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972 v. Vom Wiener Kongreß bis zur Julirevolution. eigenthüinlichen englischen Ehegesetze viel zu leiden gehabt. Man hat sie den Byron unter den englischen Dichterinnen genannt, und in der That hat sie viel von der intensiven persönlichen Leidenschaft, von der kraftvollen Ausdrucksweise Byron'scher Poesie. Ihr erstes, mit siebcnzehn Jahren veröffentlichtes Werk war das Idyll »tlle sorro^vs ok Rosalia«, diesem folgte »Üw undzdnA One« (die Sage vom ewigen Juden), dann „der Traum", ein Gedicht mit dem sie durch schlagenden Erfolg erzielte, und endlich ihr ausgezeichnetstes Werk „das Jnselkind" (tllo ollild ok tirs) Islands), worin an dein Prinzen von Wales das englische Gesellschaftsleben in seinen Höhen und Tiefen vorgeführt wird. — Elizabeth Bar rett, später Gattin des Dichters Browning, war nicht nur eine poetisch begabte, sondern auch eine sehr gelehrte Dame, die den Prometheus von Aeschylus über setzte. Ihr Hauptwerk ist »^. Drama ok oxilo«, „eine Vision in lyrisch-drama tischer Form, ein Mysterium, in welchem die Einbuße der Jugendidealc des Menschen an dem Mythus der Vertreibung Adam's und Eva's aus dem Para diese sehr schön veranschaulicht wird". Ihr Gatte, Modert Browning, ein Dichter, der Aehnlichkeit mit Shelley hat, war hauptsächlich Dramatiker, seine Stücke sind aber viel mehr philosophisch als handelnd, und daher durchaus nicht bühnengerecht. Wir erwähnen nur seinen „Paracelsus", eine Art englischen Fausts. Ein anderes Dichtcrpaar, in dem gleichfalls der weibliche Thcil der bedeutendere war, sind Mary und William Howitt. Mary Howitt, aus einer Quäkerfamilie hervorgegangcn und streng einseitig erzogen, hat sich zwar später aus diesen Banden etwas befreit, ist aber eine vorzugsweise didaktische Dichterin, die viel für die Jugend geschrieben hat. 3. Byron, Shelley, Moore und die neueste Lyrik. 1788 Der größte Dichtername im moderne» England ist Lord Byron, der wie ein glänzendes Meteor zugleich prächtig und furchtbar am Horizonte dahin fuhr, alle andern Gestirne verdunkelnd. Die Verehrer des Grundsatzes „Thron und Altar", an ihrer Spitze Southcy und die Wächter des anglikanischen Zion, schauten mit unheimlichem Grauen ans die titanischen Naturen, die wie Byron, Shelley, Kcats, sich über die Schranken der traditionellen Weltanschauung Altenglands so kühnen Schrittes wcgsctztcn, und nannten sie die „satanische Schule"; aber an Schwung der Phantasie, an Großartigkeit der Lonccptio- nen, an fruchtbarer Schopfnngskraft überflügelten sie alle zeitgenössischen Dichter. Insbesondere war Byron eine Staunen erregende Wundcrerscheinung, sowohl wegen der Vielseitigkeit und Produktivität seines Genius, der, wenn auch im Wesentlichen zur Lyrik angelegt, in allen Gattungen der Poesie Großartiges ge leistet hat, als wegen seines kurzen vielbewegten Lebens, das mit seinem heroisch romantischen Abschluß bei Mesolonghi (S. 747) selbst einem modernen Roman gleicht. Neben den großen Gedichten „Childe Harold" und „Don Juan", in