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Jetzt reit ich nicht mehr heim, bis daß der Kuckuck Kuckuck schreit; er schreit die ganze Nacht allhier auf grüner Heid. Aber vorerst wird einmal gründlich Rast gehalten. Dann geht es in die Teiche von Lommerau. Hier entfaltet sich das Bogel- leben noch reicher: der Rohrsperling ist für die meisten von uns eine Entdeckung; graue Trauerseeschwalben sind seltener, häufiger die Lachmöven mit ihrem leichtbeschwingten Fluge; eine Enten mutter verrät uns ihr wohlgeschütztes Nest im Brombeergerank des Ufergebüschs, weil sie jäh auffliegt. Bor uns kann sie un besorgt sein, wir nehmen ihr keines ihrer acht gelblichweißen Eier weg. Aber die Nebelkrähe jagt die brütende Ente vom Neste im Schilf hinweg und trägt ein Ei im Schnabel zur nächsten Birke am Teichdamm, um es zu verzehren, wie ich es am Montag mit eignen Augen ansehen mußte, ohne helfen zu können. Ein Kuckuckspärchen fliegt mit raubvogelhaft schnellem Fluge über die Seefläche. Der Storch hat sein Sommerauer Nest nicht wieder bezogen, erst in Großsärchen stellten wir (nach kurzer Rast in Wartha) einen bewohnten Horst fest, nachdem wir schon vorher eisten Adebar im schönen Gleitfluge bewundert hatten. Auf der Großsärchener Düne fanden wir die blaugrauen Büschel des Silbergrases (Lor^nopkoru8 can68ceu8) neben ganzen Flächen der Renntierflechte (Lotraria ranAikerins). Uber den Teichflächen lag schon goldroter Abendglanz, als wir durch Birkengänge Wittichenau erreichten, wo 10 von uns übernachteten, während wir mit dem Abendzuge, gemeinsam mit den von Bautzen kommen den Mitgliedern und Gästen, Hoyerswerda zusuhren. Die liebens würdige Vermittlung des Herrn Polizeisekretärs Meinhard hatte im Bahnhofshotel, im Schwarze» Bären, Goldnen Anker und Goldnen Stern Herberge für alle versorgt. Im Anker saßen wir noch plaudernd bis zur Polizeistunde, hier 11 Uhr, beisammen. Ein herrlicher Maiensonntagsmorgen brach an. Biele von uns benutzten ihn, um das Städtchen zu besehen, das Grab jenes angeblichen „Wettiners" zu besuchen oder in der Stadtkirche bei der frühzeitigen Abendmahlsfeier stille Einkehr zu halten. Am Bahnhof trafen wir alle gegen 8 Uhr zusammen, auch die 10 von Wittichenau unter Herrn Partzschs Führung waren nach ein stündiger Morgenwanderung pünktlich zur Stelle. Der Zug 8,14 brachte uns nach Schwarzkollm-Lautawerk. Dort war unsere Radfahrabteilung nach gut dreistündiger Morgenfahrt von Bautzen her pünktlich zur Stelle: ein Appell stellte 53 Teilnehmer an der Fahrt fest, zu denen sich später noch zwei Autofahrer ge sellten. Wir wanderten nach der G ru b e Eri ka der Bergbau gesellschaft Ilse. Im hübschen Saale der Kantine hielt uns Herr Bergdirektor Weilandt einen Vortrag: Das Braunkohlenflöz ist hier 6—8 Meter stark und liegt unter einer l 8—20 Metermächtigen Decke von tertiären und diluvialen Sanden und dem Geschiebe mergel der eiszeitlichen Grundmoräne. Verhältnismäßig selten sind Sandmengen in das Flöz hineingestaucht oder geschwemmt worden. Das Liegende ist Glassand, der durch Humussäuren der Braunkohlenmoore dunkel gefärbt ist. Da es sich hier nur um das untere Flöz handelt, ist die Sumpfzypresse (TaxoOium äwticstum) der Hauptbildner des Flözes — im oberen Flöz der Senftenberger Gruben der Ilse tritt mehr und mehr Sequoia LmnA86orki an die Stelle der Sumpfzypressen. Der Flöz ist also „autochthon", an Ort und Stelle gewachsen — doch sind offenbar, auch Pflanzenmassen eingeschwemmt worden. Als „allochthon" darf man es aber nicht bezeichnen, Treibholzmassen sind hier nicht zusammengeschwemmt worden. Durch Senkungen sind die tertiären Auenwälder unter Wasser gesetzt worden, ihre Stämme faulten in gewisser Höhe ab, legten sich wagrecht um und ver kohlten unter Luftabschluß. Das obere Flöz ist hier bei Schwarz, kollm am Südufer des alten eiszeitlichen Urstromtales wegrasiert worden. Grube Erika ist das jüngste Kind der „Ilse", in gewissem Sinne ein Kriegskind. 1917 konnte der Abbau beginnen. Die Tages förderung (24 Stunden) an Rohkohle beträgt 8000 Tonnen. 4—500 Waggons davon verbraucht täglich das Aluminiumwerk Lauta, 100—120 die Brikettfabrik der Grube. Troße Ketten- und Löffelbagger (Magdeburg-Buckauer Herkunft), die größten in Deutschland, besorgen auf zwei großen Tagebaufeldern die Förderung. 20-Tonnen-Wagen mit elektrischen Lokomotiven schaffen die Rohkohle nach den Verbrauchsstätten. Die Wasser- Haltung der Grube ist sehr günstig. Während auf Morga täglich viermal so viel Wasser als Kohle und Erde bewältigt werden muß, was natürlich einen großen Kraftaufwand erfordert, ist hier die Wasserabfuhr viel geringer, da sich das Flöz nach Norden neigt und viel Wasser dem natürlichen Gefälle folgt. Nach kurzem Dankeswort des 1. Vorstehers folgte nun die Führung in die Grube unter Herrn Diplom-Ingenieur Treptow und Herrn Obersteiger Stein in zwei Abteilungen. Wir sind beiden Herren für ihre Liebenswürdigkeit und Aufopferung zu aufrichtigem Danke verpflichtet. Das Baufeld I ist fast ausgekohlt. Auf einer Front von 800 Meter Länge arbeitet nur noch der Löffelbagger den stehengebliebenen Rand des Flözes ab. Das abgesaugte Wasser wird in der Fabrik zu Speisezwecken verbraucht. Der 20 Meter hohe Abraum ist in der „Kippe" hochgefahren worden, soll aber nun bald zur Auffüllung des ausgekohlten Feldes be nutzt werden. Die Belegschaft der Grube ist zurzeit 2000 Mann, soll aber auf 3600 erhöht werden. Wohnbaracken sind im Bau, auch eine Heimstättenanlage. Auf der Heidefläche am Rande der Grube wächst graue Krieg Totralix, dazwischen blüht To68<j»Ieg nuciicguli8, der zierliche Bauernsenf, und Viola kiviniang, während die neuen Schuttflächen übersät sind mit den goldig leuchtenden Sternblumen des Frühlingsgreisenkrautes (Senecio vernaim). Heidelerchen singen darüber, während in der Tiefe der Grube die Züge der Kohlenbahn dem Grubenbahnhof zueilen, die Bagger mit ständiger und unterbrochener Arbeitsweise nach gesehen werden von fleißigen Arbeitern. Das Dörfchen Laubusch steht dicht am Rande des Bauselds, von seinen Bewohnern ver lassen ; es wird ein Opfer des Bergbaus und verschwindet buch stäblich vom Erdboden. Das Baufeld II hat 1500 Meter Bagger front. Zwei große Abraumbagger schneiden, übereinander ar beitend, je 8 Meter Boden weg, ebenso arbeiten 2 am Flöz. Es sindHoch- und Tiefbagger, weil die Oberfläche des Flözes nicht eben ist, sondern schwach gewellt. Der Hochbagger schafft für den Tiefbagger die Fahrbahnebene. Der Abbau des Flözes erfolgt gegen Südosten hin, während der Abraum im Nordwesten der Auffüllung dient. Hier bestehl der Abraum zum großen Teil aus steinhartem Geschiebemergel, in den oft große glattgeschliffene Porphyre und Granite als Geschiebe eingebacken sind. Sie liegen auf der Baggerebene neben zahlreichen Feuerstein-, Carneol- und Lhalcedonsplittern. Auf der ersten Abraumebene steht auf drei Schienen der Riesenbagger, ein Hochbagger, dem die Arbeiter gerade an die Ränder der Paternostergefäße neue Stahlzähne äufschrauben, damit er in der Woche den harten Geschiebelehm besser abbeißen kann. Der Leviathan beherbergt 5 Motore in seinem Leibe, einen zum Bewegen der Kette, einen für die Luft druckbremse, einen Lastmotor für die Nachtarbeit, zwei für die Bewegung des Baggers. Ein mächtiges Gefäß, mit Schwerspat gefüllt, hält dem weit ausgreifenden Kranarm der Kette das Gegengewicht. Beim Abstieg zur Kohlenebene macht uns der Führer auf den Grubenbrand aufmerksam, der durch Funkenflug bei einem Heidebrand entstand und die Schwellen der Förder gleise fraß. Binnen vier Tagen war der Wiederaufbau vollendet! Noch liegen die verkohlten Hölzer zahlreich umher,und der graue Braunkohlenton ist ziegelrot gebrannt worden. Der Bagger hat an der Flözwand einen „Stubbenhorizont" der Sumpfzypresse angeschnitten, er liegt hier im NW. etwa in der Mitte des Halb flözes, gegen SO. hin nähert er sich dem Hangenden. Wir heben uns ein Rindenstück des Taxodiums auf. Auf dem Flöze kommen auch Bernsteine vor. Die Arbeiter sind Sonntags beschäftigt, die Geleise der Förderbahnen und der Bagger zu verrücken. Das geschieht mit Gleisrückmaschinen, die von elektrischen Loko motiven hin und her bewegt werden und den ganzen Geleise- Körper bei jeder Hin- und Herfahrt um 30 Zentimeter seitlich an- drücken. Nachdem wir unfern freundlichen Führern noch ein drei faches Glückauf dargebracht haben, erreichen wir gegen '/-l Uhr das Beamtenkasino des Lautawerks, wo Herr Buchhorn uns im