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Man erinnere sich des Sprichwortes: Hundeführen bis Bautzen! — Auch Asylschutz wurde gewährt. Ein Verbrecher, der sich 950 unter die Fahne (mit dem Abbild der Gottheit) flüchtete, galt als unverletzlich. Aber auch die herzoglichen Pfalzen in Pommern, die stupas, sind solche Asyle noch um 1120. — Uber die Strafen aber will ich schweigen, es könnte dem Leser schlimm werden dabei, jedenfalls ist Kreuzigen noch eine gelinde Strafe (Wela- taben 1000). 6 Das anziehendste, wenn auch heute noch dunkelste Kapitel in der Kultur der Nordslaven ist die Religion und der Aber glaube. Keine andere Seite des alten Heidentums ragt so stark in die Gebräuche der Gegenwart hinein wie diese. Und gerade in der Oberlausitz haben sich solche Formen erhalten, die auf eine vielhundertjährige Geschichte zurückblicken können. Ich erinnere nur an das Osterreiten und Eierschieben! Ihre Erhaltung ver danken diese Gebräuche dem Starrsinn der Bevölkerung, die auch in den Zeiten des Christentums nicht davon ließ. Ja, die christliche Kirche mußte nachgeben und hat viele von ihnen um gewandelt, sie hat ihnen einen heiligen Sinn untergeschoben oder ein christliches Mäntelchen umgehangen. Hierzu möchte ich aber ein Beispiel aus dem Jahre 001 mitteilen. Der Papst Gregor der Große schreibt da an den Abt Mellitus, der nach England zum Bischof Augustin reisen will, folgendes: „ Man soll nämlich bei jenem Volke die Götzentempel keineswegs zerstören, sondern nur die in ihnen befindlichen Götzenbilder vernichten. Man nehme geweihtes Wasser, besprenge die Götzentempel damit, erbaue Altäre und hinterlege Reliquien in denselben. Da nämlich diese Tempel gut gebaut sind, so mutz man sie aus Opferstätten der bösen Geister in Orte des wahren Gottesdienstes um wandeln Und weil man dort viele Ochsen den bösen Geistern zu schlachten pflegte, so muß auch dieser Brauch in irgend eine Festlichkeit umgewandelt werden. Am Tage der Kirchweihe oder am Feste der heiligen Märtyrer, deren Reliquien sich am betreffenden Orte befinden, sollen sie um die in Kirchen um gewandelten Götzentempel herum Hütten aus Baumzweigen aufschlagen und in denselben mit frommen Gastmählern (!) ein Fest feiern." In Deutschland hat sich die Bekehrung der Slaven ähnlich abgespielt. Dafür zeugen neben vielen schriftlichen Stellen solche Gebräuche wie die obigen, allgemein bekannlen. — Nun gibts aber in der Oberlausitz die wunderschöne Sage vom schwarzen und weißen Gott der Wenden und Christen aus dem Lzorneboh und Bieleboh. Es ist aus der Literatur einwandfrei nachweisbar, daß diese Sage ein Produkt der — Geschichtsforschung ist. Sie wurde um 1820 aufgebracht, in keiner der vorher geschriebenen Abhandlungen, wie z. B. Michael Frentzel, ciissertationes tres cle iäolis Llavorum 1691, ist eine Spur davon vorhanden, ob gleich Frentzel Pfarrer in Großpostwitz war und die Sage hätte kennen müssen. Jedoch der Czorneboh selbst als slaoische Kult stätte wird dadurch seines berechtigten Sagenkranzes nicht beraubt. Sehen wir nun zu, was uns die Alten über das Heidentum unserer Vorfahren überliefert haben: Um 545 heißt es von den Anten und Sclavenen, daß bei ihnen der blitzschleudernde Golt Herr über alles sei. Diese Verkörperung einer für den primitiven Menschen unfaßbaren Naturgewalt finden wir auf der ganzen Erde verbreitet. Das Übernatürliche des Gewitters liegt ja nahe, noch im Mittelalter und der Neuzeit gibt es Wettersegen usw., deren letzten Ausläufer die Gewitter gebete in den Gesangbüchern sind. Um 1156 wird uns bei allen Stämmen zwischen Niederelbe und Niederoder sowie auf Rügen der Gott Zuantevit als der vornehmste genannt. Aber über ihm steht bei diesen Heiden doch noch ein größerer, wohl unsichtbar gedachter: „Bei aller Mannigfaltigkeit derjenigen Götter aber, denen sie Fluren und Wälder, Leiden und Freuden zuschreiben, leugnen sie doch nicht, daß ein Gott im Himmel über die übrigen herrsche. Dieser vor allen gewaltige aber, sagen sie, sorge nur für die himmlischen Angelegenheiten, die andern aber gehorchen ihm, indem sie die ihnen von ihm übertragene» Ämter verwalten. Sie seien aus seinem Blute entsprossen, und jeder Gott stehe um so höher, je näher er diesem Gotte der Götter stehe." Aus der Mannigfaltigkeit der Götternamen möchte ich einige heroorheben: 1. In heiligen Hainen wurden ohne Götzenbildern verehrt: a) Prove in Aldenburg a. d. Ostsee 1150, b) Prove bei Lübeck 1156, c) Gutdrak in Lübeck zwischen 1160 und 1190. An seine Stelle setzte der Bischof Berno von Zwerin (Schwerin) die Verehrung des heil. Bischofs Godehard (um den Slaven durch die Namensähnlichkeit in ihrem Glauben ein bißchen entgegenzukommen!) ci) Ein heiliger Hain bestand 1008 bei Magdeburg, er hieß Zutibure, e) Auch auf dem Zobten in Schlesien war eine natürliche Kultstätte. 2. Standbilder wurden in Götterhäusern verehrt: a) Gervort in Hologosta (Ort in Pommern) 1127, b) Triglav in Stettin 1121, c) Radigast und Zuarasici in Rethra (unbekannter Ort in Mecklenburg) 1005 und 1131, ct) Zuantevit auf Rügen 900 (Sanctus Vitus, der heil. Veit, siehe oben 1, o.) e) Podaga zu Plön 1155. Neben diesen aber werden noch viele Quell-, Stein- und Baumgeister verehrt. Auch Hausgötter besaß man in reichem Maße und Wandergötzen, die durchs Land getragen wurden. Wie sah aber nun solch ein Kultplatz aus? Auch darüber geben die Schriftsteller Auskunft. Zunächst ist uns die Schilde rung eines Proveheiligtums erhalten: In einem Walde, der ganz vereinzelt in einer sonst waldlosen Gegend grünte, war eine Stelle, auf der uralte Eichen standen, durch einen Zaun eingehegt. Durch diesen führten zwei Türen ins Innere, deren Pfosten mit figürlichem Schnitzwerk geziert waren. Der umschlossene Hofraum (atrium) war das Heiligtum, dessen Betreten verboten war (vergl. unten bei tabu!). Die Götterhäuser aber waren weit reicher geschmückt, es sind Gebäude aus Holz mit einem Giebeldach, Continen genannt. In der „Stadt" Stettin gab es deren vier. Die Hauptcontine war „wunderbar schmuck- und kunstreich gebaut, hatte innen und außen Skulpturen, aus den Wänden ragten Bilder von Menschen, Vögeln und Tieren hervor. Diese waren so naturgetreu in ihrer Haltung darqestellt, daß man glaubte, sie atmeten und lebten." Außerdem waren die Bilder mit wetterfesten Farben bemalt. — In dieses Gebäude brachten sie die im Kriege eroberten Schätze und Waffen der Feinde. Genau so wurden auch auf Rügen die Zehnten der Beute und des Handelsertrages an den Tempel- schätz abgeführt. Vergoldete Stierhörner, die mit Edelsteinen ein- gelegt waren, goldene und silberne Wahrsage- und Trinkkrüge, Hörner zum Blasen und viel anderes kostbares Gerät war da zu sehen. In dieser Hauptcontine war nun das Holzstandbild des dreiköpfigen Triglav aufgestellt. In der nächst großen Con tine aber wurde ein Wahrsagepferd gehalten, während die beiden andern als Klubhäuser dienten. In ihnen liefen ringsherum Bänke und Tische; zu gewissen Tagen und Stunden kämen die Pommeranen Stettins dort zusammen, um ernste und wichtig« Angelegenheiten zu beraten, aber auch um zu trinken und zu spielen. — So wars bei den Stämmen, die sich ungestört von dem politischen Getriebe Westeuropas hatten in Ruhe entwickeln können. Für die Oberlausitz traf das nicht zu, hier haben wohl nach 1000 die Polenkämpfe alles zerstört, die Oberlausitz war ein ewiges Streitobjekt viele Jahrhunderte lang; noch heute ist sie geteilt, ein für ihre Entwickelung unglücklicher Zustand. Warum aber haben wir heute nicht den geringsten Überrest jener slavischen Kultur in Pommern und auf Rügen? Weil die christlichen Missionare nicht so handelten, wie es Gregor der Große 500 Jahre vor ihnen für England angeordnet hatte. Befangen in den Vorurteilen ihrer Zeit, zerschlugen sie die Bau lichkeiten und Bildwerke und verbrannten alles auf einem großen Scheiterhaufen. Die Verwüstung war so gründlich, daß es heute gänzlich unbekannt ist, daß sie bereits eine Schrift ge habt haben. Wie diese freilich ausgesehen haben mag und ob sie mit der sogenannten glagolitischen Schrift identisch war, ver mögen wir heute mangels jeden Denkmals nicht zu sagen. —