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Gberlauflher Heimaizeltung Sigismund auf dem Konzil zu Konstanz widerfuhr. In Prag war der eigentliche Brandherd der hussitischen Bewegung, geschürt durch fanatisch erregte Volks- und Predigermönche, wozu die äußeren und inneren Verhältnisse einen geeigneten Nährboden abgaben. Im Reiche Zerklüftungen und verworrene Zustände; in Böhmen und speziell Prag nicht nur Gegensätze zwischen der deutschen und tschechischen Nation, sondern auch zwischen katho lischen und hussitisch-reformatorischen Anschauungen, also kon fessionelle und Rassegegensätze. Hinzukam noch eine einfachere Stellung des Nachfolgers des Königs Wenzel, Sigismund, der beim Thronwechsel die Anerkennung der hussitischen Böhmen nicht fand, wohl aber, wie für den Verlaus der kommenden Jahre von trauriger Tragweite sich erwies, der oberlausitzischen Sechs städte. Und wie sie der politischen Macht trotzten, so trotzten sie auch dem geistlichen Oberhaupte, dem Papste. Trotz Bannstrahl und Interdikt war Huß nicht zu bewegen, die Wicliffschen Lehren zu widerrufen. Derjenige, der den Brand immer wieder von neuem anschürte, war Ioh. Ziska, „ein Mensch," wie es heißt, „ohne Furcht, ohne Bildung, ohne Erbarmen". Nach dem Orte ihrer Versammlungen, dem Tabor, einer Hochebene über der Luschwitz, nannten sich die Verhetzten Taboriten. Als die Siedehitze in den Gemütern erreicht war, brach der Sturm los. Mit den unglaub lichsten Gegenständen bewaffnet, eisenbeschlagenen Dreschflegeln, Piken und Speeren, zog der zügellose Hausen vor das Rathaus, drang in das Sitzungszimmer ein und stürzte kurzer Hand die Ratsherren zum Fenster hinaus in die Piken der unter den Fenstern lauernden Massen. Daraus wandte man sich gegen die Kirchen und ihre Diener, verwüstete und zerstörte«lles, was ihnen unter die Hände kam, in blinder Wut und tötete, mordete zu Tode Priester und Mönche. Nonnen aber schändete und quälte man und verjagte sie aus den sie schützenden Klostermauern. Das war der Auftakt eines 16jährigen ununterbrochenen Wütens und Wüstens. Aus den anfangs regellosen Bauernhausen aber schuf Ziska nach und nach ein unbezwingliches Fußvolk, das vier spännige Rüstwagen mit sich führte, die bei Lager, Kampf und Nacht zu Wagenburgen ineinandergeschoben und zusammen geschloffen wurden. Endlich Juli 1420 geht ein mächtiges Kreuzheer konzentrisch gegen Prag vor, das belagert wird. Als aber die hussitischen Horden siegreich vorgehen, verlieren die Kreuztruppen sofort den Mut, sodaß sie entlassen werden müssen, doch ereilt auch ein zweites Heer dasselbe Geschick. Sigismund kann sich zwar auf dem Hradschin mit der böhmischen Krone krönen lassen, aber sofort danach ist er genötigt, zu fliehen und auch das Land zu verlassen. Jeglicher Gehorsam wird ihm von hussitischer Seite gekündigt, sodaß eine provisorische Regierung eingesetzt werden muß. Nun griff die Bewegung wie ein Brand um sich und erfaßte ganz Böhmen, sodaß die Sechsstädte dauernd in Sorge waren, die Ketzer möchten in die Lausitz einsallen. Die sämtlichen Städte am Südabhange des Erzgebirges von Komotau bis Leitmeritz sielen nach und nach in ketzerische Hände, doch war dem mit Sigismund verbündeten wettinischen Markgrafen Friedrich dem Streitbaren (1381—1423), bez. Wilhelm (1379—1407) das Waffenglllck hold, indem er Brüx und den Leitmeritzer Kreis säuberte; das Reichsheer dagegen erlitt bei Deutschbrod abermals eine empfindliche Niederlage. Für seinen erfolgreichen Beistand verpfändete Sigismund dem Markgrafen damals nicht nur das ganze böhmische Vogtland, sondern übertrug ihm auch die säch sische Kur, die er nunmehr noch von 1422 bis 1428 verwaltete. Inzwischen jedoch brandeten schon bis Nordböhmen und gegen die schlesische Grenze die Wogen des Ausstandes. Trotzdem herrschten auch innerhalb der Lausitz noch grimmige Fehden, wozu noch Mißhelligkeiten mit dem Landoogt kamen. Eine besonders heftige Fehde bestand 1425 zwischen Görlitz und Gotische Schaff, deren Umfang daraus zu ermessen ist, daß auf einem Tage in Löwenberg die bedeutendsten Machthaber zwischen der Pulsnitz und den Strichen südlich von Breslau bis an das Gebirge zur Beilegung des Streites versammelt waren. Wahrscheinlich war bei dieser Gelegenheit Nikolaus v. Ponikau auf Pulsnitz zugegen. Er wird von Iecht mit Heinrich v. Uechtritz genannt, die sich für den tüchtigen kampferprobten Hans v. Potenz als Landvogt beim Hr.s Kaiser, der zurzeit in der Bulgarei weilte, verbürgten. Auch an den Kämpfen um den Tollenstein bei Zittau nahm er hervorragend teil, geriet sogar dabei leider in hussitische Gefangenschaft. An einzelnen Stellen spritzten die Wogen des Krieges nun schon über die Grenzen. Namentlich als die ketzerischen Horden in Nord ostböhmen Fuß gefaßt hatten, war die Gefahr für die Lausitz immer größer und die daselbst befindlichen Raubnester waren zuerst die Stätten des Kampfes, Zumal als die Zittauer der bedrängten Stadt Böhmisch-Leipa Hilfe entsandt hatten, das durch eine große — Leipaer — Straße mit Zittau verbunden war, während die Herren v. Leipa auf dem Oybin saßen, führten die Hussiten ihren Gegenstoß 1424 gegen die Zittauer Feste Karlstein, die nun ab wechselnd in Zittauer und in hussitischen Besitz kam. Ziska war mit seinen mordenden und brennenden Horden in Ungarn und Mähren gewesen und hielt nun sein „blutigstes Jahr" in Böh men ; im Herbst dieses Jahres fiel er der ausgebrochenen Pest zum Opfer. Die Hussiten spalteten sich nun in zwei Teile, deren einen, die Taboriten, Prokop führte. Jeder Teil bildete ein stehendes Feldheer, welches durch städtische Aufgebote ergänzt wurde. Nach außen und gegen größere Unternehmungen aber waren sie einig und geschlossen. So rückte 1426 gegen Aussig, das in Hussiten-Hand war, abermals ein gewaltiges Reichsheer von 20000 Mann. Am 16. Juni entbrannte ein entsetzlicher Kampf, der mit einer furchtbaren Niederlage endete. 12000 Deutsche sollen geblieben sein, aber auch die Flucht war zügellos. Kleider, Waffen, Habe, kurz alles wurde im Stich gelassen vor den Dreschflegeln und Sensenspeeren der fanatisierten Hussiten. Dieser blutige Tag entschied den Untergang des deutschen Bürger tums in Nordböhmen und gab den Hussiten den Anstoß, in alle Nachbarlande nunmehr verheerend einzufallen. Die bisherige Kampfweise war gegen das hussitische Fußvolk, das lediglich für Kampf und Sturm geschult war, machtlos. Nur feste Städte vermochten einigen Widerstand zu leisten, zumal ihnen gegenüber ja schon Feuerbüchsen und Schießpulver in An wendung kamen. In unserer Oberlausitz wird Schießpulver zuerst 1393 genannt. (Neues Laus. Mag. 1911, S. 46.) Aber kleinere, unbefestigte Städte und das platte Land verfielen samt und son ders einer grenzenlosen Verwüstung. In Anbetracht der furcht baren Gefahr erweiterten Sigismund, Friedrich der Streitbare, Herzog Albrecht und die Sechsstädte den bereits 1421 geschlossen nen Bund zu Dresden am 6.Juli auf weitere vier Jahre. Auch der Unterstützung des Bischofs von Stolpen vergewisserte man sich; die Schlesier schlossen sich an; selbst deutsche Ordensritter sammelten mit in den Mauern von Görlitz. Ihnen gegenüber zeigte übrigens Sigismund — milde gesagt — ein eigenartiges Verhalten, indem er, kaum daß er einen Bund zwischen Schle- siern, Ungarn und dem Orden gegen Polen und Littauen befoh len hatte, selbst im März 1423 eine Verbrüderung mit denlittaui- schen Iagellonen abschloß, zum höchsten Erstaunen des betrogenen und preisgegebenen Ordens. Tatsächlich erfolgte auch ein wüten der Sturm der Hussiten auf Zittau, wo sie sich zwar blutige Köpfe holten, dafür aber die ganze Umgegend vollständig verwüsteten und plünderten. Am 12.Mai aber zogen sie ab und zwar neiße- abwärts, um zum ersten Male Schlesien Heimzusuchen. Ostritz wurde ein Raub der Flammen, Hirschfelde, Kloster Marienthal, Seidenberg. Unter entsetzlichen Grausamkeiten fiel am 16. Mai schon Lauban, wo ein Priester von vier Pferden gevierteilt wurde. Tausend Männer wurden erschlagen, die Nonnen geschändet und totgeschlagen, nach völliger Plünderung die ganze Stadt ver- wüstet und den Flammen übergeben. Am 19.Mai mußten sie erst wieder nach Böhmen zurllckkehren, um die unermeßliche Beute zu berge». Auf dem in diesen Tagen tagenden Reichstag zu Frankfurt wurde endlich wieder, nachdem die Raubzüge schon so unendliches Unheil angerichtet hatten, ein Kreuzheer aufgeboten. Friedrich des Streitbaren Gemahlin — er selbst war abwesend — entsandte zu demselben zwanzigtausend Mann. Aber auch dieses Heer war unfähig dem ketzerischen Fanatismus gegenüber Am 3. und 4. August wurde es vor Mies und Tachau, in der Gegend zwischen Pilsen und Eger am Flüßchen Mies, aufs empfindlichste geschlagen. Die Oberlansitzer hatten an diesem Zuge nicht teil- genommen; auch die Deutschherren hielten sich während des