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Ar. 13 Gberlaujther Hermaizeltung IN zu Haus fechten gehen. Aber die hatte den Alten aus Gnade und Barmherzigkeit ins Ausgedinge übernommen. Aber die menschliche Wut spuckt immer auf andere statt auf sich selber. So war's beim Schusterbarthl, so war's bei mir. Wir zwei haben einander immer tiefer in Groll gegen die Rothoferin hineingeredet. Mir gings wie so einem grauen Schmetterling, die abends in die Lampe flattern, wenn sie auch wissen, daß sie dran zugrunde gehen. Ich spuckte Gift und Galle gegen den Rothof, aber bloß im geheimen, mit Barthln zusammen. Aber in jeder Smnde, wo ich Zeit hatte, stand ich an meinem Kammerfenster und guckte hinüber, wo ich so gern gewesen wäre. Der Barthl hat sich mehr und mehr an mich rangemacht. Und einmal. Wir standen dkaußen am Birkteich, da hat er damit angefangen. Anzünden müßte man den Rothof. Da hab ich ihn stehen lassen und bin fortgerannt. Wie ich leise in meine Kammer schleichen wollte, hörte ich, daß es beim Bauer drin sehr laut zuging. Ich wollte vorbei. Da hörte ich einen Namen und blieb stehen. Der Alte und der Junge stießen ihre dicken Köpfe zusammen. Der Bauer wollte seinen Sohn mit der Rothoferin zusammenkuppeln Das fuhr mir wie ein Schlag in die Knochen. Nun hatte der Barthl leichtes Spiel. Ich wußte, daß mein Weizen auf dem Rothofe nicht blühte. Aber ein andrer sollte sie auch nicht Kriegen. Da wurde ich ein Brandstifter. Aber damit hatte der Teufel noch nicht genug. Er mußte mich auch zum Mordbrenner werden lassen. Barthls Vater hat mir die ganzen Jahre durch auf dem Gewissen gelegen. Die Reue hat in mir rumgefressen und die Angst vor dem Herauskommen. Aber immer wars dem Teufel noch nicht genug. Er mußte mich noch zum Meineidigen machen. 'Dem Barthl sein Alibi habe ich beschwören müssen. Dem Barthl sein Kopf aber ist seit jener Zeit auch ausgebrannt, seit er seinen Vater verbrannt hat. Aber seine Strafe ist die meine mit gewesen. In seiner Besoffenheit und seiner Ver rücktheit hat er oft Zeug geredet, was uns beide leicht hätte ins Gefängnis bringen können. Aber die Leute haben nicht auf ihn gehört, weil er für ganz blöde gegolten hat. Immer noch nicht hatte der Teufel genug aus mir gemacht. Jetzt mußten auch noch Unschuldige unter unserm Verbrechen leiden. Den Pfeiffer Heinrich habe ja eigentlich ich aus der Heimat vertrieben. Fast dem Barthl gleich bin ich geworden, wie die Pfeiffer Agnes auf den Birkhof kam. Ich hab ansehen müssen, wie sie von ihrem Mann behandelt morden ist. Und ich war schuld. Oft wollte ich auf und davon gehen, aber eins hat mich immer zurückgehalten. Mir wars, als müßt ich warten, bis ichs irgendwie gutmachen könnte. Gutmachen, als wenn man das könnte I Nun liegt sie drin, krank und elend, und ich, ich bin zu feig. Wo ich reden sollte, schreibe ich." Felix saß lange Zeit noch in Sinnen versunken. Das war das erste Mal, daß er einige Züge aus dem Leben seiner Mutter erfuhr. Und auf welche Weise! 16. Kapitel. In der Kälte und Finsternis des Spritzenhäuschens kauerte auf einer Strohschicht Christian. Durch seinen Körper schlug ein Zittern und Beben. Doch nicht wegen der Kälte allein. Ihm war es, als sollte er verrückt werden bei dem Ge danken, nie mehr hinter dem Pfluge herschreiten, nie mehr die Sense durch wogende Ahrenfelder schwingen zu können. In ihm rief es: .^Hinaus, hinaus!" Er tastete sich bis zur Tür und lauschte. Das Schnarchen des Wächters tönte herein, sonst alles still. O nur etwas in den Händen. Die alte Lehmwand an der Hinterseite würde nicht lange widerstehen. Er griff an dem Spritzengestell herum. Da, seine Hand krampfte sich fest zusammen. Ein großer Schraubenschlüssel. Mit einem Sprung war er an der Lehmwand. Erst leise, vorsichtig, mit vielen Pausen und ängstlichem Horchen. Das Scharren wurde lauter, die Pausen ver kürzten sich, bis er in fieberhafter Tätigkeit arbeitete, daß ihm der Schweiß auf der Stirn perlte. Erschöpft hielt er. Schon schienen die Sterne durch eine kleine, handgroße Öffnung. Da schrak er zusammen. „Christian." Der Ruf wiederholte sich, ganz leise, wie in verhaltener Angst. „Christian." „Selma." „Ach Gott, was gibst ock an?" „Raus." — Christian fühlte etwas Langes,Kaltes in seine Hand gleiten, eine Brechstange. Dann flüsterte es noch leise: „Hinner Burkerts Scheune." Nun arbeitete er mit der Kraft der Verzweiflung weiter. Nicht lange dauerte es, da schob sich ein Kopf langsam durch die Wand. Die Schultern rissen beiderseits Lehmstücke weg. In der Mitte blieb der Körper stecken. Jetzt waren die Hände heraus und umklammerten einen schlanken Baumstamm. Die Arme zogen kräftig an. Die Füße stemmten sich gegen ein Spritzenrad. Unter lang samem Zerren und Schieben zwängte sich der Leib hindurch. Nun eilte eine gebückte Gestalt an Zäunen und Häusern entlang, lautlos wie ein Schatten. Zwischen Scheunen und Ställen, durch enge Gäßchen huschte sie dahin bis auf das freie Feld. Hinter dem letzten Hause richtete sie sich auf atmend in die Höhe. Frei! Von der hohen massiven Scheune her kam etwas entgegen. „Christian, umhin?" Kein Händedruck und nichts, aber eine in Angst ersterbende Stimme. „Ubern Tannicht es Bihmsche." Christian brach vor Aufregung zusammen. Drum saßen sie fünf Minuten am Feldrain, aber es schienen Stunden zu sein. „Wenn sie dich Kriegen, du." „Lebendig ne." Die Rechte fuhr in die Hosentasche. Verflucht, das Messer hatten sie ihm ja genommen. „Dort hab'ch was mitgebracht." Neben der halbfaulen Weide lag ein Bündel Eßzeug, Hut und Stock. Er raffte es an sich. Wie gehts der Frau? „Besser. Weeßt du denn, warum sie uf emal krank ge worden is? 'n Lehrer seine Motter is die frühere Rut- hoferin gewast." Christians Gesicht überzog fahle Leichenblässe. Das Ent setzen hatte ihn wieder beim Schopf. Auch das noch. Das Mädl und der Schulmeister! Das Neue brachte sie aus einander und wieder hatte er das Glück zweier Menschen auf dem Gewissen.