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Gebiet schon betrat, Immer wieder habe ich Neues kennen gelernt, neue Anregungen mit heimgcbracht und neue Freuden genoffen. Möge das frohe Leben, das sich hier zusammengefunden hat, erhalten bleiben bis in die fernste Zukunft, daß sich auch unsre Enkel und Urenkel noch erfreuen können an der Mannigfaltigkeit der Entenarten, an dem Reichtum der Wasser- und Teichhühner, an dem Flug der Möwen, Kiebitze, Seeschwalben, Rotschenkel, an den Taucherkiinstcn dcrSteißfüße, an dem nimmermüden Lied der Teich- und Drosselrohrsänger, an dem bunten Gefieder des Eisvogels, an der reizvollen Erscheinung eines einzelnen Reihers, wie er, vor dem Röhricht stehend, sein Handwerk betreibt, oder an dem Fischadler, der nach Beute spähend über dem Wasser seine stolzen Kreise zieht! Nur aus einige Bogelnrten möchte ich noch Hinweisen, die ich in meiner engeren Heimat, wenigstens in den letzten Fahren, als Brutvögel nur in der Lausitz, diesem ornithologischen Schatz- küstlein, angetrvffen habe. Bon Raubvögeln nenne ich an erster Stelle den Wander falken. Er horstete noch vor einigen Fahren in der Sächsischen Schweiz. An unzugänglicher Stelle unter einem Felsenvorsprung saß das Weibchen aus den Eiern, während das Männchen seine Flugkünste zeigte oder in pfeilschneller Jagd einem Häher nach stürzte. Dem Schrot des Jägers sind die beiden erlegen. Der Felsen ist tot und verwaist — ein „Falkenstein" ohne Falken! Die schönste Zierde der Landschaft ist wohl auf immer dahin. Der einzige Horst in Sachsen, von dem ich sichere Kunde habe, befindet sich noch heute am Oybin bei Zittau. Die junge Brut des vergangenen Frühjahrs hat man leider geraubt; es ist aber Fürsorge getroffen worden, daß dies nicht wieder geschieht, wenn das Paar, wie zu hoffen ist, sein. Stammschloß in diesem Lenz von neuem aufsuchen wird. Gewiß, der Nicdcrjagd bereitet solch stattliches Raubvogelpaar einigen Schaden; wenn man aber be denkt, daß durch Schonung den wehrhaften Bügeln hier ein Asyl bereitet und dadurch ihrem Aussterbcn innerhalb unsrer Grenzen gesteuert wird, so erscheint der Schaden gegenüber solch idealem Wert so gering, daß der Iagdberechtigte in dem stolzen Gefühl, einem der edelsten gefiederten Jäger auf seinem Revier eine Zu fluchtsstätte bereitet zu haben, gewiß gern den geringen Verlust mit in Kauf nimmt. Fm Bilde der Flachlandschaft sind die Milane und Weihen von unvergleichlicher Anmut. Freilich wie selten wird uns auch in der Lausitz solch herrlicher Anblick zu teil! Wenn der rote Milan, auch Königsweihe genannt, sanft nnd ruhig schwimmend über dem Auenwald der Niederung dahinzieht, oder sein schwarzdrauner Vetter über den Seen kreist, ohne Flügclbewegung, höher und höher, bis nur ein kleiner Punkt an der strahlenden Himmelsglocke den Segler verrät: da schlägt jedem Naturfreund das Herz. So zieht ein Schiff seine Bahn durch das unermeßliche Meer, abgeschieden von aller Welt, in stolzer Einsamkeit, nur auf sich angewiesen und seine Kraft. Tief unter dem kreisenden Vogel die Felder, die Wälder, die Triften; der Spiegel der Seen blitzt aus der Tiefe herauf; wie ein silbernes Band zieht der Fluß durch das ebene Land. Wie klein ist alles, was das Falkenauge aus solcher Höhe erschaut, wie klein die Städte und Dörfer, wie klein doch der Mensch, der bewundernd zu dem Segler emporschaut. „Wie im Reich der Lüfte König ist der Weih — Bon den andern Mitgliedern dieser Raubvogelsippc sei nur noch die Rohrweihc erwähnt. Besonders zur heißen Mittags zeit im Sommer, wenn das Leben im Röhricht erstorben scheint und selbst die quecksilberne Gesellschaft der Rohrsänger ihren Gesang eingestellt hat, wenn Mensch und Tier unter den sengen den Strahlen des Tagesgestirns seufzen und nur das hohe Schilf ganz leise flüstert, dann ist die schlanke Gestalt der Rohrweihe, wie sie lautlos niedrig über dem Rohr dahinschwebt, eine Er scheinung, die man niemals vergessen wird. An die Seen grenzt nicht selten ganz unvermittelt die dürre Kiefernheide. Hier wohnen zwei Vögel, die dem Naturfreund nur wenig bekannt sind. Dämmerungstiere, nur ausnahmsweise bekommt man sic zu Gesicht, aber ihre Stimmen lassen sie oft mals hören. Ein Flötenrns, wohllautend und weich, tönt über unserm Haupte, und gleich darauf sehen wir einen etwa Kiebitz- großen Bogel vom Abendhimmel sich abheben. Niedrig fliegt er über die kahle, nur mit Heidekraut und Kieferngestrüpp be wachsene Sandfläche dahin, um zwischen den dürren Pflanzen zu verschwinden. Es ist der Triel, ein ursprünglicher Steppen vogel, der vielen nicht einmal dem Namen nach bekannt ist. Sein weicher, gespensterhafter Flug sowie die großen lichtgelben Augen verraten es, daß er die Dunkelheit liebt. Am Tage hält sich der Bogel versteckt; aber den Eindringling, der in die Nähe seines Brütplatzes kommt, beobachtet er scharf, ans seinen hohen un gefügen Ständern stehend, den dicken Kopf mit den Riesenaugen auf den Ruhestörer gerichtet. Er weiß, daß sein gelblichgrauec. Kleid ihn nicht verrät, und wenn er doch schließlich den Platz verlassen muß, dann läuft er, wie der Wachtelkönig, geduckt durchs Gestrüpp, um erst weit ab vom Nistplatz niedrig über dem Boden dahinzufliegen. Der zweite Nachtschwärmer der Kiefernheide ist die Nacht schwalbe. Wohl fehlt sie auch anderen Gegenden unseres Paterlandes nicht, nirgends aber habe ich sie so oft beobachtet wie in den Forsten der Lausitz nahe der preußischen Grenze. Die Sonne ist zur Rüste gegangen, glutrot am nordwestlichen Horizont. Weiße Nebel senken sich auf die Waldwiese; schwarz und gespensterhaft yeben sich die alten Föhren mit ihrem breit ausladenden Wipfelgeäst von dem noch schwach geröteten Himmel ab. Lautlos senkt sich die Nacht auf die schlummernde Erde. Horch, welch seltsames Schnurren: „Errrrrrörrerrrrrrörr. . ." ohne jeden Absatz, minutenlang, zweitönig -- erst höher und länger ausgehalten, dann etwas tiefer und kürzer. Die Nacht schwalbe ists oder der Ziegenmelker, wie das abergläubische Volk ihn getauft hat — was hat der nächtliche Bogel mit Ziegenmilch zu tun? In der alten Föhre dort, die vor ihren Kameraden ein zeln auf der Waldblöße steht, muß der seltsame Schnurrer sitzen; einen Gesang, ein Lied kann man seine stimmliche Leistung wahrhaftig nicht nennen. Da, ein flötenartiger, hinaufgezogener Schlußton „huit", und fast im selben Augenblick umkreist uns etwas wie ein Schatten, mit lautem Klatschen der Flügel. Sehen wir recht oder täuscht uns der Nebel? Plötzlich sind es zwei Bügel, die uns umschwärmen, das Paar, lautlosen Fluges, geisterhaft, so nahe, daß wir den Lufthauch ihres weichen Flügel schlages im Gesicht spüren. Ist es die Neugier, die das Ein siedlerpaar des Waldes veranlaßt, die fremden Eindringlinge sich näher zu betrachten, oder wollen sic uns durch solch nächt lichen Spuk vertreiben? Vom Nordhimmel, der um die Zeit der Sonnenwende selbst zu mitternächtlicher Stunde niemals des Lichtes entbehrt, heben sich die rindengrauen Vögel so gut ab, daß wir's erkennen, wie sie während des Flugs die langen Schwingen über dem Rücken zusammenschlagen, daß es laut klatscht. Nach ei» paar Sekunden sitzen sie beide vor «ns am Wege, um dann spurlos mit weichem „djak djak" im finstern Dickicht des Unterholzes zu verschwinden. Hier im Heidekraut mag das Paar seine Brutstätte haben, zwei weiße Eier, die auf dem Boden liegen; denn ein Nest baut die Nachtschwalbe ebensowenig wie der Triel. Etwas Eulen artiges haben die nächtlichen Vögel: seidenweich das Gefieder, rindengrau mit feinabgetöntcn Zeichnungen wie das Kleid des Waldkauzes, wie die Borderflügel der Nachtschmetterlinge, ein dicker Kopf mit großen Augen und kurzem Schnabel, der nur mit der hakigen Spitze aus dem umgebenden Borstenkranz her vorschaut. Tagsüber verhält sich die Nachtschwalbe ganz still; auf einem Aste träumt oder schläft sie, und mancher Wanderer mag vorübergehen, ohne den Bogel zu ahnen. Erst wenn sich die Dämmerung über den Föhrenwald breitet, tönt das seltsame Schnurren — „der Nachtschatten spinnt," sagt der Förster. An den Landstraßen beobachtete ich wiederholt einen Bogel, den ich sonst in Sachsen fast nie bemerkt habe, den Gartenammer oder, wie er gewöhnlich genannt wird, den Ortolan. Sein ein faches Liedchen, so weichen Klanges, wie wir's sonst von Finken vögeln nicht kennen, tönt von den Obstbäumen herab, die die Straße begleiten. Der kleine Bursche, kaum so groß wie sein Vetter Goldammer, aber gedrungener gebaut, läßt uns ganz nahe herankommen, daß wir fein hübsches Federkleid deutlich