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Ich danke für diese Ehre, wenn noch dazu das Wegräumen der Scherben Aufgabe des Brautpaares ist, wie das der Volksbrauch fordert. Die Nachbarsleute harren in der Frühe des nächsten Morgens an Fenster und Türen, um lächelnd dem schon tätigen Brautpaare zuzuschauen. Manchmal sehen sie auch nur den Braut vater mit den Scherben fortfahren, wenn das Brautpaar ungläu- bisch ist. Daß die Wahl des Tages nicht so einfach ist, hast du auch schon bewiesen, ich will bloß noch anführen: Ein Mittwoch oder Sonnabend darf es nicht sein, weil das kein Tag ist. So lautet die Begründung: die anderen Wochentage haben im Namen das Wort Tag (Montag usw.). Hochzeitstag. In verschlossenem Stübchen wird die Braut an geputzt, niemand als die dazu bestellten Frauen dürfen zugegen sein. Der Bräutigam darf die Braut nicht eher sehen, bis sie nicht von der Sohle bis zum Kranze fertig ist. Er treibt sich in dem allgemeinen Ankleiderummel hin und her und wird von mancher verschlossenen Tür weggescheucht. Neben einem vielleicht geladenen Freunde fügt er seine längst bekannte Uniform zusammen. Ehe die Braut sreigelassen wird, bekommt sie noch strenge Anweisung, sich ja „nichts am Schleier machen zu lassen." „Nicht zupfen, nicht verrücken lassen, denn das ist nicht gut, das darf nicht sein," wird kurz von den wissenden Frauen erklärt. — Bei dem Gange zur Kirche darf sich die Braut nicht umdrehen, denn man würde daraus schließen, daß sich die junge Frau später gern nach anderen „umgucke". Vom Bräutigam wird nichts gesagt. Den „geheimen Wettlauf" nach der Kirche, so nennst du ihn, und das Vorschieben des Fußes beim Altar will ich als beschei dene Andeutung der Herrscherrolle gellen lassen, aber es soll auch vorkommen, daß die Braut versucht, beim Einsteigen in die Kutsche dem Bräutigam auf den Schuh zu treten. Noch wirk samer muß es sein, wenn es beim Gang zum Altar geschieht, wie es auch der Braut geraten wird. Wenn es so deutlich wird, heißt es für den Bräutigam auspassen. Wie du schon schriebst, hat man cs nicht gern, als zweites Paar in der Kirche getraut zu werden. Es kommt aber in der Praxis vor. Dann dürfen sich aber zum mindesten die Paare nicht begegnen; das würde auf das künftigeZusammsnleben für beide Ehepaare von nachteiliger Einwirkung sein. Wir kamen als zweites Paar aus der Kirche. Ein drittes Brautpaar war schon ein Stück auf dem Wege zur Kirche heraufgekommen. Erschrocken machte dasselbe einen weiten Bogen, nns nicht zu begegnen, und ging hierbei durch einenTeil der bei der Kirche befindlichen alten Gräber. Von den Leuten ist das aber wieder sehr getadelt worden, durch die Gräber zu gehen, denn das soll erst recht nicht gut sein. Geschehen im September 1920. Man erkennt daraus, daß es einem Brautpaar oft bei dem besten Willen nicht möglich wird, das in tausenderlei Gestalt seiner harrende Unheil zu bannen. Einen sonderlichen Brauch hörte ich kürzlich von Seif hennersdorf erzählen; vor zwanzig Jahren ist er dort beob achtet worden, wie lange er sich erhalten hat, konnte ich nicht er fahren. In den neuen Betten verpackt f: hren dort die Paten zu dem neu zu gründenden Heim. Nur die Köpfe der „Salzmesten", so wurden die Paten genannt, guckten aus dem Bettenwulst heraus. „Die Salzmesten fahren die Betten," hieß es im Dorfe. Auch jetzt erregt es noch Aufsehen, wenn die Braut die Betten zur neuen Wohnung bringt. Frauen sind noch gewillt, bei dieser Gelegenheit zu verschnüren. Das Verschnüren ist natürlich auch in Seifhennersdorf vor den Salzmesten vorgenommen worden. Wenn in Eibau die Möbel zur neuen Wohnung gefahren wurden, geschah es auch, daß vor dem „Grölle" oder „Gerille" eine Leine über die Straße gespannt wurde. - Von Ebersbach, Friedersdorf.Spremberg kenne ich persönlich das Verschnüren als Aufgabe der Schuljugend vor der Brautkutsche oder dem Brautzuge. Ein Bindfaden, ein Strick wurden solange über die Straße gespannt, bis-sich Brautpaar und Hochzeitsgäste losgekauft hatten. In Mil strich bei Kamenz hielten (1919) die Burschen des Dorfes eine Stange, an der allerlei Wirtschaftsgegenstände be festigt waren, Sägen, Beile, Töpfe usw., vor den ankommenden Hochzeitskutschen über die Straße, an anderer Stelle im Ort die Jungfrauen eine Girlande, bis sich das Brautpaar und die Gäste freigekauft halten. Der ehrbaren Jungfrau baut die Jugend dort eine Ehrenpforte vor das Haus; einer anderen widerfährt diese Ehrung nicht. Abends ist in Milstrich die Jugend auf dem Tanzsaal versam melt und erwartet das Brautpaar mit den Gästen zum Tanz. Auf einer Seite des niedrigen Saales stehen die Jungfrauen, gegen über die jungen Burschen des Dorfes und halten brennende Kerzen in den Händen. Dahinter stehen alle abkömmlichen Frauen, so gar die ältesten Weiblein des Dorfes. Das Brautpaar hat nun die Pflicht, alle ortsüblichen Tänze allein hintereinander vorzu führen. Haben dann die Hochzeitsgäste einmal getanzt, verlöschen die Kerzen und die Jugend des Dorfes tanzt mit. Dieses zeigt, wie vielgestaltig die Hochzeitsgebräuche sind und wie jede Gegend unserer Lausitz andere zu erzählen weiß. Bon der Hochzeitsfeier im Hause wäre ebenfalls verschiedenes zu erzählen, und interessant müßte auch eine Zusammenstellung des Schabernacks sein, den man öfters in der festlichen Nacht dem jungen Paare spielt. Am ersten Tage kocht die neubackene Frau etwas, was quillt", etwa Reis, Grieß, Hirse oder Nudeln. Das hat dieselbe Wirkung wie der zunehmende Mond, in welchem die Hochzeit stattfand. Dann räumt die junge Ehefrau Kranz und Schleier aus und legt ein Stück Hochzeitskuchen dazu, denn der schimmelt nicht. Lieber Fritz! Wenn wir die bekannt gewordenen Hochzeitsgebräuche ordnen wollten, etwa nach Braut und Bräutigam, so würden für letzterer? herzlich wenig übrig bleiben. Fast alle weben sich um die Jung frau Braut. Sie tragen Sorge, daß es ihr gut geht, daß s i e zu Gelds kommt, daß sie dis Oberhoheit des neuen Hausstandes wird. Es wird darum kein Trugschluß sein, wenn man behauptet, alle diese Gebräuche sind von dein weiblichen Geschlecht ersonnen worden, und dieses dürfte im allgemeinen auch für die meisten anderen Volksgebräuche anzunehmen sein. Es müßte für einen dazu Berufenen ganz interessant sein, zu untersuchen, wie weit das weibliche Geschlecht an der Entstehung von Volksgebräuchen beteiligt sein könnte. Der Bräutigam spielt zur Hochzeit,"überhaupt während der ganzen Zeit des festlichen Aufzuges, eine mehr als bescheidene Rolle und muß sich oft als Statist des Lustspiels einmal vor die, ein andermal vor jene Kulisse stellen lassen. Man wird auch selten einen Bräutigam finden, der nicht stöh nend die Zeit herbeisehnt, wo er in seiner Klause allein mit seinem Weibchen in Liebe und Frieden leben kann. Wer von der Män nerwelt anderer Meinung wäre, der ist kein Lausitzer Mann. Man nimmt cs auch dem Bräutigam nicht übel, am allerwenig sten die ihm herzlich zugetane Braut, daß er in den letzten Tagen, kurz vor der Aufführung mit seinen Freunden noch einmal richtig „das Iunggesellenfell versäuft (!?) und daß er singt: „O alte Burschenherrlichkeit, Wie bald bist du entschwunden!" In diesem Sinne grüßt Dich, auch mit dem Liede Deiner gedenkend, Dein Carle. Nachschrift: Das Thema: „Oberlausitzer Hochzeitsgebräuche" ist mit den beiden in dieser Zeitung erschienenen Aufsätzen sicher lange noch nicht erschöpft, und es wäre wünschenswert, wenn auch aus anderen Gegenden unserer Lausitzer Heimat Entsprechendes erzählt würde. Martin Ebert, Eibau. nächster Nummer der Oberlausitzer Heimatzeitung L beginnen wir mit dem Abdruck des Romans „Am " Birk 1 eich" von Richard Blasius. Der Ver- fasser hat hierbei tief in das Lausitzer Volksleben gegriffen und ein fesselndes Stück heimatlichen Volkstums gezeichnet.