Volltext Seite (XML)
Gberlaufltzer Helmatzettung -Nr. 17 Witwe, geborene Daroneffe von Schönberg.Bibran, aus dem Hause Luga, tief in Schwarz gekleidet, von der Familie des Lehrers. Da der Konkurs ausbrach, wurde das gesamte In ventar in einer mehrtägigen Auktion verkauft, und wir Kinder hatten Gelegenheit, die schönen Möbelstücke des Schlosses zu bewundern, die nun in alle Welt wanderten, wohl auch die weiten Schloßräume zu betreten. Das Rittergut ging in den Besitz des Obersten a. D. Frei- Herrn von Hausen über, der noch im Sommer etnzog und an der Dorfgrenze auf dem Fahrweg von Kleinwelka feierlich be grüßt wurde. Der Lehrer Höhne bewillkommnete an der Spitze der Schuljugend die neue Herrschaft mit einer Rede. Mein Bruder und ich führten zwei Fahnen, die wir vor kurzem von einem Torgauer Onkel geschenkt bekommen hatten. Am Tage vorher hatte ich sie aus dem Ellernhause geholt, und meine gute Mutter hatte dazu aus dem eben in voller Blüte stehen den Garten zwei stattliche Kränze gewunden und oben an den Fahnenstangen befestigt. Das Dors Großwelka hatte keine geschlossene Gliederung, sondern bestand aus mehreren Häusergruppen; die eine lag an der Rittergutsmauer entlang am Wege nach Kleinwelka, eine andere an dem Wege nach Salzensorst, eine dritte ander Windmühle, eine vierte am Parke, eine fünfte vom Dorse etwas abgelegen im Tale, daher das Grüntal genannt. Die Bewohner waren Nahrungs- oder Hausbesitzer, arbeiteten meist mit Aus nahme der wenigen Handwerker — Schmied, Schneider, Wind müller — aus vew Rittergute oder in den gewerblichen Be trieben der benachbarten Herrnhuter Kolonie Kleinwelka. Kleinwelka war die größte der zum Schulbezirk gehörigen Ortschaften. Da aber die Herrnhuter Kolonie ein eigenes, gut ausgebautes Schulwesen für Knaben und Mädchen besaß, kamen zur Schule nach Großwelka nur die Kinder der nicht zur Kolonie gehörigen Gemeinde, die meist an der von Königswartha nach Bautzen führenden Straße wohnten. Kleinwelka hatte für uns wirtschaftliche und geistige Be deutung: Bon dort wurden die läglichen Bedürfnisse des Haus> Halles aus zuverlässigen Geschäften entnommen: Schwarz- und Weißbrot, Fleischwaren, trockene Gemüse, Kolonialwaren. Kaus- mann Schippang war ein großer Kinderfreund, der mit uns gern scherzte. In einer Zeit, wo mit der Annahme der Zwei- gutengroschenstücke mit dem Pferdchen — Braunschweiger oder Hannoverscher Prägung — Schwierigkeiten gemacht wurden, kam ich auch mit einem an und hatte Sorge, ob er es wohl annehmen würde. Aber er sagte jovial: Bringe nur recht viel, mein Junge! Großes Ansehen genoß die Gruhlsche Glocken- gießeret. Bevor ein Geläut zur Ablieferung gelangte, sand allabendlich das Probeläuten auf dem Platze zwischen der Fabrik und dem Friedhose statt, das in einer Gegend, wo im Umkreis von mehreren Stunden keine Kirche mit größerem Ge läut sich befand und auch die Brüdergemeinde nur über eine kleine Glocke in dem Dachreiter des Detiaales versügte, be sondere Ausmerksamkeit und Freude erregte. Die Gottesdienste der Brüdergemeinde wurden allsonntäglich besucht, außerdem noch besondere Veranstaltungen, z. B. die Wochenabendgottesdienste in der Fastenzeit, die Konfirmationen in der Karwoche mit der vorgehenden, sehr eingehenden Prüfung. Die Gottesdienste waren kürzer als die der Landeskirche, weil die Liturgie eine wesentlich einfachere Gestalt hatte. Nur an den hohen Festzeiten wurden größere Motetten aufgeführt, z. D. ist mir noch die vom ersten Adventssonntage erinnerlich: Hoch tut euch auf, ihr Tore der Welt, daß der König der Ehren ein- ziehe! Eine besonders ausgestattete Feier war dos 100jährige Jubiläum im Jahre 1858, bei der Pastor Primarius Dr. Rüling aus Bautzen die Grüße der Landeskirche überbrachte, abends auch eine sesilich« Illumination des Ortes den Abschluß bildete. Die Gottesdienste der Brüdergemeinde wurden damals mehr wie später von den Wenden der umliegenden Dörfer, die alle wette Wege bis zu ihren Parochialktrchen zurückzulegen hatten, besucht. Nach der Einrichtung der Gottesdienste in Luppa und Einweihung der Kirche in Ouatitz 1899 hat der Besuch seitens der Wenden der benachbarten Parochien nicht unwesentlich ab- genommen. Linen ganz anderen Charakter trug das auch nach Groß- welka eingeschulte Dorf Kleinseidau. Hier lag der Hauptstamm der Besitzungen im Kreise um den Dorfteich herum und zeigte ganz den Charakter einer slawischen Siedelung. Temritz war ein sehr vermögender Ort, bestand aus mehreren Bauerngütern. Für Schmochtitz war charakteristisch der umfangreiche Park. Aus ihm ist mir ein Denkmal in Erinnerung, das in Form einer Kokospalme von dem Rittergutsbesitzer Peter August von Schönberg 1769 zur Erinnerung an den Besuch des Kur fürsten Friedrich August III. errichtet worden war. Bei einer Felddienstübung im Jahre 1877 betrat ich den Park wieder und konnte alte Erinnerungen aussrischen. Milkwitz trug ein eigentümliches Gepräge infolge seines umfangreichen Teiches, der von zahlreichen Bläßenten belebt war und dadurch nicht nur die Jäger, sondern auch uns Kinder fesselte. Diese Dörfer hatten sich nach und nach zu einem Schuloerbande zusammengeschlossen. Nach dem Schulgesetze von 1835 war die Verwaltung und Unterhaltung der Volksschule noch Sache der politischen Gemeinde. Der Schulvorstand und die Schul gemeinde wurde erst durch das Gesetz von 1873 geschaffen. Die Oberaufsicht fiihr'e die Kreisdirektion Bautzen; Kirchen- und Schulrat Dr. Wildenhahn bearbeitete die Schulangelegen, heilen. Ich kann mich nicht erinnern, daß er die Schule be sucht hätte. Dagegen erschien regelmäßig zu den Osterprüsungen als Ortsschulinlpektor der Diakonus Mros an der wendischen Kirche zu St. Michael in Bautzen. Bet einer solchen entsinne ich mich eines erheiternden Zwischenfalls: Es handelte sich um die Erzväter, wenn ich nicht irre, um Abraham. Der Lehrer fragte wendisch — der Religionsunterricht wurde vorwiegend wendisch erteilt —, wer einen Erzvater, wendisch vrett, nennen könne, worauf ein Knabe prompt antwortete: 8tsri Luciar we ^Veikovvi (Der alte Buder in Klein Welka). Orett heißt nämlich auch Großvater. Große Heiterkeit belohnte die Antwort. Bisweilen fanden auch Lehrerkonferenzen statt, bei denen Probelektionen gehalten wurden. Ich entsinne mich, hier zum ersten Male den bekannten Kantor Becker von der Michaeliskirchs in Bautzen gesehen zu haben. Alljährlich fand in der Schule um die Pfingstzeit die gut besuchte Jahresversammlung des wendischen tzeidenmisstons- Vereins Serbske dU88ion8ire 1?o>v3r8t>vo statt. Den Vorsitz führte Sielnbruchvesitzer Mtersch aus Temritz, besten natürliche Beredsamkeit und inbrünstiges Gebet großen Eindruck machten. Auch ein langer Herr mit schwarzem Dollbart, wenn ich nicht irre, Lehrer in Spittwitz, war ständiger Gast und gehörte wohl zum Vorstand. Unser Lehrer nahm nicht teil, veranlaßte uns auch nicht zum Besuche der Versammlung. Die Schule war dreiklassig. Früh 7 Uhr trat die große Klasse an, die die 4 obersten Jahrgänge umfaßte. Um 11 Uhr kamen die Kleinen bis '/-I Uhr an die Reihe. Nach verkürzen Mittagspause erschien um 1 Uhr die Mittelklasse. Bevor der Lehrer selbst eintrat, hatte ich die Gänsefedern mit dem Feder- Messer zu schneiden, die Schieferstiste nachzusehen, die tzaus- arttgaben, deutsche Abschriften oder Rechenexempel auf der Schiefertafel, durchzugehen, wohl auch das Gelernte zu überhören. Der Lehrer Andreas Höhne war bereits seit 1820 hier im Amte, einer der ersten Zöglinge des Bautzener Seminars, eine kräftige, stattliche Gestatt von einer zähen Gesundheit. Ich kann mich nicht entsinnen, ihn je krank gesehen zu haben. Der bekannte Bautzener Kirchen- und Schulrat Gottlob Leberecht Schulze, der Verfasser des Sächsischen Dolksschulgesetzes von 1835, hatte ihn bereits im Dienste besucht. Mit großer Ge- wiflenhasttgkeit bereitete er sich aus den Unterricht vor, führte mit Takt und Ruhe ftiaffe Disziplin gegenüber den großen, bisweilen wohl recht eigenwilligen Knaben und Mädchen, ver stand es vortrefflich, das Vertrauen und die Liebe der Kleinen zu gewinnen, ihrem Anschauungskreise sich anzupassen. So eiinnere ich mich, daß einmal nach den Pstngstserten das kleine W dran kam. Höhne machte es den kleinen Wenden schmack-