuster war die Kanin chenzucht. Er hatte wirklich schöne Tiere und bei allen Kaninchen- Ausstellungen hatte er meistens den ersten Preis oder gar den Ehrenpreis. Dies stieg ihm zu Kopf und er meinte, wenn er schöne Kaninchen züchten könne, würde cs mit Ziegen auch so gut gehen, und kaufte sich eine. Aber er hatte keinen Erfolg, sie wurde mag rer und magrer. Damit sic nicht umfiel, wickelte Nichtschuster Draht um die Beine der Ziege und stützte sie auch von der Seite damit. Natürlich blieb das im Dorfe nicht unbekannt und Julius konnte hinkommen, wohin er wollte, überall hörte er Sticheleien: „Nu, woas macht'n Dein Zieg? Koannst se nu bal schlachten?" oder: „Schoaff se ock uff d' Ausstellung, do kriegst D'n irscht'n Preis druff", oder: „Iuljus! Willst mer ne amol denn Droaht gähn, mein Zieg braucht'n nutwend'ch!" Lange Zeit, als die Ziege schon längst tot war, wurde er mit seiner Ziege geärgert. Nichtschusters guter Freund war Apelt-Emil. Der war ein sonderbarer Kautz. Er lebte mit seiner Schwester in einer alten Hütte. Ziegen, Hühner und Gänse hatten sie mit in der Stube drin. Mit diesem Freund ging Nichtschuster zur Kirmeszeit „Kuch'n fechten". Sie stellten sich bei den Bauern auf den Mist haufen; Apelt machte Faxen und Nichtschuster blies auf seinem Helikon. Die Leute gaben ihnen«-gern und reichlich und sie kehrte» immer schwer beladen mit Kuchen heim. „Menthoalben kennt jed'n Tag Kirmis sein, do hätt'n mer wingst'n immer woas gutt's zu fraff'nl" „Heut woars schien g'was'n, do hoam mer a ganz schie Stick'! Geld verdient!" sagte Nichtschuster zu seinen Kollegen, als sie sich aus dem Heimweg von einer Ballmusik befanden. „Do kennt'n mer eeg'ntlich ei dr nieder» Schenk eikehr'n und a Gloas Bier trinken!" meinte ein anderer. Der Vorschlag wurde von den immer durstigen Künstlern angenommen. Nichtschuster stellte seine Baß geige in die Hausflur und ging in die Gaststube. Als sie alle ihren Durst gestillt hatten und weitergehen wollten, war die Baßgeige verschwunden. „Mein Boatzgeig, mein Boaßgeig, wu is'n mein Boaßgeig, meine Boaßgeige?" Nichtschuster war ganz nieder gedonnert. Der Schreck war ihm so in die Glieder gefahren, daß er sich setzen mußte. Er vergaß sogar seinen Lieblingsausdruck: „Woas für a Lump mag ock die g'maust hoan? Do