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116 Gborlauflher Heimatzsltung Nr.s tt. Kapitel. Der Lenz hatte einen taufrischen Sonntagmorgcn voll saftstrotzender Knospen und Hellen Lerchenjubel gebracht. Da war schon frühzeitig ganz außergewöhnlich reges Leben im Dorfe. Männer und Frauen rannten hastig von Haus zu Haus, wisperten, tuschelten und zischelten mit gar geheimnisvoller Wichtigkeit. Aber eine Stunde später schien die Straße wie ausgekehrt. Die Glocken läuteten. Ihre erznen Grüße schwammen majestätisch durch die Lust, trafen aber nur ein altes Weib lein im Kirchstaate unterwegs, die Malmert-Hanne. Weil es ihr an Atem fehlte, mußte sie schon zeitig auf den Beinen sein, um von ihrem abgelegenen Häuschen her nicht zu spät zu kommen. Allmählich, wie sie so Schritt sür Schritt weiter ging, kam ihr ein Wundern in den Sinn, weshalb wohl noch immer keine Kirchgänger zu sehen seien. Bei der Obermüllern blieb sie stehen, als diese mit einem Aufwaschfaß vom Bach kam. »Giehst heut ne e de Körch?" fragte sie verwundert. „Ne, mir Ham den Ufen ausräumen müssen, do giehts itz ans Reinmachen," war die Antwort, die erst geraume Zeit auf sich warten ließ, dann aber hastete, sich überstürzte. Und eilig verschwand die Müllerin hinter der Haustür. Die Alte wunderte sich über die kurz angebundene Art, humpelte weiter, um nach einigen Minuten bei der Schneider Franzin stehen zu bleiben, die im Alltagskleids die Straße heraufkam und eine Herde Gänse vor sich hertrieb. „Giehst du oh ne etd Körch?" fragte die Hanne abermals. „Nee," war alles, was sie zu hören bekam, dann rannte die Gänsetreiberin an ihr vorbei. „Eine böse Welt," dachte die Alte, „früher waren ock halb su vill Leute en Dorfe, aber de Körch rechte kaum zu. Und itz? Gar den Körchhof wollen sie abschaffen, verbrennen tun sie die Tuten wie a Stück Holz." Ähnliches erlebte der alte Bandweber Riemert, wie er sein frischrasierles Gesicht die Dorfstraße hinaufführte. Die langen Enden seines Schoßrockes flatterten lustig um den hageren Leib, während die engen Hosen den Knieen kaum die nötige Bewegung gestatteten. Soeben guckte er beim Kammstricker Nitsche ins Fenster. „Gu Morgen, giehn mer ne ed Körch?" „Hem, hem, hem," machte der Angeredete. „Ich meen, ob du mit e de Körch giehst?" „Hem, hem, hem." „Hierst orndltch alle Tage schlaichter.Ob du e de Körch giehst oder nich." Riemert brüllte aus voller Lunge. „Ach su, nee nee, hierst ja, wie ich huste." So stolzierte denn der lange Bandmacher weiter, bis er vor dem Häustein des Börner-Hansl stand. Von dessen Frau erfuhr er endlich den wahren Sachoerhalt. Den alten Riemert überrann ein zorniger Schauder. „Dummes Luderpack," schrie er, lief in die Stube und schüttelte den kleinen, dicken Börner, daß dem Hören und Sehen verging. „Zieh dich a, Hansl!" Der bekam weiter nichts heraus als ein halb verlegenes, halb erschrockenes: „Nu je, nu je, nu je." Dabei wurde er aber auch schon die Treppe hinausgedrängt, und der energische Ruf: „In zehn Minuten bist fertig, sonst hul ich dich," be wirkte auch, daß beide kurze Zeit darauf der Kirche zuschrei ten konnten. Der Lange guckte sich grimmig nach allen Seiten um und wetterte leise über die Bauernschädel. Der Kleine aber trippelte ängstlich nebenher und sah verlegen zu Boden. Auf dem Kirchhofe, wo sonst die Frauen bis zum letzten Läuten zwischen den Gräbern wandelten, war alles leer. Sie stiegen die erste knarrende Treppe hinauf zur Empore. Da saßen ein paar arme Weber hier und da, die in sein Lager zu locken, der Bauernstolz nicht für nötig gehalten hatte. Im Schiff unten sah es genau so aus: ein paar alte Frauen, sonst niemand. Felix Schirmer begann sein Orgeloorspiel. Grollend dröhnten die vollen Akkorde durch den Raum. Meist volles Werk, und es war ihm noch nicht laut genug heute, denn ihm war schon der Verdacht gekommen, der Autaler Kirch- gängerstreik möge wohl ihm gelten. In der Sakristei stand der Pastor, den Kopf voll Stau nens, das Herz aber voll unpriesterlichen Zornes, obwohl auch er den Grund zu dieser gähnenden Leere nur von weitem ahnte. Doch er nahm sich vor, seiner l'eben Herde das Ver gnügen einer Kanzelstrafpredigt nicht zu gewähren. Alles nahm seinen gewohnten Verlauf. Klang auch der Gemeinde gesang recht dünn, so legte sich dafür der Organist ins Zeug, daß die Bälgetreter hinten ächzten und stöhnten. Beim alten Hannlieb, der neben seinem Kramladen noch eine Barbicrstube offenhielt, war heute ein ewiges Kommen und Gehen. Wars auch nur seine Wohnstube, die außerdem noch als Küche dienen mußte, im kalten Winter wohl gar noch als Kammer, was tat es, wenn nur ein Rasiermesser da war. Gar das Schaumbecken war überflüssig, wo ja ein zerbrochener Suppenteller denselben Dienst verrichtete. Wunderbar, wie proper die Autaler Bauern heute alle ausschen wollten! Das ging wie in einem Taubenschlage. Manche rannten ihm heute die Türe ein, die er gestern erst geschabt hatte. H ilb zehn wars, da kam der Schnadlbauer. Hannlieb saß eben beim Kaffeetrinken. Und sonderbar, der Bauer hatte cs garnicht so eilig mit dem Rasieren wie sonst. Er setzte sich ans Fenster und schaute unverwandt nach der Kirche hinüber. Schließlich ritz er das Fenster sogar auf und horchte, was Hannlieben zu einem ängstlichen Blick nach seiner Frau hinüber veranlaßte, die der verbreiteten Ansicht anhing, Fenster seien zwar zum Hinaussehen do, aber bei leibe nicht zum Offnen. Aber sie blieb stumm und horchte sogar selbst hinüber. Der Bauer schüttelte den Kops und drehte die Daumen umeinander. „Wunnerbor." „Wos d'n?" „A prädgt wörklich." (Fortsetzung folgt.) Aus dem Gachsenlande Sohland, Spree. Einen großen Fortschritt in der touristischen Aufschließung unserer Gegend brachte eine am Karfrei tag abgehaltene Vertretersitzung der Gebirgsvereins-Ortsgruppen Neustadt, Hoinspach und Sohland. Es wurde beschlossen, die Ver bindungswege zwischen Sohland und der Sächsischen Schweiz in das als mustergültig anerkannte Wegemarkierungsnetz des Ge- birgsvcreins für die Sächsische Schweiz aufzunehmcn, so daß jeder Wanderer auf den nächsten und schönsten Wegen von hier nach der Sächsischen Schweiz gelangen kann und umgekehrt, die für Touristen außerordentlich wichtige, bisher sehr fehlende Verbindung zwischen Lausitz und Sächsischer Schweiz ist damit geschaffen. Die Vorarbeiten sind im Gange, Milte April dürste die Markierung beendet sein. Vorläufig sind drei Wege vorgesehen, davon ist der eine: Friedrich. August-Turm—Hainspoch—Tanzplan, bereits fertig markiert (gelber Strich auf weißem Felde), die beiden anderen sind beschlossen, und zwar: Bahnhof Sohland —Friedrich-August-Turm —tzainspach — Wölmsdorf—Sebnitz (grünes Dreieck im weißen Felde), diese Markie rung führt dann weiter durch die schönsten Punkte der Sächsischen Schweiz nach dem Großen Winlerberg: ferner: Friedrich-August» Turm — Sohland — Groß-Schönau — Nixdors — Schweizerkrone (roter Stria, im weißen Felde), von da anschließend nach dem alten Naubschloß Arnstein.