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Sommer im Witügtal Wenn der Gommer zieht ins Tal, Grüß ich dich im Sonnenstrahl, Teure Heimat, lieb und traut, Gott hat schön dich aufgsbaut! Deiner Felder Ährsnpracht, Die die Sonne golden macht. Deiner Wissen frisches Grün Läßt in mir die Freuds blühn. Wenn dis Lerchs munter singt, Frei sich auf zum Himmel schwingt. And die Wachtel schlägt im Feld, Preis ich dich, du schöne Welt. In der warmen Sommerluft, Süsi gewürzt von Dlumendust, Summen Dienen, nehmen Kraft Nus der Wittigblums Saft. Auf des Flusses klarem Grund Sonnen Fischlsin sich gar bunt And der Angler, unerkannt. Steht versteckt am Assrrand. Tief im Schilf, am großen Teich Ist der Wassersnten Deich. Dort, am grünen Wellenschlag Sitzt der Jäger manchen Tag. And am Nam, beim Wajjerborn, Gehn die Schnitter in das Korn. Es blitzt hell ihr Ssnssnstcahl, Der die Holms mäht in Sahl. And auf weitem Stoppelfeld, Fest in Garben ausgestellt. Trocknet sie die Sonnenglut Anter Gottes Schutz und Hut. Erntewagen rollen schwer Durch das Hostor hin und her, And dec letzte trägt voll Glan; Emmi kornblumblausn Kranz. Dald die Sommsrtags sliehn And dis weißen Fäden ziehn Noch im Nbendsonnenstrahl Abers stille Wittigtal. Wilhelm Fischer, Sittau. Zu Großvaters Zeit in Reichenau Bon E. Brückner, Schuldirektor i. R, Radebeul DM noch größerem Maße als die Kindtaufen griffen dann namentlich die Hochzeiten ins Leben der Familie ein und interessierten auch weitere Kreise, wenn sich ein sol- ches Fest in einem größeren und stattlicheren Rahmen vollzog. Zumeist heiratete die heimische Fugend unter sich. Selten, daß ein heiratslustiges „Reichencer Madl" außer halb der Grenzpfähle des Ortes oder des Kirchspiels sich verehe ¬ lichte. Nur besondere Umstände brachten es mit sich, daß ein „Reicheneer Karl" seinen Wigwam in „Rustel" oder „Bern stadl" aufschlug. An Gelegenheiten, sich gegenseitig kennen und lieben zu lernen, fehlte es damals keineswegs. Wenn auch das Tanzfieber von heute nicht grassierte und Wochentags das Tanzbein Schon zeit hatte, so ist wahrheitsgemäß doch zu berichten, daß an den Sonntagen damals in Reichenau gehörig „geschwuchtelt" wurde: in der Ober- und Niederschenke „nach der Leier für en Dreier", oder fünf Pfennige, oder für Anspruchsvollere im „Sittschen Gutte", „Kratschn" und Schießhaus bei vollbesetzter Tanzmusik. Den meisten Zulauf hatte das „Gutt", weil dort die gutgeschulte Förstersche Schützenkapelle aufspielte. Einige besonders charakte ristische Musikantentypen der dort ihre Kunst Ausübenden haben sich mir bei meinen an fünf Fingern herzuzählenden Gastrollen unverlierbar eingeprägt: der hagere Klarinettist Gähler (Gahler), der Flügelhornist und erste Trompeter Mehne („dr kleenc Meh"), der feiste und behäbige Bischoff („dr Streicher") und der die Pauke und die Becken schlagende Knebel. Manche „Heemfuhre" schloß sich da nach Tanzschluß an denselben und die ersten zarten Bande sind da bei manch einem jungen Paar, das heule in ge segnetem Alter steht oder lange schon in kühler Erde ruht, gewoben worden. Auch die von den damals bestehenden Vereinen veran stalteten Kränzchen und Bälle gaben der Heranwachsenden Fugend hinreichend Gelegenheit, sich zu nähern und Liebeleien zu pflegen. In den langen Winterabenden waren es dann die „Lichten gänge" und „Fedcrschleißen", die einen beliebten Treff- und Sammelpunkt für die heiter ins Leben blickende Jugend bildeten. Ohne den mancherlei Auswüchsen, zu denen es dort, hier und da gekommen, das Wort zu reden, behaupte ich nicht zuviel, daß durch den dort gepflegten geselligen, auf Freundschaft und heitere Lebensauffassung gegründete» Verkehr der Jugend manches zarte Verhältnis, welches später zur Ehe führte, „angebändelt" worden ist. Hatten sich die Herzen zweier Liebenden gefunden und waren sie eins geworden, vereint durchs Leben zu gehen, so traten sie nunmehr an die beiderseitigen Eltern heran mit der Bitte um das „Ia"wort. Wenn ihnen das zuteil geworden, sahen sich die jungen Leute stillschweigend als Verlobte an. Die Verlobung besonders zu begehen und, wie das heul viel fach geschieht, öffentlich bekanntzugeben, beschränkte sich auf nur wenige Ausnahmen. Die Braut und deren Eltern sorgten, je nach ihren Kräften, für die notwendige Ausstallung. Entsprechend der Einfachheit und Bescheidenheit in der damaligen Lebensfüh rung, beschränkte sich das Heiratsgul und die Aussteuer ungemein und läßt einen Vergleich mit heute nicht zu, wo die jungen Leute vielfach so begehrlich in der häuslichen Einrichtung ihren Eltern gegenüber auftreten oder, wo diese ihnen nicht zu Wunsch und Willen, auf „Lump und Pump" sich nahezu herrschaftlich ein richten. Weitaus die meisten Reichenauer Familien, worunter ich auch die zahlreichen „kleinen Leute" begreife, setzten eine Ehre drein, ihren orr der Gründung eines eigenen Haushalts stehenden Töchtern zwei GedeckBetten, die nötigste Leibwäsche für Sommer und Winter im zwei- oder dreimaligen Wechsel, eine Lade, viel fach der Ersatz für jede Art Schrank zugleich mit der Kommode, einen Tisch, einige Stühle, einen Kleider- und Wäscheschrank, eine Bank, zwei Bettsteken, wenn „einmenschig", oder nur eine, wenn „zweimenschig", ein halbes Dutzend Taffen und Teller nebst dem nötigsten Kleinkram für den häuslichen Gebrauch als das Mindeste in der Aussteuer zu geben. Da das Zivilehestandsgesetz erst Ende der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts in Kraft getreten ist, war die Schließung einer Ehe ausschließliches Recht der Kirche und ihrer Diener. Der kirch lichen Trauung ging das dreimalige Aufgebot voraus. Je nach dem die Brautleute das kirchliche Ehrenprädikat „Iunggesell" und „Jungfrau" beanspruchten, oder darauf verzichteten, wurden sie entweder mit oder ohne dasselbe aufgcboten. Die unterschied lichen Aufgebote, bei denen mitderZcitmehrwiecine„Mogelei" an den Tag kam, waren damals bereits ein öffentliches Ärgernis und bildeten insonderheit für den weiblichen Teil der Kirchgänger einen Gegenstand, der diese nicht nur lebhaft interessierte, sondern der auch lebhaft durchhechelt und bekrittelt wurde. Ich glaube nicht, irgend Jemand in seinen Gefühlen zu verletzen, wenn ich behaupte, daß die aus früherer Zeit stammende Sitte zur Hebung der Moral der Jugend recht wenig beigetragen und die Kirche nichts an Ansehen durch den freiwilligen Verzicht darauf ver loren hat. Dem Hochzeitstage selbst schlugen aller Herzen freudig entgegen. Zur Freude des-hehren Tages und zu würdigem Empfang der Gäste gab es Tage vorher im Hause ein gründliches Säubern und Reinigen aller Räume. Die Ausrichter der Hochzeit hatten die Hände voll zu tun: die Brautmutter, daß der Kuchenteig geriet und der Kuchen selbst knusprig und angenehm duftend vom Bäcker ins Haus kam. Den Hausgenossen und Nachbarn wurde mit einem „Schien Gruß" eine Kostprobe zugetragen. Dem Brautvater wiederum lag es ob, für ausreichende und gute Bewirtung seiner Gäste ebenso, wie für deren angenehme Unter- Haltung und Kurzweil besorgt zu sein. Für letzteres trug bei Hochzeiten von größerem Umfang namenllich der Hochzeitsbitter Sorge, den man in seinem Dreimaster, seinem feingebügeltcn, mit einem rotseidenen Tuche geschmückten Fracke und dem mit bunten Schleifen verzierten Marschallsstabe geraume Zeit vorher zur Einladung der Gäste gravitätisch hatte durch's Dorf schreiten sehen. Weitaus die meisten Hochzeiten hielten sich in ihren durch die Verhältnisse gewiesenen Grenzen. Eine solche, wo mebr als fünf Kutschen zur Beförderung des Brautpaares und der Hoch zeitsgäste nach und von der Kirche aufgeboten waren, galt schon als „grüße Huchst", und zog dann ungezählte Neugierige, haupt sächlich Frauen und Kinder, in ihren Bann. Schon das Hochzeits haus glich vor der Fahrt zum Gotteshaus bei der Menge der Neugierigen und Gaffer einer belagerten Festung, und noch viel dichtere Bolkshaufen drängten dann nach der Kirche. Ich selbst habe als etwa 12 jährige „Reicheneer Range" eine Hochzeit von außergewöhnlichem Umfang und festlichem Gepräge erlebt, wie selten einmal. In meinen Iugenderinnerungen habe ich bereits daran erinnert.