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Winter im Lausitzer Gebirge Von Professor Dr. Ernst Burmcster-Zittau Lausitzer Gebirge leuchtet jetzt an klaren Frosttagen WtzMH in voller Winterpracht und ladet alle Naturfreunde so recht zu Ruh, Erholung und Vergessen der Nöte unserer Zeit zum Verweilen ein. Darum sei mir gestattet, eine kurze Orientierung über die Schönheit unseres Ge birges im Hinblick auf die Landsckaftsbilder zu geben, die sich mir als Vorwurf von Künstleraufnahmen bei einer winterlichen Wanderung ausdrängten. Vom Bahnhof Oybin, als Ausgangspunkt unseres Winter ausfluges, bekommen wir nach wenigen Minuten auf der Lange straße am „Landhaus zu den zwei Tannen" den freiesten und malerischesten Blick über den in blendendem Weiß leuchtenden Berg Oybin und dastrautcKirchlein. Weiß gesprenkelterscheinen nicht nur die Tannen, die an ihm ausstreben, sondern auch die breiten Streifen der Felsabsätze, aus denen der Berg sich gürtel artig aufbaut; so bildet sich das Ganze für den Beschauerzu einem plastischen Relief aus, wie es der Sommer nicht bietet. Wir stei gen zu dem weitberühmten Berg auf und finden oben auf der Höhe, ein wenig links von der Kirchenruine hinaustretend, ein entzückendes Winterbild auf das Refektorium und den Haus grund in der Tiefe. Ein Gang über den ehrwürdigen Friedhof, auf dem nun alles Leben unter dem großen weißen Leichentuch der Erde ruht, weckt wehmütige Gedanken über die Vergänglichkeit alles Irdischen in uns. Der im Winter selten gemachte Aufstieg auf die höchste Kuppe, zu der besonders an sonnigem Vormittag zauberhaften, tiefverschneiten Waldallee bietet hohen Reiz. Wir steigen nun ins Waldtheater hinab, vielleicht noch in Erinnerung an manche prächtige sommerliche Darstellung, ans Rautendelein der „Versunkenen Glocke" u.a. und finden statt des sonst viel bewegten, bunten Sommerbildes ein ganz anderes wundersam einsames Winteridyll. Die wackeren Schauspieler sind längst von dannen gezogen; wir entraten ihrer heute, denn die Natur zaubert uns hier in weltabgeschiedener Einsamkeit selbst das schönste Wintermärchen vor.... Ist es doch, als sollte Rotkäppchen im nächsten Augenblicke aus dem Walde treten und aus den Fels schluchten der böse Wolf heroorbrechen. Wir wandern weiter zum „Landhaus Zücker" hinauf, blicken noch einmal auf die feine Silhouette der stolz ragenden Ruine und das stille Waldsanatorium, das mit seinen weißen Giebeln gar traulich aus dem Tannengrün hervorlugt, verwundern uns wohl über die mächtigen Schneehauben auf den Tor- und Garten säulen des Landhauses und lenken dann unsere Schritte dem Hayn zu. Kecke Buben rodeln auf der verbotenen Haynstraße an uns vorüber, denn verbotene Früchte schmecken gut; oder aber sie betrachten die Benutzung dieser unentgeltlichen Rodelbahn als ihr unveräußerliches Recht. Beim Forsthaus Hayn aus dem Waldes dom herausgetreten, zeigt sich uns der Winter erst in voller Pracht. Wie von Feenhänden hingezaubert, erscheint tief verschneit der ernste Hochwald über dem Forsthaus und beim „Ritter" entzücken uns die zierlichen schneebedeckten Fichtenbäumchen, während rechts, an der Abzweigung nach Jonsdorf, zwei starke Apfelbäume in ihrem reichen Winlerschmuck einen köstlichen Anblick gewähren. Ihre Zweige neigen sich bis zur Erde und starke Streben stützen die schweren Aste, daß die Überfülle der Früchte im Sommer und die Last des Schnees im Winter sie nicht breche. Und dahinter, wie im Dornröschenschlaf versunken, eines der wenigen noch er haltenen strohgedeckten und turmbewehrten Bauernhäuschen, das ich im Lichtbild immer als einen Idealtyp unserer Lausitzer Bau art bezeichnete und mir als „Ansicht für den Heimatschutz" dachte. Wir wandern auf der Rodelbahn zum Hochwald hinauf und genießen an klaren Wintervormittagen oben Bilder von kaum geahnter, leuchtender Winterpracht. Die Kronen der wenigen vom Sturm noch nicht gebrochenen starken Bäume auf der Höhe wer fen mächtige und doch duftige Schatten über den Rodelweg, dessen gleißendes Weiß uns schier blendet; während die dämpfenden Farben der Niedrigen Fjchtenwaldungen zu beiden Seiten des Weges und die dunkel erscheinende Baude im Hintergrund ein harmonisches Gefüge bilden. Wir sind am Ziel unserer Wanderung, bei der nur aus einige der schönsten Punkte unseres winterlichen Gebirges aufmerksam gemacht werden sollte. Was Wunder, wenn gleich uns zahlreiche licht- und luftentwöhnte Städter an solchen Wintersonnentagen in unsere herrlichen Berge eilen, um zu schwelgen im edelsten Naturgenuß, um Kraft zu sammeln für die Last und Mühe der Werktage, für den jetzt oft allzu schweren Kampf ums Dasein! Kein Staub, wie im Sommer, beeinträchtigt die Erholung und den Naturgenuß. Reine, köstliche Gebirgsluft atmen die Lungen, die noch kräftiger atmen wie im Sommer; denn der Aufstieg im Schnee erfordert erhöhte Anspannung der Muskelkräfte, die Wangen röten sich in der Winterkälte und die Augen leuchten froh, der gesamte Stoffwechsel steigert sich und dies alles in noch höherem Maße bei dem, der Sport treibt: Rodel- und Schnee schuhlauf. Eine Winterwanderung zur Lausche 1920 am Frühjahrs-Bußtage Bon Gerhard Steudc UMD§ndlich konnte ich, da am Bußtag Eisenbahnzüge ver« WMM kehrten, meinen schon lange gehegten Plan zur Aus- führung bringen, die Lausche wieder einmal zu besteigen. In Großschönau begann die Wanderung. Die Sonne schien hell und lud uns zur frohen Wanderfahrt ein. Jedoch unterwegs tauchte öfters die Frage auf: Sollen wir noch weitergehen? Sollen wir nicht lieber umkehren? Denn über dem ganzen Jonsdorfer Tale war ein dichter, undurchsichtiger, weißer Schleier ausgebreitet. Seine Ausläufer schickte der Nebel auch über den Buchberg ins Waltersdorfer Tal. Hier aber konnte sich dieser feine Dunst nicht fest zusammenballen, sondern er ver- flüchtete sich sofort wieder, sodaß das untere Tal in der Nähe der Kirche klar zu sehen war. Auch der Gipfel der Lausche blieb vom Nebel verschont. Das bestimmte uns — denn ich wanderte nicht allein — unsere Wanderung fortzusetzen. Jeder, der im Winter, wenn Schnee und Eis die Bergabhänge bedecken, nicht im warmen Stübchen hocken bleibt, sondern auch da hinaus ins Freie strebt, weiß, wie beschwerlich solch ein Auf stieg ist. Ich brauche darum nicht unfern Weg mit all seinen Mühsalen näher beschreiben. Nur eins will ich für die Kundigen verraten: die Lausche hatte noch nicht ihr Winterkleid abgelegt. Allen denen, die noch nicht dieses Wahrzeichen der südlichen Oberlausitz besucht haben, rufe ich zu: Kommt selbst und stattet der Lausche euren Besuch ab; denn ihr werdet einen solchen Gang nie bereuen! Unsere Mühe sollte nicht vergebens gewesen sein. Ein wunder bar schöner Anblick bot sich uns dar, als wir nun den Gipfel er klettert hatten. Eng schmiegte sich im Norden Waltersdorf an den Fuß des höchsten Lausitzer Berges an. Nicht fest zusammen geschlossen wie in den Städten, sondern meist einzeln in kleineren und größeren Abständen füllten die Häuser, von denen viele ein hohes Alter besitzen, wie die Jahreszahl in Stein gehauen über der Haustür ergab, das Tal bis nach Großschönau, das, von der Sonne bestrahlt, sich am Fuße des bewaldeten Hutberges aus breitete. Wie klein sah dieser, von unsrer Höhe herab erblickt, aus. Zwischen dem Hutberg und dem behäbig daliegenden Breiteberg grüßte, hell von der Sonne beschienen, Hainewalde zu uns herauf. Dahinter schaute, schon nicht mehr klar erkennbar, das lang gestreckte Oderwitz und das bogenförmig angelegte Herwigsdorf hervor. In Sachsen ruhte die Arbeit. Kein schwarzer Rauch quoll aus den vielen großen und kleinen Fabrikschloten heraus und beeinträchtigte das Landschaftsbild. Dagegen jenseits der rotweißen Grenzpfähle rauchten viele Essen. Sie lenkten unsere Blicke auf das stattliche Häusermeer von Warnsdorf. Doch es würde zu weit führen, wollte ich alle Orte und Berge aufführen, die wir im Norden der Lausche sahen. Ungleich schöner und eigenartiger wirkte der Anblick, den uns die Landschaft südlich des Berges bot. So weit das Auge sah, war das Land mit einer weißen, dichten Wolke bedeckt. Doch