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Nr. IS Gberlaufltzer Helmatzoltung Stadt Löbau und ihrer Umgebung bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts" in der Festschrift znr Stadtjubelfeier. Auf Gruud genauester Kenntnis aller urkundlichen und archivalischen Nachrichten und unter vorsichtigster Deutung der sekundären Quellen: der Erdfunde. Flurkarte, alten Karten, des Stadtplanes usw. kommt er zu dem Ergebnis, daß Löbau au dem alten Wege von Bauherr nach Zittau, also nach Böhmen (Gabler Straße nach Prag) gegründet morden ist, und zwar am Nordrande des alten Grenz waldes, der den böhmischen Gau Zagost (Gegend von Zittau) von den alten offenen und frühbesiedelten Durch gangsgebieten zwischen Bautzen—Reichenbach—Görlitz schied. Der älteste und wichtigere Straßenzug, der das Elbgebiet (bez. Thüringen) mit dem Odergebiet (bez. Polen) verband, führte von Großenhain—Königsbrück über Kamenz—Bautzen—Weißenberg (bez. wenig südlich davon) —Reichenbach nach Görlitz. Dies war die sogenannte Hohe Straße oder via regier, um deren Straßenrecht oft der Streit zwischen den Städten tobte. Löbau ist südlich von ihr auf einer steil nach dem Löbauer Wasser ab fallenden Hochebene als befestigter Platz angelegt morden, wahrscheinlich zwischen 1213 und 1221. Seeliger meint sogar das Jahr 1213 als Gründungsjahr ansehen zu dürfen. In diesem Jahre ist nämlich die Durchprüfung, Begehung nnd Festsetzung der Burgwardgrenzeu inner halb der Länder Zagost und Bautzen vor sich gegangen. Wahrscheinlich ist diese „Berainunq" (1213 erfolgt), die 1223 zur Scheidung der königlichen und bischöflichen Gebiete führte (Urkunde darüber 1228 ausgefertigt, 1241 vom Könige Wenzel vollzogen), infolge oder in Vor bereitung der Zusammenkunft König Ottokars I. mit dem Meißner Bischof Bruno ll. in Bautzen vorgenommen worden. (Festschrift S. 89 und 162). Bei seiner Reise nach oder von Bautzen hat der König wohl den Mark wald (Königsholz—Kottmar zwischen Zittau—Löbau) durchquert und auf dem weiten Wege den Mangel eines gesicherten Stützpunktes am Nordrande des Waldes leb haft empfunden. Sein kriegserfahrenes Auge dürste das, natürlich befestigte Gelände, auf dem sich die heutige Stadt Löbau erhebt, als zur Anlage eines festen Platzes besonders geeignet rasch erkannt haben. Uber die wirt schaftlichen Bedürfnisse und Möglichkeiten konnte ihm der sicher anwesende Burggraf von Bautzen und der Villikns (der königliche Verwalter) der Walddomäne den erforderlichen Aufschluß geben. Die Aussetzung einer Stadt nach deutschem Recht war ihm und seinen Großen ein geläufiger Gedanke . . . Schon 1211 wurden Gold berg, vor 1214 Ncnmarkt und nm 1217 Löwenberg in Schlesien gegründet, und daß die neue Siedelungs- und Wirtschaftsform auch bereits in seinem Lande Mähren Wurzel faßte, beweist die 1213 erfolgte Gründung von Mährisch-Neustadt (ebd. S. 163). Während wir nun von der Gründung Löbaus wie anderer Oberlausitzer Städte mit Ausnahme von Zittau keinerlei Urkunde oder zeitgenössischen Bericht besitzen, so sind uns zwei böhmische Urkunden von 1223 und 1234 über die Bestätigung der Rechte und Freiheiten der 1213 ausgesetzten Stadt Uncov oder Mährisch-Neustadt erhalten, die deutliche Parallelen zur Gründung Löbaus zeigen. Nach Seeligers Annahme (ebd. S. 161) „stimmen die Verhältnisse in Löbau und Mährisch-Neustadt in folgen den Punkten überein: Beide sind sicher (1) vom Landes herrn oder einem seiner Beamten (2) neben einem Orte mit slawischen Namen angelegt, der (3) aus sie übergeht. ISS (4) Löbau heißt 1221 oppicium, Mährisch-Neustadt 1223 (5) Jenes wird 1268 civitu8 genannt, dieses 1258 (6) Am Martinstage werden in beiden (7) Hofstättengeld oder Wurzgeld, (8) von jeder Hufe pfluggängigcn Landes l/i eines Geldrechnungswertes und (9) drei Maßeinheiten Getreide an den Grundherrn entrichtet. (10) Wegen be nachbarter Dorffluren sind in beiden feste jährliche Bezüge für abgelöste landesherrliche Iagddienste abzuführen. (11) Mährisch-Neustadt ist 1223 und 1234 Sitz eines ucl- vocatus, Löbau 1238. Als fast sicher ist die llbereinstim- mung in folgendem anzunehmen: (12) Beide Städte sind auf Krongut oder auf einer Villikation ausgesetzt, die (13) iu eine Vogtei überging. (14) Der Villikns wurde Erbvogt. (15) Beide Städte erhielten einen Wald zur Be nutzung überwiesen, wobei man in Löbau wohl eher an den Löbauer Berg als an den Kottmar zu denken hat. (16) Das Meilenrecht für Bierschank, Fleisch- und Brot handel reicht bis in die Gründungszeit hinauf." Die Aussetzung Löbaus wie anderer Oberlausitzer Städte auf königlichem Grund und Boden steht im Zusammenhang auch mit der vorhergehenden Anlage deutscher Dörfer auf Königsboden oder auf geistlichem Grundbesitz Ende des 12. und Anfang des 13. Jahrhunderts, ebenso wie in diesen Jahrzehnten viele wendische Dörfer nach deutscher Anlage umgestaltet und mit deutschem Rechte begabt wurden. Diese gewaltigen Kolonisationsvorgänge, durch die unsere Heimat erst der deutschen Herrschaft und Kultur völlig er schlossen wurde, sind als eine naturnotwendige und zweck mäßige Ausbreitung neuer Wirtschafts- und Rechtsformen aufzufassen. Daß gerade unsere Lausitzer Städte von Natur gegebene wirtschaftliche Knotenpunkte des dichten Siede- lungsnetzes in der Oberlausitz von vornherein gew -sen sind, zeigt ihre schnelle Entwicklung, die sie schon im 14. Jahr hundert, 1346, zu einem achtenswerten Städtebunde sich zusammenschließen ließ. Löbau selbst ist ja immer eine bescheidene Kleinstadt geblieben, hat aber, begünstigt durch seine Lage, trotz seiner geringen Einwohnerziffer doch stets, besonders im 19. Jahr hundert, seit es Knotenpunkt mehrerer Bahnlinien ge worden ist, eine gute bürgerliche Kultur entwickelt und zeigt auch heute eine geistige Regsamkeit, die schon manchen Fremden zu einer Höherschätzung der Bewohnerziffer ge langen ließ. Ein wesentlicher Grund für das Gedeihen der Stadt und das Wohlbefinden seiner Bürger ist nicht zuletzt eine kluge städtische Bodenpolitik gewesen. Beredtes Zeug nis davon legt die gediegene Arbeit des jetzigen Stadt- verordnetenoorstehers, des Studienrats Staudinger, in der „Festschrift" ab: „Zur Geschichte des Löbauer Gemeinde- grundeigeutums." Bei einer Volksziffer von 11261 (1910) hatte es 1915 (und heute ebensoviel, wenn nicht etwas mehr) 1412 Ku Gemeindegrundbcsitz, also auf den Einwohner 1212 qm (Durchschnittsziffer von 1912 bereits), darunter 1182 Ku Wald. Was besonders ein so reicher Forstbesitz für eine Stadt in den letzten schwierigsten Wirtschaftsjahren bedeutete, wird sich jeder selber sagen. Neben den Über schüssen einer blühenden Sparkasse sind es besonders die reichen Erträgnisse des großen Waldbesitzes gewesen, die Löbau vor so großen Schuldenlasten bewahrten, mit denen andere sächsische Stadtgemeinden zu ringen haben. Möge unsere gemütliche und so lieblich gelegene alte Sechsstadt zu Füßen des sagenumsponnenen Berges allzeit ein ge sundes deutsches Bürgertum und eine fleißige Arbeiterschaft in sich aufblühen sehen!