Volltext Seite (XML)
II. DasConsulat. 81 brachte mit den beträchtlichen durch die holländische Armee verstärkten Strcit- krästcn die westlichen Provinzen zur Unterwerfung und zuin Anschluß an das neue Regiment. Cadoudal, dessen starrer Royalismus jedes Compromiß mit der Revolution und der Republik, verschmähte, entfloh nach England; Frottö ergab sich im Vertraue» auf die Großmuth der Regierung auf Gnade und Un- gnnde, wurde aber mit sechs seiner Gesinnungsgenossen kriegsgerichtlich zum Tode verurtheilt und erschossen. Nunmehr erlosch allmählich das Kricgsseuer, das über sechs Jahre mit mehr oder weniger Heftigkeit in den westlichen Land schaften gewüthet, den Wohlstand vernichtet, die Gemnther verwildert hatte. Die royalistisch-klerikale Opposition barg sich fortan in das dunkle Gewand cou- spiratorischcr Complotte. Während Bonaparte im Innern und bei der Armee sich in der Macht und Autorität befestigte, begünstigt und getragen von dem Vertrauen und der begei- sch- V-rfas. sterten Hingebung des Volkes, das nach friedlichen, gesetzlichen Zuständen vm. schmachtete, vollendete die Vcrsassungscommission ihre Arbeiten. Die Nation verhielt sich gleichgültig und thcilnahmlos; ihr war die kraftvolle Hand, die das Regiment bereits thatsächlich führte, mehr Bürgschaft als geschriebene Ge setze. Man hatte im Laufe eines Jahrzehnts so viele Constitutionen erstehen und verschwinden gesehen, daß die Mehrheit des Volkes abgespannt und ermüdet war. das Wohl und Heil des Vaterlandes nicht mehr von einem gesetzgebe rischen Akt, von einem politischen System erwartete, sondern von einer festen Autorität, einer gesicherten Staatsgewalt in starker Hand. Wenn Anfangs der Glaube obwaltete, die Verfassung vom Jahr III sollte durch die Ausschüsse der beiden Räthe nur einige uothwendigc oder zweckmäßige Veränderungen erfahren und dann nach Ablauf der Vertagungsfrist dem gesammtcu gesetzgebenden Körper zur Annahme und Bestätigung vorgclegt werden, so konnte man sich bald über zeugen, daß dies keineswegs die Ansicht der provisorischen Consuln war, daß vielmehr Sieyes die Gelegenheit benutzen wollte, die französische Nation mit seiner eigenen Schöpfung, mit den tiefen Wahrheiten seines speculativen Geistes, mit seinen befruchtenden Ideen zu beglücken, daß er der Welt ein neues politi sches Evangelium darzurcichen gedachte. worin alle Güter des langen geistigen Kampfes aufbcwahrt und gesichert werden sollten. Aber wie wenig entsprach die neue Offenbarung den Wünschen und Bedürfnissen einer gebildeten zur Frei heit und Selbstbestimmung reifen Nation! Die Verfassung vom Jahr VIII war in dem ersten von Sieyes ausgeklügelten Entwurf ein »erkünsteltes Produkt politischer Scholastik und doctrinärer Haarspalterei, ein mechanisches Räderwerk mit byzantinischen Rangordnungen und Stufenleitern, das unter Nnpolcon's umgestaltender Hand zu einer Maske des autokratischen Absolutismus wurde, zu einem republikanischen Gehäuse für eine einhcrrlichc Gewaltherrschaft, zu einer Staatsmaschine, die eine einzige Feder in Bewegung setzte und im Gange hielt. Napoleon selbst hat später eingestanden, daß Sieyes nur Schatten von Gewalten Wkbir. W-Itgrschichit. XIV. tz